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Ersatzkopf, Stunk, Nofuture, 22.11.2024 in Schweinfurt, Alter Stattbahnhof - Bericht von Gerdistan

Ersatzkopf, 22.11.2024 in Schweinfurt

Von ERSATZKOPF bin ich gewissermaßen Fan der ersten Stunde (Danke gebührt Jenz an dieser Stelle). Nach mehreren erfolglosen Versuchen, die Buben aus Darmstadt in die heimische Ballonfabrik zu locken, war es mir zunächst im Corona-Sommer 2021 vergönnt, die Band auf einem der unsäglichen Sitzkonzerte in Karlsruhe live sehen zu dürfen. Es folgten weitere Versuche, die Band nach Augsburg zu holen, die leider immer in der immerhin ehrlichen Aussage "sorry ey, wir sind einfach super faul" endeten. Umso größer die Freude, als die Band eine viertägige Tour ankündigt - da simmer dabei, dat is prima! Und vor allem liegt der Tourauftakt sogar in Bayern, wenngleich am anderen Ende, sodass es trotzdem drei Stunden Anfahrt sind.

Schweinfurt, ja, Schweinfurt. Schon in frühester Jugend hat dieser Name auf jeder Deutschlandkarte für Spaß gesorgt. Irgendwann kam ich humoristisch darüber hinweg, doch dann machte sich Schweinfurt, insbesondere der Alte Stattbahnhof, einen Namen in meiner Welt, weil es auf so ziemlich jeder Tourankündigung einer namhaften Punkrockband auftauchte. Dennoch hat es bis ins Jahr 2024 gedauert, bis ich zum ersten Mal die Location betreten durfte. Hat sich vorher einfach nicht ergeben.
Die Reisegruppe, bestehend aus fünf Augsburger:innen und einem Schweizer, sammelt sich im B&B-Hotel. Die Altstadt ist schnell erkundet, also wird irgendwo dem Kartenspiel, Abendessen und Trunk gefrönt. Gegen 20:30 auf zum Alten Stattbahnhof, Gästeliste funktioniert einwandfrei und schon stehen wir im großen Saal und zahlen 4€ für die halbe Roth-Pils - ein Bier, das in Schweinfurt nahezu in jeder Kneipe ausgeschenkt wird. Schmeckt aber ok, will nicht meckern.
Erste Band sind dann wenig später STUNK aus Bamberg. 80er angehauchter waviger Prollpunk/Garagerock. Das Schlagzeug ballert ordentlich, der Rest vom Sound ist leider ein ziemlicher Brei, sodass von den Texten nicht viel rüberkommt. Der Sänger in der schönen Puscheljacke versucht sich gelegentlich in Publikumsinteraktion, die aber selten über "Hä?" hinausgeht. Irgendwann spuckt er einem Konzertgast sein Tabakpäckchen ins Gesicht. Das ist unhygienisch, aber schon irgendwie Punk. Gute Band, kann man machen!
Danach geht es weiter mit NOFUTURE aus Sand am Main. Uffta-Uffta-Deutschpunk mit politischer Ausrichtung, herrlich, klingen wie frühe Popperklopper, sind aber ne deutliche Ecke jünger. Längere Ansagen, die von Teilen des Publikums mit "Alerta, Alerta"-Rufen begeistert aufgenommen werden - leider kommt aus irgendwelchen Ecken auch sowas wie "Antifa - hahaha". Was ist denn hier los? Kann die Band nix für, schmälert aber den Genuss. Ansonsten engagierter Vortrag, gerne wieder.
Dann ERSATZKOPF. Schon bei der vorigen Band lief anstelle eines Bühnenbanners die Zeichentrickverfilmung von Herr der Ringe aus dem Jahr 1978, was vom Sänger auch gelegentlich kommentiert wird. Es wird herrlich viel Quatsch auf der Bühne gesabbelt, gelegentlich auch mal der Text vergessen. Der Sänger ist leider ein bisschen erkältet, was dem ansonsten inzwischen ganz gut eingestellten Sound leider ein bisschen schadet. Aber kann man nix für. Man fragt sich, wie die restlichen Auftritte der Tour ablaufen, denn besser wird so eine Erkältung ja dadurch sicher nicht.
Zwischendrin werden auch mal die Herren aus dem Pit gebeten, auf diese Ansage wird von den Jungpunks, die irgendwo in meiner Nähe stehen, auch nur mit Gelächter reagiert. Das Verhalten einiger Teile des Publikums lässt mich leider vermuten, dass Ersatzkopf nun da angekommen sind, wo auch schon Mülheim Asozial und Team Scheisse gelandet sind - aufgrund gaggiger Texte bekannt geworden und irgendwann so groß, dass sich auch eine gewisse Masse an Volltrotteln aufs Konzert begibt. Da kann die Band nichts für, ist aber trotzdem beschissen. Vielleicht doch lieber wieder nur ganz selten auftreten.
Ergänzend zu meiner Vorrede muss ich sogar zwei "Heimatliebe ist kein Verbrechen"-Aufkleber von der Identitären Bewegung abreißen. Die sahen jetzt nicht so aus, als hätten die schon länger da geklebt. Auch hier kann weder die Band noch der Alte Stattbahnhof was dafür, aber schön ist es halt nicht.
Insgesamt hat der Alte Stattbahnhof nämlich viele tolle Aufkleber zu bieten. Der Rest von Schweinfurt wird von Fußballaufklebern dominiert, aber hier und da schleicht sich auch mal was angenehm linkspolitisches ein - Nazisticker habe ich keine gefunden.
Nach dem Konzert schaffen wir es, uns 30 Jahre zurückzuentwickeln, wie dieses Foto zeigt, und fallen in unsere Hotelbetten. Viele Konzertgänger:innen waren wohl aus der Umgebung angereist, man sah jedenfalls dauernd jemanden mit der Deutsche-Bahn-App hantieren.
Das restliche Wochenende geht drauf mit der Erkundung von Schweinfurt bei Tag und einem erneuten Besuch im Alten Stattbahnhof am Abend, diesmal aber im kleinen Saal - hier finden die 13. Schweinfurter Trashfilmawards statt. Herrliche Unterhaltung, aber dass wir zweimal im selben Laden enden, ist auch ein bisschen bezeichnend.

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