Christmas, 04.03.2022 in Köln

Fö: Erster Konzertbesuch seit 77(!) Tagen. Unfassbar! Fühlt sich auch irgendwie unwirklich an, sich in ne Bahn zu setzen, um nach Köln zu gurken und ein Konzert zu gucken. In ner Bahn saß ich nämlich dieses Jahr auch noch nicht, glaube ich. Ist jetzt nach all den Nachrichten der letzten Zeit nicht unbedingt so das befreiende Gefühl, wenn einen ständig dieses diffuse Unsicherheitsgefühl ereilt, dass ja niemand was, was morgen, nächsten Monat oder nächstes Jahr so ist. Was das betrifft, fand ich den Winter eh schon schlimmer als letztes Jahr. Letztes Jahr dachte man ja noch, ach, bis zum Sommer durchhalten, bis Herbst sind alle geimpft und dann ist alles wie früher. Ist nicht so, haben wir gesehen, und wird auch es auch nächstes Jahr nicht, so man den Corona-Prognosen Glauben schenken darf.
Und dann wird einem auch noch plötzlich gewahr, dass es diese Leute, die einfach so aus Bock nen Krieg anfangen, nicht nur in Filmen gibt. Klar, Kriege hat es immer gegeben, auch in der heutigen Zeit, aber da kannste noch so aware sein, wenn es quasi um die Ecke passiert, packt dich das nochmal umso mehr. Ukraine, wo wir kurz vor Corona noch Urlaub gemacht haben. Au man ey. Echt bedrückend das alles, macht einen irgendwie hilflos, gleichzeitig bin ich aber offen gestanden auch dankbar, wenn zwischendurch mal Ablenkung da ist, um die Tasse zumindest bis zur Hälfte wieder aufzufüllen.
Heute geht es in den Sonic Ballroom, Christmas sollen spielen! Gute Gelegenheit, bei ein paar lange nicht gesehenen Gesichtern die hinzugekommenen Furchen zu zählen. Außerdem dürfen ab heute die Clubs wieder öffnen! Das ist auch schon krass, was da auf den Straßen von Ehrenfeld so los ist. Und Ehrenfeld sowieso. Die Gentrifizierung hat in den Corona-Jahren auf jeden Fall noch ein paar Stockwerke draufgesetzt, fällt uns auf. Ein Glück dass es den Ballroom noch gibt!
Gebäckbubi: Mein letzter Konzertbesuch war im November, 102 Tage die sich gar nicht so lange her anfühlen. Dennoch fühlt sich der heutige Besuch anders spannend an. Gefühlt ist allen alles egal geworden was Corona betrifft. Is irgendwie nachvollziehbar, aber komisch isses schon. Immerhin gibt der Sonic Ballroom alles in puncto größtmögliches Sicherheitsgefühl. Kann Fö nur beipflichten, rational nicht zu begründen, aber das Gefühl in einem kleinen Club auf nem Punkkonzert ist um Längen besser als in ner vollen Bahn zur Arbeit. Apropos Bahn, ich habe eigentlich vor, mit den anderen im RE 1 anzureisen, doch kurz vorher werde ich angerufen und an einen Termin erinnert, den ich in der ganzen Punkrock-Euphorie wohl vergessen hab. Also Anreise alleine im RE 6. Keine schlechte Wahl. Der Zug fährt zwar länger, ist aber leer. So werde ich erst in den Straßen von Ehrenfeld von den partywütigen Massen erschlagen, die sich im hiesigen Netto noch mit Wodka-E eindecken. Kleiner Exkurs zur weltpolitischen Lage…die is nämlich wirklich nicht gut. Ich für meinen Teil bin froh, mich an diesem Abend für Zerstreuung und gegen Doomscrolling auf Twitter entschieden zu haben. Das zehrt auf Dauer aus. Ich will damit nicht sagen, dass man das Geschehen einfach vergessen kann oder soll, möchte aber die Empfehlung aussprechen, sich auch mal ne Auszeit zu gönnen die einen glücklich macht und Kraft gibt. Da kommen so ein paar Stunden Punkrock und gute Leute wirklich ganz gelegen.

Fö: Der Schlagzeuger der ersten Band ROBERTO PUNKO (also die Band heißt so, aber er vermutlich auch) kommt irgendwann, als wir draußen so rumlungern, raus, drückt auf seinem Megaphon rum und krakeelt, sie würden gleich anfangen. Schlagartig bekomme ich Angst, dass es sich bei ROBERTO PUNKO um eine Funpunk-Kapelle handeln könnte. Mit gemischten Gefühlen betreten wir den Saal.

Fö: Eine gute Nachricht: Kein Funpunk! Ich muss mich außerdem korrigieren, es war nur ein Mini-Megaphon. Heißt es dann vielleicht Miniphon? Ich weiß es nicht. Aber solange es kein Omegaphon oder Omikrophon ist, bin ich beruhigt.
Gebäckbubi: Das Intro lässt mich noch zweifeln, weil der Schlagzeuger diesen furchtbaren Beat spielt, bei dem man mit beiden Stöcken auf der HiHat spielt und wenn man nicht grad bei ner Discofunk Band spielt, sollte man das meiner Meinung nach lassen.

Fö: Ja, also, kein Funpunk, das reicht mir eigentlich schon als Genre-Beschreibung. Alles andere ist eigentlich relativ egal. Ansonsten könnte es ganz einfach nur Punkrock sein, vielleicht auch mal rotziger Skatepunk, so zur groben Einordnung. Spaß haben sie auch, also nicht dass sich wer fragt ob es überhaupt keinen Fun gegeben hätte.
Gebäckbubi: Fun ist da. Aber die Sorte unaufdringlich. Das find ich gut. Musikalisch reißt mich das nicht 100% mit aber nunja, es macht doch Spaß zuzuschauen. Auch weil das Set stilistisch relativ abwechslungsreich ist.

Chris Crusoe: ROBERTO PUNKO kannte Chris noch nicht aber das Trio gefällt auf Anhieb! Auf ein ausuferndes Carmina-Burana-Intro warten wir vergebens, dafür eine grundsympathische Aufführung und ein perfekter "Opener" für die hoffentlich gut laufende Konzert-Saison! Direkt alle Shirts und Platten gekauft!

Gebäckbubi: Singen tun sie alle 3. Hauptsächlich der Gitarrist, doch am meisten holt mich der angenehm reibeisige Gesang des Bassisten ab.

Fö: Was die Corona-Maßnahmen betrifft: Ich finds eigentlich ganz angenehm! 2G+ am Einlass, limitierte Kapazität, aber ansonsten darf sogar getanzt, gesoffen und geknutscht werden und wir lassen das Virus mal für einen Abend draußen. Bin selbst überrascht, wie gut ich damit klarkomme, aber in ner Punkerhorde fühle ich mich halt einfach immer noch wohler als im Supermarkt. Isso.

Gebäckbubi: Der Gitarrist beschreibt noch ein für Brillenträger*innen-in-Bands alltägliches Problem. Man geht vorm Gig zum Optikereibetrieb seiner Wahl und lässt sich die Brille noch ma richten und denkt, damit hätte man dann Ruhe vorm verrutschen beim Gig. Weit gefehlt! Klappt nie! Empfehlung: Brillenband oder so kleine Gummipinöppel für hinter die Ohren. Hätte mich auch gefreut, hätte mir das jemand eher gesagt…

Fö: Ja, war doch okay! Beste Band, die ich bisher dieses Jahr live gesehen habe!

Fö: Dann CHRISTMAS! Auch schon ne ganze Weile nicht mehr gesehen, die Besetzung ist auch mal wieder ganz anders. Ich warte noch darauf, dass Max endlich auch ausgetauscht wird, aber bis dahin bekommt die Verjüngungskur der Band eigentlich ganz gut.
Gebäckbubi: CHRISTMAS hab ich zuletzt vor 7 Jahren gesehen. Das war ne große Show und im Anschluss erhielt ich damals noch eine erfrischende Belehrung über Posertum. Dementsprechend hoch ist heute meine Erwartung.

Fö: Wenn ich's mir recht überlege, auch schon sehr lange her, dass ich zuletzt einen oberkörperfreien Sänger auf einer Bühne gesehen habe. Befremdlich, aber so ein behaarter Bauch hat auch wirklich was Hypnotisches. Zudem habe ich den Eindruck, dass Max' Bühnenpersona noch ein wenig an Exzentrik zugelegt hat (was jetzt nicht auf den Bauch bezogen war).

Fö: Würde sagen, ein sehr solides Christmas-Konzert! Einige Stücke hängen mir gut im Ohr, bei anderen hängt mir eher das Publikum im Ohr (zumindest bei den Refrains sind hier einige durchaus textsicher). Feucht-fröhliches Getanze und Geschubse darf auch nicht fehlen - und sogar Stagediving!
Gebäckbubi: Auf der Habenseite steht auf jeden Fall, dass die Songs sehr eingängig sind und man auch ohne Vorkenntnisse schnell mal ne Zeile mitschmettern kann.

Chris Crusoe: CHRISTMAS sind wie immer zuverlässige und anstachelnde Unterhalter. Beim Line-Up hat Chris irgendwann nicht mehr richtig aufgepasst, aber die drei sind ordentlich eingespielt und füllen den Raum physisch wie musikalisch gut aus. Max nutzt seine instrumentlose Bewegungsfreiheit aus und sucht immer wieder die Nähe zum Publikum und schiebt sogar die Mitmusiker hier und da mal von der Bühne. Gute Sow!

Gebäckbubi: Die Show is gut und von viel Bewegung und Publikumsnähe geprägt.

Gebäckbubi: Die Menschen in den ersten Reihen haben aber auch tatsächlich Bock auf kuscheln und mitsingen und im Weinspuckedunst stehen. Nicht so wild wie in Wermelskirchen (früher war alles besser), aber insgesamt unterhält mich diese Schau sehr gut.

Fö: Nachdem Max zuvor noch ankündigte, dass sie keine Zugabe spielen, kriegen wir am Ende noch ne Zugabe in Form eines neuen Songs uuund einer Hymne an Nörten-Hardenberger. Ja, so kennen wir ihn. Wein trinken, aber Bier predigen.
Gebäckbubi: Vielleicht hab ich nicht so gut zugehört gegen Ende. Dachte sie hätten das einfach so beendet. Nun denn. Nach dem Konzert sagen wir noch herzlich „Tschöööö“ und eilen dann an pubertären Schlägereien und anderen Dramen vorbei zum Bahnhof (wo traditionell wie auf allen Rückfahrten von Köln nix klappt). Mein Quiz, um die Tausend Wartezeiten wegen Signalstörungen zu überbrücken, ist der Reisegemeinschaft entweder zu schwer oder zu nichtssagend. Nur Fö schlägt sich ganz wacker.
Guter Abend.

Chris Crusoe: Außer, dass gefühlte Ewigkeiten kein Konzert mehr besucht wurde, von ein bisschen Kneipen-Livemusik mal abgesehen, ist heute auch eine Gelegenheit, ein paar Menschen wieder zusehen, die man ebenfalls lange vermisst hat. Im ersten Moment noch komisch, aber Körper und Geist erinnern sich sehr schnell daran, wie es mal war. Läuft!

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