Total Chaos, The Daisies, 14.01.2023 in Düsseldorf, AK47 - Bericht von Matt Greasejar
Total Chaos, 14.01.2023 in Düsseldorf
Ein bisschen nervig finde ich, dass der Konzertraum zum Soundcheck neuerdings abgesperrt bleibt, und das Publikum sich (zumindest beim derzeitigen Schmuddelwetter) im Vorraum knubbelt. Oder haben die das schon immer so gemacht, und ich war nur nie so früh da (bzw. habe sonst immer bis zum Beginn draußen gequatscht und gesoffen)? Als der Vorhang schließlich fällt, ist das ausgesperrte Punkervolk jedenfalls kräftig radikalisiert (siehe Fußbekleidung).
Vorband: The Daisies aus Remscheid. Spätneunziger Melodycore/College-Rock von und für Leute, die die Fat Wreck-Sampler dieser Ära ohne Skip-Taste hören können. Die Band war wohl tatsächlich schon damals am Start und ist jetzt (nach überstandener Familienphase?) wieder aktiv
Geprobt haben die Daisies in dieser Zeit offenbar reichlich, denn handwerklich ist das, was sie abliefern, aller Ehren wert. Mir fehlen aber Ecken, Kanten, Seele und Wiedererkennungswert. Geschmackssache, eh klar, und diversen anderen Leuten hat's sichtlich gefallen. Die Platte kam damals auf Wolverine raus. Hmja, passt.
Genug gemeckert, ich bin ja eigentlich wegen was ganz anderem hier: Total fuckin' Chaos! Und da PANK! bekanntlich mehr ist als wie nur Musik, stellt sich angesichts des beeindruckenden Dienstalters der Protagonisten die bange Frage: Haben die alten Herren die Haare noch schön?
Ich sag' mal: so halbwegs. Die Liberty Spikes von Sänger (und einzigem Originalmitglied) Rob Chaos stehen wie eine Eins, aber el Gitarrero Shawn Smash hat lang und lässt lang hängen, wenn das der Wattie wüsste! Den einzigen Iro (kurz, naturfarben und unterm Bandana; ich sag' jetzt nix mit Beckham, aber...) trägt der sichtlich jüngere Basser. Und Schlagzeuger müssen ja eh nicht gut aussehen (sorry, Keith).
Gab es denn auch Musik? Oh verdammt ja! Total Chaos knüppeln vom ersten Akkord an drauf los, dass es eine Freude ist.
Und der Sound ist auch vom Feinsten, wenn das Ausharren hinterm Vorhang dafür nötig war: okay, das war's wert. In diesem Sinne: Faust hoch für den Mischer!
Um einzelne Songs nennen zu können, laufen Total Chaos bei mir zuhause zu selten, hab' auch gar kein komplettes Album im Schrank... aber live hat alles gestimmt.
Entspannte Midtempo-Songs, besinnliche Balladen, vertrackte Konzept-Tracks - gibt's woanders. Total Chaos geben eine gute Stunde lang einfach nur Vollgas. Habbich kein Problem mit, und hätte wahrscheinlich an diesem Abend im AK auch niemand anders haben wollen.
Punkrock 2023 heißt übrigens auch: beim Fotografieren des Konzertes ständig andere Fotografiergeräte im Weg haben.
Missverständnis des Abends: Zu späterer Stunde kommt Anke (war doch Anke, oder?) auf die Bühne und stellt sich vor. Basser und Sänger wollen ihr schon zum Crowdsurfen hoch helfen, aber sie hat ganz was anderes vor.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Total Chaos hatten Spaß, ich auch. Ich würde sie ja weiterempfehlen, wenn sie auf dieser Tour noch mehr Auftritte in Deutschland hätten. Haben'se aber nicht. Stattdessen geht's jetzt erst mal als Toursupport für Black Flag nach Großbritannien, Frankreich und Spanien; im Süden machen sie noch ein paar Headliner-Clubshows, und dann gibt es (für Freunde weiter Auswärtsfahrten vielleicht interessant) zum Tourabschluss am 12.2. noch eine Show im The Pitt's in Kortrijk/BE. Ach ja, und wer im Juli in Sachen Grindcore/Death Metal/Crust zum Obscene Extreme nach Tschechien fährt, kriegt in Gestalt der Jungs einen Punk-Farbtupfer; keine Ahnung, ob im Sommer noch mehr Festival-Auftritte in Old Europe anstehen.