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Juicy Beats Festival: Leoniden, Rikas, VSK, Dendemann, Ufo361, Kelvyn Colt, 27.07.2019 in Dortmund, Westfalenpark - Bericht von mrks

Juicy Beats Festival, 27.07.2019 in Dortmund

Eine der letzten großen Thrills im Leben eines Lowlifers am Ende der goldenen 20er ist es, ein Konzert mutterseelenalleine zu besuchen. Der Effekt lässt sich doublen mit dem mutterseelenalleinigen Besuch eines Festivals. Und da ich ein richtig hartgesottener lonesome Rider bin, besuche ich heute sogar ganz solo ein Elektrofestival. Wobei das Juicy Beats ja eigentlich nicht mehr wirklich als Elektrofestival durchgeht. Das Line-Up der beiden Hauptbühnen liest sich inzwischen wie die aktuelle Airplaylist von Radio Cosmo oder halt EinsLive. Freitag lauschte ich von meinem circa 3 Kilometer entfernten Balkon den lieblichen Klängen von AnnenMayKantereit, welche druckvoll aus dem Westfalenpark zu mir hinüber schwebten. Heute, am Samstag, wird der Headliner eine mir absolut unbekannte Band namens SDP sein. Na egal, Karl. 
Ich fahre gegen 14 Uhr mit der Bahn in den Park. Neben mir sitzt eine Gruppe Typ "Versicherungsbüroangestellte" mit tonnenweise Glitzer all over. Sie haben jeder eine Flasche Bier im Gepäck und streiten sich lautstark darüber, wer denn jetzt bitteschön von den circa 7 Leuten einen "Flaschenöffner" dabei hätte. 
Pa®typeople, jetzt gehts hier richtig los!
Ich war bereits drei Mal auf diesem Festival. Damals sind wir immer über den Zaun geklettert und besoffen uns danach mit den Wein-Tetrapacks, welche wir eine Woche vor Festivalbeginn in den Büschen am Zaun verbuddelt hatten. Heute komme ich königlich mit einem Pressepass rein. Danke, Bierschinken!
Ich geselle mich zuallererst an eine Bühne, wo sogleich eine Art Bingospiel beginnen soll. Das Ganze entpuppt sich als Betreutes Trinken. Der relativ unsympathische Host ist ein älterer Typ in Feinrippunterhose welcher alle Eltern mit Kindern bittet, doch bitte weiterzugehen. Gleich werden sich nämlich sämtliche Leute entblößen und sauige Dinge tun. Es ist 14:30 und sexy time. 
Als aber um 15 Uhr immer noch niemand nackt ist und einfach nur ne Menge Shots ins Publikum gereicht werden, wird mir diese dumme Ballermannscheiße endlich zu langweilig und ich verpiss mich.
Auf der zweiten Hauptbühne stehen auch schon VSK bereit. Das Verbale Style Kollektiv um die Rapper von KIZ und ein paar Freunde persifliert so 90er HipHop auf eine recht unterhaltsame Art. 
Ich muss oft schmunzeln und es heben auch einige Leute den Arm. Ich mag HipHop wirklich gerne, aber ich fühle mich immer richtig unwohl wenn so viele Deutsche auf Befehl ihre rechten Arme in die Luft werfen. 
Also mach ich mich auf zum besten Stand des Juicy Beats. Ich kann das hier nur weiterempfehlen. Eins A Fräisss.
Danach steh ich eine halbe Stunde am Bierstand. Ich habe dann aber bemerkt dass das kein regulärer Bierstand ist.
Auf dem Weg über das Gelände stolpere ich über die große Hauptbühne. Hier liefert sich der Berliner Rapper UFO361 grade einen Kampf gegen den ganzen Purple Drank in seinem Magen. Autotunegesang, futuristische Atmosphäre, BlaBla. Nichts für Alkoholiker auf jeden Fall.
Alle sind bei UFO361. Da lässt sich ganz entspannt das Handtuch auf die Liege werfen. #perfectlife
Ich ergreife schnell die Flucht, als ich das Banner der Leoniden sehe. Wo ist denn jetzt dieser ganze Elektro? Mal schaun..
...AAAhhh hier. Der sehr geräumige und schön verwinkelte Westfalenpark bietet zwischen den beiden Hauptbühne viele supersüße Dancefloors mit selbstgebauten Schmörkel und Bauwagenplatz-mäßigem Murks. Diese kleinen verschwurbelten Orte sind meines Erachtens nach das Herzstück des Juicy Beats und die Hauptbühnen eher die Finanzspritze welche das hier ermöglicht. Aber was weiß denn ich. Zumindest weiß ich nicht die Namen der DJs.
Ist das Rolf Zukowski? Nein Nein. Auf der großen Bühne schreitet grade der große Dendemann über die Bühne. Auf seine alten Tage lässt er sich endlich wieder bitten und singt den Blues. Dendemanns Band EINS ZWO hat mich damals für deutschen HipHop begeistert und ich geb mir noch ab und zu deren erstes Album, das kann ich nicht bestreiten. Auch seine Soloalben haben definitiv einige Hits, aber leider auch viel Leerlauf. Der Auftritt hier bietet von beidem Etwas. 
Wenn ich mich umblicke, sehe ich sehr viele Dudes mit weiten Unterhemden, zurückgegelten Haaren und Sonnenbrillen. Das ist das Ding 2019, merkt euch das.
Die Damen hingegen haben fast alle Glitzer überall und es gibt viele Sailor Moon Frisuren zu bestaunen. 
Ach Dendemann, ja. Einfach ein korrekter Typ, der soll das ruhig alle paar Jahre mal machen. Ich guck mir das dann auch sehr gerne an und freue mich über Dinger wie "Endlich Nichtschwimmer" oder "Stumpf ist Trumpf". Leider wurde "Er so, Ich so" nicht gespielt. Outfit war richtig geil. Schwarzes Metal Shirt über blau kariertem Langarmhemd.
Auch sehr hübsch: Diese geilen Nudeln vom Asia-Imbiss "ASIA WOK IMBISS". Kulinarisch wurde ich bestens unterhalten.
Zurück auf einen der kleinen Elektrofloors. Die Leute sind sehr lieb zueinander und der DJ spielt Mash-Ups aus Bob Marley und Technosongs. Zumindest glaube ich das es so war.
Ganz am Ende des Park befindet sich noch eine versteckte Bühne, nämlich die Ananas. Da möchte ich hin, denn die Stuttgarter Band RIKAS tritt dort gleich auf. Ich folge diesen Bros und lande erstmal wieder vor der Mainstage aaarrrgggh.
Über Umwege gelange ich dann aber doch pünktlich zur Ananas wo RIKAS grade ihre Instrumente mit den Fingern zu berühren beginnen.
Die Band spielt sehr eingängigen Gitarrenpop im Stile aktueller Gamechanger wie Mac DeMarco oder Boy Pablo. Ein gewisser Vintagevibe fleucht nicht nur durch den bohemen Zwirn, in den sich die Musiker hüllen.
Viel weniger Jungs vor der Bühne, was die Dance Experience um ein Vielfaches angenehmer macht. Es ist zwar echt voll hier, aber alle tanzen, alle haben Platz, kein besoffener Honk pogt mir auf die Schuhe oder verliert ein Wursthaar in meinem Bier. I love it.
Der oftmals vierstimmige Gesang der Band kommt so dermaßen on point und catchy um die Ecke. Das hab ich echt selten live so gut gehört. Das hätten die BEE GEES nicht besser hinbekommen. 
Letzter Anlauf für mich ist die Strandbühne, wo der Wiesbadener Rapper KELVYN COLT auftritt. Ich habe ihn ein paar mal im Radio gehört tatsächlich und ich fand das immer cool. Der ist zwar Deutscher aber das merkste nicht wenne das nicht weißt. Beneidenswert. Sein DJ SUGABOY schürt recht lange, aber sehr unterhaltsam die Werbetrommel für Kelvyn bis dieser dann wie ein Flummi plötzlich auf die Bühne springt und direkt Abriss startet. Danach erwähnt er kurzerhand momentan 40 Grad Fieber zu haben. Ok. Kein gelber Schein heute, dafür schmeißt er ein paar Strandbälle ins Publikum.  
Die Intensität und Delivery erinnert mich stellenweise an Chicagoer Rap ala Chief Keef, GOD oder Lil Bibby. Allerdings hat Kelvyn auch recht melancholische Momente in seinen Tracks. Leider werden diese von schmalzig kalenderspruchartigen Ansagen eingeleitet. Wir alle sind aus Sternenstaub usw. Irgendwann holt er dann MARVIN GAME als Gast auf die Bühne. Sie performen einen gemeinsamen Song und die Leute rasten komplett aus. 
Danach macht Marvin noch einen Song ohne Kelvyn.. Marvin Game? Ist das nicht.. 
Ja, genau. Marvin Game ist dieser Typ der neulich auf Youtube behauptete, in Schulbüchern würden Lügen über den zweiten Weltkrieg verbreitet werden, da diese von den "Kriegsgewinnern" geschrieben worden sind (https://www.youtube.com/watch?v=NuZAVcoznDk bei 16:50). Naja, scheint hier absolut unproblematisch zu sein. Die Leute feiern diesen Dude. Hinter mir schreit jemand "YEEEAAH MAAAAVIIIN BESTE MAAAAANN". Deutschland 2019, Bro.
Auch geil: Onkelz-Loide feiern den Rap hier richtig hart ab. Ein großes Get together. 
Gegen Ende der Show noch ein echtes Highlight: Kelvyn fragt, ob jemand im Publikum sei der oder die seinen Song "Bury me alive" auswendig könnte und mit ihm performen möchte. Es meldet sich jemand, ich weiß nicht wie sie heißt. Danach gibt sie alles. Absolut energetisch, super mitreißend. Das rührt mich wirklich. Ich konnte richtig fühlen wie oft sie diesen Song gehört haben muss um den so gut vor einem so großen Publikum in so einer aufregend spontanen Situation runterzurappen. Das war ein Gänsehautmoment, ungelogen. Mad Respect dafür! Mein Highlight des Tages.
Geil, danach versuche ich einen Brodersen zu bestellen und mache mich noch unbeliebter. Ich habe ein bisschen zu viel Geld für Bier ausgegeben, aber auch einen sehr schönen und soziologisch wirklich interessanten Tag gehabt. Mixe mir den Brodersen dann mit den bestellten Einzelzutaten selbst und lege mich in ein Blumenbeet, um die Leute zu beobachten.  
Am nächsten Morgen wache ich neben diesem Becher auf und bin mir nicht sicher, ob das eine milde Spende oder ein fieser Streich sein soll. Ich entferne mich lautlos aus dem Westfalenpark und sage Tschüss bis zum nächsten Mal. Herzliche Grüße, euer mrks!

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Schlossi
(Schlossi)
06.08.2019 15:24
...und ich dachte, Bierschinken hätte die Relevanz für dieses Festival verloren.
Danke mrks for making Bierschinken great again!

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