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Freitag, 24.05.2019: The Idiots im Interview!


The Idiots sind vermutlich die bekannteste, ganz bestimmt aber die älteste Dortmunder Punkband. Diese Tage bringen sie ihr neues Album "Schweineköter" (Review hier) an den Start. Grund genug für Zwen und Fö, doch mal auf ein Getränk beim schillernden Frontmann Sir Hannes vorbei zu schauen, der nebenbei auch noch den legendären Plattenladen "Idiots Records" führt.
Im Hinterzimmer seines Ladens begrüßt uns Sir Hannes. Wie man ihn von der Bühne kennt, stets unter Strom. Als guter Gastgeber bietet er uns direkt Getränke und Sitzplätze an, er selbst, so scheint es, ist viel zu aufgewühlt zum Sitzen. Und so tigert er quer durch den Raum, während er uns an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt. Aber der Mann hat ja auch viel um die Ohren, nicht wahr? Das Aufnahmegerät ist noch gar nicht hochgefahren, da sind wir schon mitten im Gespräch.


Hannes: Ich finde es sehr wichtig, egal, was man für Musik macht, dass man authentisch und nicht käuflich ist. Ob das fünf Leute hören oder 50.000...scheißegal! Mir wurde in meinem Leben total oft angeboten, für Geld z.B. bei Coverbands zu spielen. Das kann ich nicht. Ich kann nur das machen, was aus meinem Herzen kommt. Das ist der schwierige Weg, aber ich kann das nur jedem Musiker empfehlen, der authentisch bleiben will – egal ob Rock, Metal, Punk - : „Mach dein Ding!“. Du siehst dich ja jeden Morgen im Spiegel: Erkennst du dich noch? Sonst verkaufst du dich nämlich und das ist das Schlimmste, was du machen kannst.

Zwen: Mit Idiots habt ihr ja schon euer Ding in dem Sinne durchgezogen, habt aber schon mit größeren Labels zusammengearbeitet.
Hannes: Früher hatten wir ja Mülleimer Records. Da waren auch Normahl und die ganzen alten Deutschpunk-Bands drauf. Danach waren wir bei We Bite Records. Das war eigentlich ein eher kleines Label. Die hatten auch Youth Of Today und Gorilla Biscuits. Wir haben uns eigentlich nie verkauft. Wir hatten mehrfach Angebote von Sony. 1989 waren wir in der Bravo als „Extremste Punkband Deutschlands“. Damals gab es in den 80er Jahren die Sendung „Kinder, Kinder“, wo es um die extremsten Bands ging, die Jugendliche beeinflussen. Da haben sie Die Böhsen Onkelz und The Idiots gezeigt. Vor allem unseren Song „Hippieschweine“. Der war aber ironisch gemeint, ich bin ja selber ein Hippie. Deswegen, wir waren schon ziemlich bekannt, haben uns aber nie verkauft. Das können wir gar nicht.
Nach den Idiots habe ich ja sieben Alben mit Phantoms Of Future rausgebracht. Fünf davon bei Sony Music und dann wollten die davon Remixe machen. Ein Remix sollte von Dr. Dre (Produzent von Snoop Dogg) gemacht werden. Das war dann eine Metall-Box und wir haben dann gesagt, dass wir damit nicht einverstanden sind und dass die da hinten drauf schreiben sollen „Thanks for destroy the disc!“. Danach war das Thema Sony gegessen und ich will da auch nix mehr mit zu tun haben, und mir ist das auch scheißegal. Da verkaufe ich lieber nur drei Platten. Ich verstehe das auch bei manchen Punk-Bands gar nicht. Z.B. bei Bad Religion, da hört sich auch jedes Album gleich an. Okay, das Neue ist wieder besser, aber als die bei Sony waren, war es schon sehr weichgespült. Da wird sich halt angepasst. Das kann ich nicht. Bevor ich sowas machen würde, oder hier Helene Fischer verkaufen müsste, da würde ich lieber den Westenhellweg fegen.

Zwen: Gab es denn mal den Gedanken, die Sachen über ein eigenes Label rauszubringen?
Hannes: Das Album kommt ja auf Idiots Records raus. Wir nutzen bei anderen nur den Vertrieb und da bin ich auch dran, das demnächst selber zu machen, weil mich das auch ankotzt. Ich bin Anarchist und will am liebsten mit gar keinem was zu tun haben. Das hört sich doof an, aber wenn dir einer vom Vertrieb sagt: „Wir haben jetzt gerade noch das und das und wir müssen noch das und das...“ - „Hast du eigentlich mal in unser Album reingehört?“ - „Nö, wir haben ja 800 Veröffentlichungen im Monat.“ Das ist unpersönlich. Grausam. Früher haben wir Kassetten verschickt. Bevor es Idiots Records gab, habe ich mit der Bassistin Anne von Idiots am Fredenbaum in Dortmund gewohnt. 182 DM Miete im Monat. Meine erste Wohnung nach fünf Jahren Obdachlosigkeit. In unserem Wohnzimmer war eine umgedrehte Jaffa Orangen Holzkiste als Wohnzimmertisch. Da fing ich dann an, die erste Idiots-Single zu vertreiben und zu verschicken. Damals gab es noch einen richtigen Kassetten-Markt und es wurden Sampler gemacht über die ganze Welt. Das kann man sich gar nicht vorstellen wie groß das war und was für ein kultureller Austausch. Unsere erste Single von 1982 hatte ich dem Maximum Rock'n'Roll geschickt, was in Amerika das größte Punkrock-Magazin ist, die sagen, dass sie nur Bands besprechen, die sich selbst auf eigenem Label rausbringen. Unsere Single ist da so eingeschlagen, dass wir monatelang in den Top 5 als Bestseller waren. Jello Biafra hat sich die auch bestellt. Der war aber nicht nur an den Idiots, sondern allgemein sehr interessiert. Hat sich z.B. auch was von den Neurotic Arseholes bestellt. Maximum Rock'n'Roll hatte ja auch ein Studentenradio, wo wir auch ohne Ende gespielt wurden. „Der S04 und der BVB“, konnten die ja eigentlich gar nicht verstehen, wurde aber auch viel gespielt (lacht). Man merkt, dass das roh und aus dem Herzen ist. Ich kann nicht anders, auch wenn die Leute sagen, was machste denn da mit Honigdieb: „Ach du süße Kleine“??! Das ist eine Parodie auf die Gesellschaft! Wenn man sich eine Show anguckt, dann versteht man das.

Zwen: Wie nimmst du das wahr, dass heute vieles wieder zurückkommt. Wir bekommen zum Beispiel auch wieder vermehrt Tapes eingeschickt.
Hannes: Wie ich gerade erzählt habe – super!

Zwen: Bringt ihr denn eure Platte auch auf Tape raus?
Hannes: Nee, nur CD und Vinyl. Aber wäre eine Idee. In Amerika soll das wohl schon ein Hype sein...hier bekommste so von der ein oder anderen Band mal ein Tape. Vielleicht mehr was für live. Ist halt kultig, aber wer hat denn noch einen Kassettenrekorder? Ich habe das Gefühl, das ist hier noch nicht so angekommen.

Fö: Stimmt schon, ich hole mir das wenn dann auch eher live, wenn ich die Band unterstützen will.
Hannes: Ich glaube ich habe jetzt für das neue Album über 50 Interviews gemacht, teils 30 Fragen. Nächtelang. Letzte Woche hatten wir einen Auftritt von Honigdieb und ich war gar nicht mehr im Thema drin. Da musste ich mir dann in einer Nacht ja auch fast 30 Texte ins Gedächtnis rufen.

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Zwen: Mal ein anderes Thema. Vielleicht sag ich jetzt auch komplett Blödsinn, aber du hast dich von uns mal missverstanden gefühlt, kann das sein?
Hannes: Ja, so lange es die Idiots gibt provozieren wir auch. Wir waren die erste Band die Hansa-Dosen ins Publikum geschmissen hat, wir hatten auch bewusst eine Frau mit Schweinemaske, die sich Hansa Dosenbier auf die Brüste ausgekippt hat und das wurde dann total zerrissen bei euch. Ist aber total in Ordnung, kann ich mit leben. Aber die Leute, die die Idiots kennen, wissen, dass da inhaltlich viel mehr drin ist. „Zwischen Kunst und Idiotie“ wurde letztens geschrieben.

Fö: Was steckt denn da inhaltlich mehr drin? Also jetzt konkret das mit der Frau, die sich Bier auf die Brüste laufen lässt...
Hannes: Frauen werden benutzt in unserer Gesellschaft, die werden eingesperrt, das ist fast wie im Mittelalter, nicht nur in anderen Kulturen, auch bei vielen deutschen Frauen. Die können sich nicht mal mit Freundinnen treffen, werden von ihren Ehemännern eingesperrt. Das zieht sich auch weiter durch die Gesellschaft, dass Frauen schlechter bezahlt werden und so.
Die Schweinemaske ist ein Sinnbild für das Böse in der Gesellschaft. Ist natürlich sehr extrem dargestellt, was viele auch nicht verstehen. Aber ich provoziere gerne.

Fö: Aber der Punkt ist doch, wie wirkt das auf das Publikum? Meinst du, dass die Leute vor der Bühne wirklich die Metaebene vor Augen haben, oder denken die sich nur „oh geil, Titten und Bier“?
Hannes: Nee, die meisten kennen uns ja, und die wissen wie das gemeint ist. Ich kann aber auch völlig verstehen, wenn das falsch verstanden wird. Da haben wir aber auch draus gelernt, jetzt machen wir das nicht mehr.

Zwen: Als ich euch das letzte Mal gesehen habe, in Lünen auf der Alternative Stage, da war das mit den Frauen schon gar nicht mehr, da war dann die "Wurst-Show", mit dem Fleischwolf.
Hannes: Ja, mit dem Fleischwolf. Ich bin ja Vegetarier seit fast 30 Jahren. Das ist halt Provokation. „Ich bin ein Fleischwolf, ein Frikadellengesicht, fresse tonnenweise Fleisch und habe gerne Gicht!“.
Du musst ja provozieren. Alleine in meiner Band, da sind jetzt schon drei andere die kein Fleisch essen. Und bei Honigdieb auch schon vier. Man muss das vorleben. Du kannst nicht immer sagen „das ist scheiße“, du musst das auf ner anderen Art vorleben.
Du erreichst auch nichts wenn du sagst „du bist ´n Nazi, du bist scheiße“. Manche Leute kommen auch bei mir in den Laden und fragen nach Landser oder irgend `nem Scheiß. Dann sag ich, hey, hör dir doch einfach mal gute Musik an, lass mal ´n Bier trinken. Man muss die Leute auch annehmen. Das ist mit allem im Leben so. Du musst das Vorleben, dann kannst du viel mehr erreichen.
Ich hab zum Beispiel Leute vom Heroin weggeholt. Wenn du selber `n Freak bist und das selber durchgemacht hast, kannst du denen was vermitteln. Ich bin der größte Sozialarbeiter in Dortmund, sagen sie. Diese ganzen Vereine, Caritas und so, die haben nur Leute die im Büro sitzen und wissen gar nicht, was in den Junkies vorgeht.


The Idiots im Tatort (1980)

Fö: Ich hab noch ne allgemeine Frage, weniger zu den Idiots. Wie siehst du die Punk-Szene in Dortmund, wie siehst du sie heute und wie hat sie sich verändert im Laufe der Jahre?
Hannes: Ja, die Punkszene in Dortmund, ich glaube das ist sehr schwierig. Es gab nochmal son Aufwühlen der Punkszene in den 90er Jahren, obwohl das ja die Techno-Zeit war. Es gibt aber son paar richtig gute Bands, wie Tremania, später Rasender Stillstand. Oder Tony Gorilla, auch wenn das eigentlich eher Melodic Punkrock ist, die sind fantastisch, das ist ein Aushängeschild für Dortmund. Ich finde auch Leberek sehr gut, kennt ihr die? Die machen eher Blues-Punk, Blues mit etwas Ska und Punk drin, aber ist halt Blues. Und trotzdem ne gute Band. Sonst ist es in Dortmund ein bisschen wenig. Da müssen wir dran arbeiten!
Als ich in Dortmund angefangen hab, was mit Musik zu machen…Dortmund war irgendwie tot. Damals war ich der erste hier im U-Viertel, da gab’s gar nichts, nur ne Kneipe, Krabben Karl an der Ecke. Zusammen mit dem Dörfel von Rim Shout habe ich die ganzen Punkbands nach Dortmund geholt in den 80er Jahren, auch die ersten Death-Metal-Bands. Zum ersten Mal Carcass, zum ersten Mal Bolt Thrower.
Ich war auch im alten FZW und hab angeregt, dass so Sachen wie Nirvana und Green Day gespielt haben. Früher gabs im ZDF so ne Fernsehserie „Aktion Sorgenkind“, da wurden Punker gezeigt, die gar nicht wissen wo sie eigentlich hinwollen, und die Eltern wussten gar nicht was sie mit ihren Kindern machen sollen. Dafür haben wir 1985 ein Konzert im FZW gemacht, da haben Ausbruch gespielt, Daily Terror, Idiots natürlich auch. Ich war da immer total aktiv um überhaupt Sachen, die wichtig sind, versuchen größer zu machen und in die Medien zu schaffen. Auch wenn ich die Medien eigentlich zwiespältig sehe, aber du brauchst sie halt trotzdem, auch um Punkbands zu stärken. Das ist wichtig, zur Zeit wahrscheinlich so wichtig wie noch nie, wo überall Diktatur ist, in Ungarn, in Polen, überall, wir müssen alle was tun. Weißt du was ich so erschreckend finde? Die ganzen Parteien stellen keine Charaktere auf, ob's die SPD ist oder die CDU, es gibt nichts in der Mitte, da sind Parteien die überhaupt keinen Inhalt haben...und dann wählen alle irgendwann die AFD - der Untergang jeder Kultur.

Fö: Gehst du denn privat viel auf Konzerte?
Hannes: Mein letztes Konzert war im Subrosa, Octafish, wo auch der Geiger von Honigdieb spielt, instrumental, die waren schon zum zweiten Mal da, totaler Wahnsinn, hat was von Zappa. Die Band ist fantastisch, war auch voll, war so ein Hutkonzert, war super.
Davor war ich hier im Blackend, da hat Exumer gespielt, das ist `ne alte Thrashmetalband. Ist halt Thrashmetal, die sind gut. Die waren auf Europatour und in Spanien wurde ihnen die Gage nicht ausgezahlt, dann haben sie spontan im Blackend gespielt, das unterstütze ich natürlich. Ist für Heavy Metal auch ne ganz gute Kneipe.
Aber eine meiner Lieblingskneipen ist der Dub-Krug. Die hatten übrigens jetzt 40jähriges, ist die älteste Kneipe in Dortmund. Die Leute sind schon älter als wir, aber interessant. Der eine war 50 Jahre Taxifahrer in Dortmund, was die für Storys so haben, das geht leider verloren… Das wird ja auch kaputt gemacht, dieses ganze Kneipendasein, wo Kommunikation noch stattfindet, wo die Leute noch miteinander reden. Jetzt sitzen die Leute nur noch vorm Rechner und lesen Fake News, das finde ich grausam, weil da draußen ist eigentlich das Leben. Jaja, der Dub-Krug. Ihr seid wahrscheinlich keine BVB-Fans oder? Aber da kann man auch so mal reingehen, in der Woche.
Vielen Dank für euer Ohr! Ihr habt nen Termin…und ich muss jetzt zur Idiots-Probe.

Zwen: Ja, danke dass du uns eingeladen hast!


Fö 05/2019
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