Strung Out, Belvedere, Drunktank, 08.08.2024 in Lindau, Club Vaudeville - Bericht von der Redaktion
Strung Out, Belvedere, Drunktank, 08.08.2024 in Lindau
Endlich mal wieder ins Vaudeville!
Ein Club den ich - seit ich 1998 vom Raum Stuttgart nach Oberschwaben gezogen bin - als die Adresse für die "großen" Shows in meinem Musik-Kosmos verankert habe. Damals in dieser Funktion eingetauscht gegen das LKA in Stuttgart Wangen, ist mir der familiäre und heimelige Charakter des Vaudeville mehr als ans Herz gewachsen. Von den Erinnerungen an legendäre Shows von zB Nofx, Lagwagon, den Beatsteaks oder Joey Cape (um nur einige zu nennen) ganz abgesehen. Ich durfte sogar schon mit zwei meiner Bands selbst auf den heiligen Brettern stehen und ein Konzert spielen.
Heute bin ich ebenfalls in leicht nostalgischer Mission unterwegs, zum einen wegen dem Headliner zum anderen wegen meiner illustren Begleitung in Person von André Lux, der ebenfalls eine weit zurück reichende Verbindung zum Vaudeville hat, was wir auf der einstündigen Anfahrt kurzweilig und anekdotenreich erörtern.
Wir kommen am Vaudeville an, holen uns ein leckeres Härle und gehen noch kurz in den Biergarten bevor Drunktank aus den Niederlanden den Abend eröffnen.
Der Konzertsaal ist in der Mitte abgeteilt und trotzdem nur sehr spärlich mit Zuhörern gefüllt. Ok es ist noch früh und schönes Wetter, wird hoffentlich noch etwas voller.
Drunktank
Drunktank legen los und nehmen ihre Opener Rolle ernst. Es gibt einiges an Bewegung auf der Bühne und Ansagen die das Publikum auf den weiteren Abend einstimmen. Es gibt auch erste Bewegung vor der Bühne.
Musikalisch überzeugt mich Drunktank aber nicht. Das Set ist handwerklich solide dargeboten, keine Frage. Die Band weiß ihre Instrumente zu bedienen.
Wir stehen jetzt zwar nicht fassungslos da, allerdings wäre das wenigstens eine Art von emotionaler Regung. So ist es leider noch schlimmer: Egale Band mit egalen Songs.
Drunktank
Aber die Songs holen mich nicht ab.
Ich tu mich schwer einen Unterschied vom einen zum anderen Song auszumachen.
Dazu empfinde ich die - anfänglich noch ganz witzigen - Stick Akrobatik Einlagen des Drummers mit zunehmendem Fortschritt der Show als too much und etwas "anstrengend".
Der Sound ist die ganze Zeit komisch, man hat mehrmals den Eindruck, als ob die Subs der PA zeitweise ausgefallen sind. Das ist leider auch nicht förderlich, um das Publikum zu begeistern, auch wenn die Band dafür natürlich nichts kann.
Mich erinnern DRUNKTANK an die B- und C-Riege europäischer Skatepunkbands aus den 90ern, komplett Ohrwurm- und Hitbefreit werden die Stücke ohne Highlights und Wiedererkennungswert durchgeholzt. Ich frage mich ob die das nicht selber checken wenn die Lieder schreiben.
Belvedere
Die zweite Band ist da schon mehr nach meinem Geschmack, Belvedere aus Kanada brennen ein Feuerwerk ab, obwohl der Saal leider nur unwesentlich voller ist als zuvor.
Von der ersten bis zur letzten Minute zeigen sie pure Spielfreude. Frontman Steve Rawles verspricht nicht zu viel, als er zu Beginn das Publikum näher an die Bühne bittet und dafür im Gegenzug eine 110% Show anbietet. Das kommt beim Publikum an und es sind vermehrt Tanzeinlagen zu sehen.
Da hat der Löd vollkommen recht. Spielfreude ist das Stichwort! Ich habe BELVEDERE zum letzten Mal vor 12 Jahren bei einer ihrer Reunionshows in Vancouver gesehen. Da waren sie schon großartig und heute gefallen sie mir ebenfalls wieder sehr gut. Für mich ist "Closed Doors" ihr größter Hit, Live fehlt leider der Schellenkranz und er wird gleich als zweites gespielt was für mich persönlich den Spannungsbogen leider etwas abflachen lässt. Trotzdem bockstark!
Belvedere
Sauberer Zweistimmiger Gesang und tightes Zusammenspiel, keine leichte Übung bei fast durchgängig schnellen Nummern.
In der Mitte des Sets verirrt sich ein Bad Religion Cover, kann man machen. Vor allem wenn man das so souverän und authentisch abliefert.
Belvedere wussten von vorn bis hinten zu überzeugen, für mich die beste Band des Abends.
Ich war auf die Meinung vom Löd gespannt und sehr froh dass die Kanadier diesen unfassbar kritischen Mann (wenn es um das Thema Musik geht) überzeugen konnten. Glück gehabt.
Strung Out
Als letzte Band betreten Strung Out die Bühne. Man merkt ihnen die beeindruckenden 35 Jahre Bühnenerfahrung an. Sie haben das Publikum ab dem ersten Ton im Griff.
In Sachen Präsenz und Unterhaltungswert merkt man ihnen die 35 Jahre hingegen nicht an. Sie sind wach, interagieren mit dem Publikum, fordern gar Belvedere zu einem Band gegen Band Eishockey Match heraus - eine Anspielung auf einen Hockey-Song im Set von Belvedere zuvor.
Für mich gehören STRUNG OUT zu den Top 5 der ersten Fat Wreck-Welle und nun konnte ich auch endlich einen Konzert-Haken hinter diesen Bandnamen machen und habe somit alle mindestens einmal gesehen. Krass übrigens: Das letzte Mal im legendären Club Vaudeville war ich vor etwa 20 Jahren bei NO USE FOR A NAME und LAWRENCE ARMS. Komisch nach so langer Zeit wieder hier zu sein im unglaublich schönen Lindau.
Strung Out
Und auch sonst ist das ein sehr munterer, unterhaltsamer Auftritt, auch wenn man wie ich nicht textsicher ist. Am Ende finde ich dann auch Andre wieder, der verklärt aus dem Pit auftaucht: "Nur Hits, wie geil, nur Hits" fasst er kurz aber zutreffend den Auftritt von Strung Out zusammen.
So isches! Es war wirklich toll. Leider sehr wenig los aber so hatte man wenigstens Platz und konnte mal ein bisschen die Position wechseln. An der Setlist gab es meiner Meinung nach nichts auszusetzen, das aktuelle Album finde ich Songwritingmäßig sehr gut, nur die Produktion gefällt mir überhaupt nicht. Es war irgendwie cool CHRIS AIKEN wieder zu sehen der letztes Jahr mit PULLEY unterwegs war und nun bei STRUNG OUT zumindest live den Bass gegen die Gitarre austauschte. Wirklich eine facettenreiche Band mit völlig unterschiedlichen Schaffensphasen und dennoch immer mit klassischem California-Melodycore-Anstrich. Das ist glaub meine Lieblingsart von Musik.
Danke fürs Fahren, lieber Löd!
Nach einem vorbeugenden Toilettengang machen wir uns mit der Erkenntnis auf den Heimweg, dass das heute Abend leider viel zu wenig Leute waren, die für einen derartigen Hochkaräter den Weg ins Vaudeville gefunden haben.
Wir sind uns am Ende aber über die Ursache nicht sicher: Ist Punk nun endgültig tot oder Donnerstag Abends nur zu kaputt von den daytime duties, um noch auf eine Show zu gehen?
Punk ist schon lange tot und starb in dem Moment als sich die HERMAN FLATWANKER BAND in THE HERMANS (gähn) umbenannte.