Kotzreiz, Ersatzkopf, Erection, Dosenstolz, 18.11.2023 in Dresden, Chemiefabrik - Bericht von verSemmelt
Kotzreiz, 18.11.2023 in Dresden
Tiere auf Flyern? Geht immer! Auf der Karte steht 18.80€ und lass die mal nicht 7 1/2 Cent teurer sein... Das Publikum welches sich so sammelt scheint schön gemischt und durchaus jung.
DOSENSTOLZ aus Dresden. Der Namen flimmert schon über ein Jahr durch diverse Konzertoptionen und hab anfangs gedacht, es wäre eine nichtmaskuline Band so als Gegenpol zu einer gewissen Hallenser Band. Heute ist dann meine Premiere des Trios, wo Gitarrist und Drummer abwechseln krächzen und grölen. Gestartet wird mit "Nie wieder Arbeit". Ein unfassbar komplexes Thema wird in einem eher weniger komplexen Text verarbeitet. Die ersten Reihen verwandeln sich sofort in einen wilden Pogomob.
"Gesellschaftskritik" kommt mit growligen Gastgesang. Und obwohl hier fast jeder Song ums Saufen oder Bier geht, kommt nix sonderlich albern daher. Da wird halt auch mal flugs erwähnt, dass man Saufen auch können muss. Und wenn man übergriffig wird einfach nicht des Saufens fähig ist. Punkt. "Der dickste Fisch im Teich" ist dann tatsächlich noch was mit tieferer Message. Ansonsten ist das scheppernder Bierdosenpunk mit hohem Spaßfaktor. Als Coverversion wird was von der kurzlebigen Band HASS AUF ALLES aus Halle angekündigt. Wahrscheinlich war es "AchJa KommaHer". Hab mir grad deren Output bei Bandcamp angehört. Ich danke Dosenstolz unironisch für diese Empfehlung.
Zum Schluss gibt´s kurz einen kompletten Bandwechsel und es wird nochmal "Nie wieder Arbeit" gespielt. Was ein guter Auftakt. Ich merke, dass ich einige Texte ad hoc drauf hab. Redundant und geil. Bin gespannt was aus denen wird, weil hier von ewiger Kellerband bis große Festivalbühne gefühlt alles drin ist .
Zu ERECTION stell ich mich dann doch mal nach vorn. Die fallen aus dem Deutschpunk-Lineup vielleicht etwas raus und bin gespannt wie die hier ankommen.
Ja. Vielleicht nicht so gedrängt, aber die Sorge ist völlig unbegründet, dass die Band hier nicht funktionieren würde. Ich mags eh total. Die Hits werden eher ins hintere Drittel gepackt und mit "Nüchtern oder Schüchtern" hab ich vielleicht die wahre Lineupzusammenstellung entdeckt?
Halbakustik. WTF. Bin mir nicht sicher, aber es schien der Song sehr bedeutend (gefühlsmäßig) zu sein? Ich erinnere mich während des Konzis auch daran, dass Sängerin Julia eine der spannendsten Interviewten beim Podcast "Und Dann Kam Punk" war. Das hatte (glaube ich) was von nackig machen mit ihrer wilden "Coming of age"-Phase. Einiges verblasst schon wieder aber wer da Interesse hat: Es war die #101 und ist bei allen möglichen Plattformen abrufbar.
Beim eventuell ersten Konzert in der ehemaligen Zone von der gar nicht mal so freschen Band ERSATZKOPF (erstes Demo 2013!) drängt sich dann alles nach vorn. Hatte noch versucht mich irgendwo günstig außerhalb des Mobs zu positionieren. Hoffnungslos. Bin zu spät und zu nüchtern um in dem Menschenbrei zu versinken.
Die Band macht eigentlich nix besonderes. Steht unbeweglich an Ort und Stelle mit holprigen Übergängen und dann kommt noch der Klischee-Schwabe durch, mit der Aufforderung doch mal die Bierflaschen vom Bühnenrand zu nehmen, weil die Kabel nass werden könnten. Okay, keine Ahnung wo Darmstadt genau liegt, aber Baden-Württemberg liegt da hinten irgendwo von Dresden aus gesehen.
Und das Konzert? Party pur. Die Chemo wird zur Waschküche. Eine Quelle sagt mir, dass die Luftaustauschanlage der Chemiefabrik bei zu hohen Temperaturunterschieden versagt. Stagedives bis hinten zur Technik und jeder Song wird abgefeiert. Ich fand auch höchstens einen längeren Song über Fußball (???) schwächer, weil da nicht so schön gekrächzt wurde. Aber dieses unterirdisch geniale Songwriting wie bei "WG-gesucht" oder "Studium verkackt wegen Kiffen" lassen mich zustimmend nicken. Ich kann auch eher sagen was gefehlt hat: "Biersachverständiger" und "Hausverbot im Nanu-Nana". Juckt aber auch null.
Bei KOTZREIZ war dann schon merklich weniger los. Und die sehe ich heute zum ersten Male. Kenne nur einen Song ("Nüchtern unerträglich") und den find ich scheiße. Mal schauen was da so kommt. Die ersten zwei Songs lassen meine schlimmsten Ahnungen erwachen. Was ist das? Stadionpunk? Grauenhaft. Kurz bevor ich abhauen wollte, startet Song 3 und der heißt "Montag-Scheißtag". Von dort an war es durchaus brauchbar und der Kotzreiz hält sich bei mir in Grenzen. Aber als Band nach dem Headliner hatten sie es auch etwas schwer bei mir und kommen irgendwie wie ein pisswarmes Helles rüber.
Publikum sieht das größtenteils anders und ist ebenso gut am abfeiern wie zuvor. Es gab Gastgesang! Ich recherchiere "Der räudige Aal" mit Bimmi von THE MELMACS und später "Toilettenstern" mit Julia von ERECTION. Bei Letzterem kommt mir "Schwache Nerven" von VKJ in den Sinn. Alles in Allem packt mich das persönlich nicht so recht, aber ich find´s ganz gut, dass die Band mit K&E heute den Ausgleich gegen die Band mit C&A schießt. Oi.
Um das Publikum nochmal mit guten Vibes in den Abend zu entlassen, spielt DOSENSTOLZ nach nicht vorhandener Umbaupause noch 3 mal "Nie wieder Arbeit". Menschen fliegen nochmal kreuz und quer. Schön. Die Rückfahrt beinhaltete eines der wichtigsten Themen der letzten 25 Jahre: Asiatisches Kino. Und ja: Tony Jaa ist nicht dieselbe Person wie Iko Uwais.