Kulturnacht Ulm: Emanzenpanzer, Black Oceans's Edge, Andersvoll, Banda Bastardi, SKAfix, TMLC, 21.09.2024 in Ulm & Neu-Ulm - Bericht von alexanderdavide
Kulturnacht Ulm, 21.09.2024 in Ulm
Es ist wieder Anstoß der Indoor-Konzertsaison in Ulm wie wahrscheinlich vielerorts. Für mich bedeutet das gleichzeitig die Wiederaufnahme meiner Routine, Augustiner im Café Stella vor Konzertbeginn. Fantastisch! Schon geht es mir ein bisschen besser.
Punkt 18:30 Uhr beschallt ANDERSVOLL die Büroräume von Radio Free FM bzw. die Ohren der Hörer an den Funkempfängern. Dabei handelt es sich um eine jüngere Band am Ulmer Musikhorizont, sowohl was das Alter der Mitglieder als auch die Dauer der Bandexistenz angeht. An der Musik merkt man das gar nicht so arg, eher an der Tatsache, dass sie sich bei der Dauer des Sets voll verplant haben. Ihr Rock'n'Roll hat Street Charakter und läuft mir deswegen gut rein. Es macht insbesondere Spaß, dem Schlagzeuger zuzuschauen. Nur verstehe ich leider die Texte akustisch schlecht. Außerdem bin ich schon enttäuscht, dass sie entgegen ihres Bandnamens kein bisschen voll sind.
Was wären Veranstaltungen wie die Kulturnacht, ohne Bands auf gut Glück mitzunehmen. Die Musik von WILD ROCK COMPANY klingt fast so einfallsreich wie ihr Name.
Auf dem Weg zum Essen nehme ich ein paar Töne SKAFIX mit. Deutschpunk angehaucht ist es schon, aber leider hilft mir das bei 95 % Ska auch nicht.
Das Schicksal bewahrt mich vor FUNK THAT SOUL als ich pünktlich zum Abbau ins Spießer-Gehege auf dem Rathausplatz einmarschiere.
Auf dem Münsterplatz kann man eine Taekwondo-Vorstellung anschauen. Ich vermute dahinter einen Kampf gegen das Gotteshaus, vor dem seit geraumer Zeit mehrere Pride-Flaggen wehen. Die Doppelmoral ist perfekt als diese Woche zwei Lokalpolitiker der AfD inklusive eines Ex-Aktivisten der Identitären Bewegung in den Ulmer Gemeinderat eingezogen sind. Im Oktober und November wird Ulm zudem Austragungsort des AfD Landesparteitags. Ich brauche dringend Bier, um das zu verkraften.
Zurück bei Radio Free FM höre ich den letzten Song von TMLC, Rapper und Mitglied von Ulm Rapresent. Ich fühle mich 10 Jahre zurückversetzt, weil zu der Zeit entsprach das tatsächlich voll meinem Musikstil, bevor Punk mein unbedarftes Dorfleben ruinierte. Musik kommt wenig überraschend aus der Dose und zumindest bei diesem Song samt Half-Playback. Es klingt dadurch natürlich voller, doch meine ich, dass die Stimme ohne das ebenfalls ankommen würde und authentischer wäre. Pluspunkte gibt es für den guten und sinnvollen Text.
EMANZENPANZER taucht nach 1,5 Jahren aus der Versenkung auf, ganz zu meiner Freude. Deutschpunk mit einer ordentlichen Portion Rauheit und dem gewissen Funken Melodie macht die Musik des freundlichsten Panzers dieser Erde aus. Ausgewählte Themen sind das Kaputtmachen von Macht (weil Macht kaputt macht), die Tatsache, dass nur ein Ja ein Ja ist sowie die astreine Kombination aus Schnaps, Liebe und FreundInnenschaft. Ich hoffe, sie treten ab jetzt wieder öfters auf.
Meinen geplanten Einstieg in die Oldtimer-Straßenbahn verpasst, habe ich die Idee, beim Willy-Brandt-Platz einzusteigen und auf dem Weg in die Olga Bar zu schauen. Nach etwas bierseliger Quasselei mit dem Rampenbüro-Bassisten bekomme ich genau einen Song von BANDA BASTARDI mit. Die habe ich schon vor ein paar Monaten gesehen, sodass ich mir den Rest denken kann. Die italienisch-deutsche Mischung wahrt die Balance zwischen Ska und Punk und das Bandpersonal wirkt super nett.
Endlich bin ich in der Oldtimer-Straßenbahn angekommen, was quasi die Ulmer Ausführung der Bootsfahrt auf dem Hamburger Booze Cruise ist: Eine historische Tram fährt einen Teil der Linie 1 rauf und runter, während Bands darin spielen. Man kann an den üblichen Haltepunkten zusteigen und es gibt einen Getränkeverkauf. Das Konzept ist schon mal ein Highlight. Auf die Ohren gibt es BLACK OCEAN'S EDGE, deren Name derzeit in aller Munde ist, wie mein Kumpel Dani sagen würde. Auch wenn mir Psychedelic Rock eher selten über den Weg läuft, kann das schon eine ziemlich coole Stimmung erzeugen. In dem Fall ist das nicht anders und passt wunderbar in das Ambiente, was nicht zuletzt an den Musikern liegt. Die Deckenbeleuchtung, die im Bild gerade ganz normal ist, taucht die Bahn immer wieder in stimmungsvolle Farben und kann sogar eine Art Strobo. Der Sound geht übrigens voll in Ordnung. Das hatte ich mir schlimmer vorgestellt.
Die Straßenbahn spuckt mich am Hauptbahnhof aus und ich gehe im fließenden Übergang vom Oldtimer in den gefühlsmäßig kaum moderneren RE 5 über, der mich zum letzten Bus gen Zuhause bringt. Das war ein guter Tag; könnte öfters sein.