Kaltfront, Riot Spears, Kontrolliert Abgebrannt, 12.03.2022 in Cottbus, Chekov - Bericht von verSemmelt
Kaltfront, 12.03.2022 in Cottbus
Exakt vor 4 Monaten war im Chekov an Ort und Stelle mein letztes Konzert. Und Freunde - dieser Winter war belastend. Nochmal: BELAAASTEND! Zumal es eigentlich nur noch strenge Maßnahmen zum Schutz von ungeimpften älteren Menschen gab. Eine Zeitlang hab ich mich erfreut an den Herman Cain Awards auf Reddit. Da war Delta durchaus erfolgreich. Grad Leute, die sich per Social Media noch freuten, endlich am Virus angesteckt zu sein um ein paar Wochen verbuddelt zu werden, erfreuten das gehässige Herz in mir. Tja, da erwischt es halt mal so einen QAnon-Hetzer... Nun ja. Und nun läuft es sich mit Omikron halt vorerst so langsam irgendwie aus. Irgendwie komisch. Bis zur nächsten "Variant of concern" dann.
Ach, da war ja noch was: "Take good care when the night is falling - this is Radio Moscow calling." und auf einmal ist Weltkrieg, also zumindest wirtschaftlicher Weltkrieg. Aber ist Kapitalismus das nicht ohnehin?! Bei mir brauchte das schon so 3-4 Tage ehe ich wieder halbwegs durchschlafen konnte. Interessant wie die verschiedensten Medien darüber berichten. Via Satellit hat man so gut 20 deutsch- und englischsprachige Nachrichtensender. Die erste Woche lief ja noch RT-Englisch, obwohl schon längst verboten. Da kam aber nur noch Täter-Opfer-Umkehr; Bilder von Nazidemos (zum Beispiel aus dem Baltikum) um ihr Entnazifizierungsnarrativ zu bestätigen sowie alte Berichte aus dem Sommer, wo alte Leute im Donbass über Angriffe vor einigen Jahren erzählten. Gehirnwäsche aber keinerlei News. Auf der anderen Seite die Inszenierung von Selenskyj oder den Klitschkos... Und dann die ganzen Medien, die mehr oder weniger distanziert aufs Geschehen schauen. In Deutschland konnte man eigentlich nur Phoenix gebrauchen. PK´s, Statements, Live bei der UN, Analysen - viel und ohne Schnitt. Beim Rest hab ich Schmerzen - was soll diese merkwürdige Distanz? Warum sind kaum Reporter im Land? Warum schaltet man keine Blogger zu, die vor Ort berichten? Aber zeigen müssen, wie ein Panzer von einem Treckerfahrer abgeschleppt wird?! Ist das Glorifizierung oder Verharmlosung? Krieg ist sinnlos und grausam. Da müssen die Bilder auch mal weh tun. Und nach einer Woche ist gefühlt das Wort Spritgeld öfter in den Nachrichten als Ukraine. Was für ein verkommenes Land. Ich hab schon überlegt, ob man eine Atombombe eher auf das Symbol Berlin oder das Wirtschaftszentrum Frankfurt am Main wirft. Ob sich der Faschist im Kreml solche Gedanken macht? Geil. Ich kann solche Gedanken einfach frei äußern, ohne dass mir der Gulag droht, aber ich bin auch viel zu unbedeutend, dass mir wer Nowitschok in die Schlüppi bröselt.
ZDF cancelt derweil im Montagskino Mission Impossible: Phantom Protokoll, wo laut Filmbeschreibung am Anfang der Kreml in die Luft fliegt. Und wer btw oe24 als Nachrichtenkanal bezeichnet, sollte sich auch mal untersuchen lassen. Andere Länder find ich etwas ausgewogener. France24 (in english) berichtet erstaunlich gut; das britische SkyNews kann man sich geben. Da steht auch Reporterin Alex Crawford mal bei einer Evakuierung, während im Hintergrund eine Stadt bombardiert wird oder interviewt irgendwo im Untergrund von Kyiv den ukrainischen Präsidenten. Ist in GB eigentlich Cannabis legal? Wenn man noch andere Medien wie AlJazeera sich anschaut konnte man sogar sehen, dass riesige Flächen von Argentinien brannten oder Indien "versehentlich" eine Rakete auf Pakistan geschossen hat. Jemand mitbekommen?
Unruhige Zeiten - ich dachte eigentlich, Olympia löst eine Wirtschaftskrise aus, indem China bei steigenden Covid-Fällen wieder alles dicht macht. Aber kann ja noch passieren - So viel Spaß. In China benutzt man derweil das Wort "Ukraine crisis" statt "war", aber auch China hat ne interessante Sendung zu bieten: "The Heat" auf CGTV, wo russische und ukrainische Meinungen in derselben Sendung zugeschaltet sind. Da brennt die Luft via Skype.
Irgendwo wurde noch gefragt, ob denn Pazifismus seine Grenzen hat. Die Frage ist spannend. Einfach mal spontan 100 Milliarden in die Bundeswehr zu pumpen kann doch keine Lösung sein, zumal man die auch erstmal denazifizieren müsste. Wird eigentlich Zeit für eine außerirdische Bedrohung, sodass dieser Planet mal sich zusammenreißt. Stinger-Raketen kann man doch auch an Fridays For Future liefern. Damit könnten die allein mit der Drohung Kurzstreckenflüge verhindern. Klappt doch bei Atomraketen auch, oder warum existiert Nordkorea noch? So, Schluss jetzt - genug Wirrsinn getippt - es soll doch ein Konzertbericht folgen.
Was aber den Glauben an die Menschheit doch noch aufrecht erhält, ist große Solidarität, die dann doch wieder aufkeimt. Am heutigen Abend konnte man für einen von KALTFRONT organisierten Transport spenden...
Los geht der (ich nehme es vorweg) kurzweilige Abend mit KONTROLLIERT ABGEBRANNT. Ein Solokünstler aus Potsdam mit seinem ersten Auftritt seit 2 Jahren und sein 5ter insgesamt.
Zur Hälfte (mit Gitarre) so Deutschpunk wo er über seine Soundfiles drüberschrammelt und dann noch so ein HC Baxxter anmutenden Polit-Techno. Das bisher nur bei Bandcamp erhältliche Werk "In der Ecke" klingt bei den Punksachen noch stärker und dort finden sich auch ein paar ruhige Sachen, die heut nicht angerührt wurden. Das Teil sollte mindestens mal als Tape rausgebracht werden! Ich find das richtig gut! Guter Auftakt, aber da geht live noch mehr würde ich sagen.
Anschließend ganz was anderes: Grunge! Ich überlege wann ich je eine "reine" Grunge-Band live gesehen hab. Eventuell sogar noch nie? Die Musikrichtung blieb irgendwie vor knapp 30 Jahren im Kinderzimmer liegen, als auf einmal stinknormale Typen anfingen, diese Musik zu hören. Heute dann halt als nachträgliche Premiere in Form der FLINTA-Band RIOT SPEARS. Das ist jetzt die erste Band aus dem Berliner "Grrrl-Noisy-Kollektiv", die mir vor die Linse kommt. 24/7 Diva Heaven wurden ja schon zur Genüge abgefeiert. RIOT SPEARS schlagen in eine ähnliche musikalische Kerbe, sind aber wohl die eher krawallige Variante.
Zu dem Grundkonsenz Grunge gesellen sich ganz viele Spielereien. Post-Punk, Ur-Hardcore, Noise, Indie, poppige Parts und immer wieder ganz viel Zerre. Herausstechen tut immer wieder der Lead-Gesang zwischen clean und kratzig. Das ganze kulminiert Mitte des Sets in dem beeindruckenden "I feel so bad" (aus dem Song "I Feel so Good"). Voll gut.
Was wäre gewesen, wenn man das Mitte der 90er auf die Bühne gebracht hätte? Volle Hallen? Aber vielleicht startet ja jetzt noch mal ein Revival. Kurt Cobain ist mittlerweile ja auch schon länger tot als er lebendig war.
Die Dresdner KALTFRONT beenden dann den schönen Abend. Zu Beginn wird fast (?) die komplette neue Scheibe "Spiegel" vorgestellt und das zieht mich ganz gut in eine Art Bann. Beim zwischenzeitlichen Toilettengang merke ich, warum das Chekov sich als "...the unoptimal location" bezeichnet. Je weiter von der Bühne entfernt, desto unoptimaler wird der Sound. Wie wohl ein "unoptimal Festival" aussieht, was für den Sommer geplant ist?
Also nach vorn und volle Dröhnung! Anschließend spielte man sich durch das restliche Oeuvre mit gefühlt immer steigender Geschwindigkeit hin zu ihren Punksongs.