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25 Jahre Kunterbunt: Oi Polloi, Die schwarzen Schafe, Fallout Babies, Der gierige Diktator, The Grabowskis, Snatch, Pigs Can Fly, Ruhrschrei, The Hetero Force, Die Kacknäpfe, 31.10.-02.11.2013 in Schwerte, Rattenloch - Bericht von doX

25 Jahre Kunterbunt, 31.10.2013-02.11.2013 in Schwerte

Im wichtigsten Punkschuppen der Ruhrmetropole Schwerte steppt an diesem Wochenende ordentlich der Bär. Der Laden, oder vielmehr sein Trägerverein feiert drei Tage lang sein 25-jähriges Bestehen.
Natürlich darf auch Bierschinken vor Ort nicht fehlen, und so mache ich mich trotz schinkeneigener Veranstaltung im Nachbardorf, auf zur Halloween-Party ins Rattenloch.

Es liegt in der Natur solcher Veranstaltungen, Oma, Opa, Onkel und Tanten aus den geriatrischen Zentren der Republik zu locken, um ausgiebig in Erinnerungen zu schwelgen.
Opas Geschichten vom Krieg werden, ebenfalls naturgemäss, mal mehr, mal weniger wohlwollend aufgenommen. Zumindest aber scheint sich dem ein oder anderen Enkel zu erschließen, weshalb man sich heute mit dem nur bedingt punkigen Namen KUNTERBUNT rumschlagen muss.
Genug bla bla bla!
Tag I
Den Auftakt machen im Rahmen der Hallowen-Party DIE KACKNÄPFE und THE HETERO FORCE, danach wird aufgelegt.
Beginn 21:00. Als ich um halb komme, ist die Bude schon gerammelt voll. Beim Marsch durchs Raucherspalier schaffe ich es mit einiger Mühe, zwei von Opas Ardennen-Geschichten erfolgreich zu umgehen und finde es nur so mittel witzig, von den Punkie-Blagen mit einem "Oh wie schön, du gehst als Landstreicher." an der Kasse empfangen zu werden.
Ungefähr 80 Prozent der Besucher kenne ich nicht, den Rest erkenne ich nicht. Als DIE KACKNÄPFE anfangen, erkenne ich sie nicht wieder.
Bat- und Superman habe ich irgendwie athletischer in Erinnerung, Hulk hat sich als Kermit verkleidet - wie gemein.
Offensichtlich sind die letzten 25 Jahre auch an den Superhelden nicht spurlos vorüber gegangen.
Vielleicht müssen sie auch deshalb im Sitzen spielen. Den Zuschauern ist es egal - das Becken ist randvoll und die Leute jubeln, hüpfen und frohlocken lange bevor es losgeht.
Mit "Willkommen bei der Kacknäpfe Show" schmeißen unsere drei Superhelden schon den ersten Gassenhauer in den Raum und stapeln im Refrain direkt ein wenig zu tief. "...Wir sind unterstes Niveau", heißt es da. Stimmt aber nicht. Erfrischend eingängige Rhythmen und eigenwillig spaßige Texte packen direkt zu.
Das Publikum entwickelt indes eine derartige Dynamik, dass ich mich fragen muss, wie lange die das wohl durchhalten wollen.
Zum Ende des angenehm kurzweiligen Sets bedanken sich die Punkies im Loch mit einem ansehnlichen Schweineberg. Alle freuen sich. Das ist geil.
Nächste und bereits letzte Band des Abends THE HETERO FORCE. Wer Hetero und wer Force ist, will sich mir nicht erschließen und eine Blitzumfrage ergibt, dass eigentlich niemand der Anwesenden diese Band kennt.
Scheint aber nicht weiter tragisch zu sein, da zumindest die Stücke alle irgendwie bekannt klingen und die Herren ausgesprochen gut gekleidet sind.
Chart-Rock-Hard-Core-Cover-Party höre ich jemanden keuchen. Jo, der Abriss im Schwimmbad geht weiter ungebremst seiner Wege und ich mir erst mal einen Button machen.
Eiligst ist nämlich zum Jubiläum eine Button-Maschine angeschafft worden und nun Basteln mit Frau Schulte angesagt. Wegen Asbest in den Wattebäuschchen muss Kinderschminken leider ausfallen.
Zurück zu THE HETERO FORCE. Da wird gerade ein Stück von Christina Aguilera oder sonstwem angekündigt. Ziemlich gruselig eigentlich, aber is ja auch Halloween. Die Tanzwut der Wütenden ist ungebrochen und alle haben Spass. Also alles gut.
Von der anschließenden Party auf zwei Floors bekomme ich wenig mit, weil ich die meiste Zeit mit dem Raucherpack auf dem Sparkassenpackplatz verbringe. Als ich im Morgengrauen den Heimweg antrete, ist der Laden jedenfalls noch gut gefüllt.
Tag II
Auf leicht schwammigen Beinen stolpere ich unwillig in den zweiten Festival Tag. RUHRSCHREI spielen schon und ich fühle mich ein wenig ertappt, weil ich vollkommen vergessen hatte, dass die heute mit dabei sind.
Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Die Band ist jedenfalls voller Energie, Lebensfreude und Attitüde. Das Publikum geht ab wie Schmidts Katze.
Wahnsinn!
Der unlängst ausgewechselte Schlagzeuger ist eindeutig ein Gewinn für alle Beteiligten und auch sonst gibt es musikalisch an RUHRSCHREI nichts auszusetzen. Band und Zuschauer laufen wie auf einer Schiene. Ich hingegen offenbar auf einem anderen Gleis.
Klingt mir alles zu sehr nach Deutschrock und der abgefeierte Lokalpatriotismus oder Texte über Schule....
Die haben sich irgendwie selbst überlebt, denke ich im Rausgehen.
PIGS CAN FLY, ebenfalls eine altgediente Schwerter Band, kommt direkt mit zwei neuen Mitgliedern daher. Bassist Henning ist gegen seinen Zwillingsbruder eingetauscht und an der Batterie trommelt Ex Penetrate Grey Schlagzeuger Robin.
Ansonsten haben die Schweine wenig neues zu bieten, was aber weiter keine Rolle spielt.
Mit ihrer eigenen Mischung aus deutschen, englischen, kasachischen Texten und einer musikalischen Bandbreite von A(bba) bis Z(appa) entfesseln sie eine derartige Mitmach-Orgie, dass es jedem Musikbusiness-Analysten die Tränen in die Augen treiben würde. Kann nicht funktionieren, tut es aber.
Nichtmals der an Insterburg und Co erinnernde Dingelingeling-Song, noch eine wirklich richtig schwere Schnulz-Ballade können die Euphorie lange bremsen.
Insgesamt speziell aber großartig.
Den Headliner geben heute SNATCH aus London. Mal wieder ohne Schlagzeuger angereist, leihen sie sich kurzerhand den Pigs-Gitarristen Wolle aus. Im Glitzerjäckchen und mit Lesebrille macht er eine ausgesprochen gute Figur. Ich muss an Waldorf und Statler denken und wünsche mir einen Balkon.
Ansonsten sind die für ihren grandiosen britischen Witz bekannten Herren auf der Bühne leider vollkommen humorlos.
Was durchaus an der Musik liegen mag, die weitaus eher an Velvet Underground erinnert, als beispielsweise die Ramones. So schaffen sie es denn auch, die weiterhin zahlreich anwesenden Zuschauer entweder in den Thekenraum oder zumindest auf die Treppe zu spielen. Mit einem gefühlt 18-stündigen aber dennoch kurzweiligen Set werden alle ordentlich eingelullt.
Im Anschluss versuche ich gar nicht erst wieder wach zu werden und gehe schlafen.
Eindeutig Tanzmaus des Wochenendes ist übrigens dieser Junge Herr. Beeindruckend wie oft der wieder aufsteht. Wenn er morgen nicht so weitermacht, gibt es Punktabzug.
Tag III
THE GRABØWSKIS. Mit Ø, weil es besser aussieht. Endlich mal was Neues nach 25 Jahren Stumpfsinn, Kleinmut und Selbstüberschätzung.
Ich bin geflasht. Wirklich phätter Punkrock mit ordentlich Rock 'n' Roll in den Wurzeln. Die Gesichter hat man natürlich alle schon gesehen - Lawi seine Biernüsse, Kacknäpfe, Rusty Swords, Ruhrschrei sind hier vertreten. Egal, die Band ist der Hammer, muss man gesehen haben.
Zu meinem Erstaunen ist der Laden auch am dritten Tag wieder gut gefüllt. Die Anwesenden der letzten Tage beginnen allerdings, sich gegen die heutigen Eintagsgäste zu verbünden und entwickeln eine partielle Demenz. Niemand hat mehr Lust, sich über die letzten 25 Jahre auszutauschen. Eigentlich hat niemand mehr Lust, überhaupt zu sprechen.
Meine Fresse, diese GRABOWSKIS sind aber auch sowas von geil!
DER GIERIGE DIKTATOR is nu an der Reihe. Bierlachen-Moshpit-Protagonisten hat Fö sie einst genannt. Großartig. Passt.
Wobei sie mir heute vorkommen wie garstige junge Kätzchen, denen die Welt ein wenig zu groß ist. Von hohen Diktatorpunkmonumenten stolpern sie über holprige Coversongs in Timingfallen, die den ein oder anderen Moment arg in die Länge ziehen.
Alle für keinen, jeder für sich. Kommt einfach nicht zusammen die Bande.
Während die Diktarristen auf der Bühnenkante um den Titel Despot des Jahres masturbieren, schlägt sich der Frontmann im Hintergrund halbherzig mit einem renitenten Stalker rum. Zugegeben, mit einer hinreißenden Sonnenbrille auf der Nase.
Wünschenswert wäre dennoch, dass zumindest einer der Spaten mit einer totalitären Geste an die Seite getreten wird.
Die sonst apathisch auf die Bühne gemauert scheinende Bassistin hingegen berührt mein Mutterherz. Nahezu euphorisch wippt sie hier und da mit dem Fuss und trotz zu viel Nebel gelingt es mir mehrfach, ein bezauberndes Lächeln im Bild festzuhalten.
In Wahrheit ist dann auch alles gar nicht so schlimm und das Publikum honoriert Stümpereien und große Momente gleichmäßig großzügig mit Bierlachen-Moshpit.
Das Publikum ist an diesem Wochenende ohnehin ein Phänomen. Nach knapp 36 Stunden Party ist das Rattenloch noch immer gut gefüllt und die Meute schwer dynamisch unterwegs. Das kennen wir auch anders.
Bei den FALLOUT BABIES wird es dann mal ein wenig leerer.
Niemand kann die Auftritte der Nachfolgeband der Nachfolgeband der Nachfolgeband der legendären Höllenhähnchen zählen. Vermutlich gibt es auch keine Zahl mehr dafür. Gerüchten zufolge haben die jahrelang jeden Tag im Rattenloch gespielt.
Musikalisch hat sich seitdem freilich einiges entwickelt; mal nach vorn, auch mal zurück.
Genug bla bla bla und zurück zum Punkrock.
Punkrock ist es nämlich noch immer. Zu meiner großen Freude mit mehr Leidenschaft als in den kühlen 90ern. Ich sehe mir den kompletten Auftritt an und finde nix zu mosern. Bin trotzdem müde...
Was ich direkt zum Anlass nehme, die nächste Band zu verpassen. DIE SCHWARZEN SCHAFE aus Düsseldorf. Wohl mit OI POLLOI auf Tour und vom Veranstalter im Päckchen eingekauft. Eigentlich wollte ich nur mal kurz raus, um mit den Verbündeten der letzten Tage nichts zu reden. Als ich wieder reinkomme nur noch Nebel. Keine Band mehr da, Publikum auch nicht. Hm, eventuell ist meine Demenz doch nicht so partiell.
Ich gehe kurz Pipi machen und nehme den direkten Weg zurück, um nicht noch was zu verpassen. Jetzt ist noch mehr Nebel da. Und OI POLLOI. Und das Becken ist auch wieder voller Leute. Es ist erstaunlich...
Obwohl OI POLLOI mit 32 Jahren noch deutlich älter ist als das Rattenloch, sehe ich sie heute zum ersten Mal. Fast verdient stecke ich dafür wenig wohlwollende Sprüche ein, ignoriere das aber.
Diverse vorab gesichtete live-Videos erwecken den Eindruck, dass die Bühnenshow sich wirklich tief in die Band eingeschliffen hat.
Im Grunde gibt es keinen Spruch, keine Geste, die nicht in irgendeinem Video auftaucht. Kuchenfähnchen anstecken hier, Hanfkonsumexperte da. Genug bla bla bla, das ist geil.
Ja, ist es. Wer OI POLLOI mal gesehen hat, weiß das. Die Leute hier offenbar auch. Sämtliche Pogo- und Bierleichen kommen aus den Ecken gekrochen und lassen nochmal ordentlich Dampf ab. Also so richtig ordentlich. Es scheint, als sei die Apokalypse nah.
Die letzten 25 Jahre, all der Pathos, die Wehmut um die Geschichten aus dem Krieg spielen plötzlich keine Rolle mehr. Die Omas, Opas, Tanten, Kinder, Enkel, Hunde und Katzen gehen zusammen auf in diesem Moment.
Großartig!

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