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Montag, 28.07.2025: Gegen jeden Antisemitismus, aber...



Gegen jeden Antisemitismus, aber...

Die Aussage "gegen jeden Antisemitismus" muss mir niemand mit einem einleitenden "aber" beantworten, wenn am Ende des Monologes auf meine Rückfrage "und das ist jetzt ein Grund antisemitisch zu sein oder das Existenzrecht Israels nicht anzuerkennen?" ein "äh nein, natürlich nicht" folgt. Was soll dann bitte schön das "aber" als Einleitung?

Das passiert mir wirklich oft, obwohl am Ende unseres Austausches immer wieder das gleiche rauskommt: Wir sehen das alles genau gleich. Mein*e Gesprächspartner*in will genau wie ich einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des fürchterlichen Leids der palästinensischen Bevölkerung. Will genau wie ich, dass die Geiseln sofort frei kommen. Will genau wie ich ein sicheres Israel und ein eigenständiges, freies und sicheres Palästina in Gaza und dem Westjordanland. Wir sind beide gegen Netanjahu, die Rechtsaußen-Regierung Israels, die Hamas, die Hisbollah und aggressive Siedler. Wir wollen beide, dass Hilfslieferungen komplett durchkommen, alle genug Nahrung haben und niemand dort behindert oder gar angegriffen und ermordet wird. Wir wollen beide, dass die zerstörten Gebiete neu aufgebaut werden und alle Palästinenser*innen dort sicher leben können, ohne dass die Hamas noch ein Akteur ist. Wir wollen Frieden und Sicherheit für alle!

Sich gegen Antisemitismus zu positionieren ist ein wichtiger Teil davon und jedes "aber" ist da fehl am Platz. Ich positioniere mich ganz klar gegen sämtliche Akteure (Netanjahu, die Hamas etc.), die das oben Geschilderte verhindern und verhindern wollen. Es nützt der palästinensischen Bevölkerung kein Stück, wenn die Hamas mit ihren Vernichtungsphantasien Israel auslöschen will und eine palästinensische Ein-Staat-Lösung propagiert wird. Frieden wird es nur geben, wenn Israel und Palästina sich gegenseitig anerkennen, um endlich in Frieden neben- und miteinander zu leben. Es ist utoptisch, dass die Hamas und ihre Verbündeten Israel auslöschen können (aber eben auch nur, weil Israel über die militärische Ausrüstung verfügt). Diese Großmachtphantasien haben nur eins zur Folge: Dass der aktuelle Zustand sich nicht ändern wird. Das nützt in Gaza niemandem. Ich hoffe genauso, dass Netanjahu und seine rechte Regierung niemals die palästinensische Bevölkerung in Gaza und Westjordanland vertreiben wird und Trumps fürchterliche Phantasien niemals real werden.

Das Problem ist nur: Nicht alle wollen das. Es gibt Akteure, die verherrlichen die Hamas, sehen den 07.10.23 als Beginn einer Befreiung und wollen Israel vernichten. Das nützt weder der palästinensischen Zivilbevölkerung, noch sonst wem. Also haltet die Augen offen und lasst Euch nicht vereinnahmen.

Es wird ja häufig so dargestellt, als gäbe es primär zwei Positionen: Die eine Position ist, dass mensch "pro Israel" sei und die andere, dass mensch "pro Palästina" sei. Das sehe ich so überhaupt nicht. Vielmehr sehe ich sowohl unter den Antisemitismus-sensiblen Linken/Antifaschist*innen und großen Teilen der Mehrheitsgesellschaft genau die Position, die ich gerade ausgeführt habe. Diese angeblichen "pro Israel"-Hardliner, die gibt es hier kaum. Wenn ich mir hingegen pro-palästinensische Demos, Camps etc. anschaue, dann ist es dort so, dass die Speerspitze durchaus aus Gruppen besteht, die die Hamas als Befreiungsorganisation sehen und entsprechend Israel von der Landkarte tilgen möchten. Das sind die beiden primären Gruppen, die ich sehe: Einmal diejenigen, die Frieden für alle wollen und sich eine Zweistaatenlösung wünschen. Und diejenigen, die Israel nicht anerkennen. Auch deswegen betone ich in dem Konflikt meine Antisemitismus-sensible Grundhaltung. Ich positioniere mich gegen jeden Antisemitismus und stehe als Antisemitismus-sensibler Mensch ganz klar dort, wo am Ende eine Lösung herauskommt, in der alle Menschen in Frieden und Freiheit leben können. Da kann ich weder Netanjahu noch die Hamas unterstützen. Und ich bin mir auch sicher, dass genau das ohne Netanjahu (& Co.) und ohne die Hamas (& Co.) möglich ist. Allerdings auch wirklich nur dann.

Antisemitismus hat Hochkonjunktur: Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3.

Also schaut bitte, mit wem ihr zusammen was macht. Wir müssen uns klar gegen die rechte Regierung in Israel und ihre menschenverachtende und mörderischen Aktionen stellen, ihr Auslöschen von Leben und ihr perfides Blockieren von Hilfslieferungen. Das ist aber alles kein Grund, sich ebenfalls unmenschlich zu positionieren und antisemitischen Rattenfänger*innen hinterher zu laufen. Bleibt stabil! Es ist total verständlich, dass Ihr Eure Wut über das Vorgehen der israelischen Regierung auf die Straße tragen wollt. Aber bitte schaut, wer neben Euch steht. Als Antifaschist*innen wollen und werden wir nicht mit Nazis demonstrieren. Aber genauso wenig mit Antisemit*innen.

Ja, das Thema ist komplex, aber Teile davon sind es nun mal nicht. Und das heißt vor allem, dass alle Menschen, egal ob Jüdinnen*Juden, Israelis oder Palästinenser*innen in Frieden in einem Stück Land leben können, wo sie sich sicher fühlen können. Für Jüdinnen*Juden ist das Israel (auch wenn die Hamas und ihre Verbündeten genau das verhindern wollen, ist und bleibt Israel der sichere Rückzugsort, den es sonst für Jüdinnen*Juden auf dieser Welt nicht gibt). Für Palästinenser*innen muss dieses Recht - in einem anerkannten Palästina - genauso gelten.

Und ja, auch ich halte Grenzen und Nationen für den Kern vieler Übel. NO BORDER, NO NATION! Aber ich weiß auch, wie utopisch das ist und wir müssen der Realität ins Auge schauen. Mir kann das nicht am Arsch vorbei gehen, weil ich Nationen und Grenzen ja eigentlich Scheiße finde. Soviel Realismus darf dann doch noch da sein, um im hier und jetzt Position zu beziehen. Sonst war es das mit der Menschlichkeit.

Genozid!?
Ganz viel ist Konsens, aber an diesem Begriff scheiden sich häufig die Geister. Wie Ihr gemerkt habt, ist mir das Wort da oben nicht über die Tastatur gekommen und das aus gutem Grund: Ich verknüpfe diesen Begriff ganz eng mit dem Holocaust, wenn er auch woanders seine Berechtigung hat. Mit meiner unfreiwilligen Nationalität und der Geschichte dieses Landes bin ich hinsichtlich dieses Begriffs nun mal sehr sensibilisiert. Ich sehe diese unfassbaren Grausamkeiten gegen das palästinensische Volk, die ich eigentlich auch gar nicht mit irgendwas anderem vergleichen möchte. Aber um klar zu machen, warum ich ganz persönlich diesen Begriff hier nicht nutzen kann, sei das einmal kurz erwähnt.

Ich denke, dass wenn wir den oben genannten Konsens haben, uns diese Frage (Begrifflichkeit) nicht entzweien sollte. Ich befürchte aber auch, dass es am Ende bei denjenigen, die diesen Konsens nicht tragen, auch gar nicht mehr um diesen einen Begriff geht, sondern um die Frage des Existenzrechtes. Und dann sind wir wieder beim Antisemitismus. Und dann sind wir wieder bei dem Punkt, der der palästinensischen Zivilbevölkerung nur schadet.

Zasnah (they/them/their)



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Fabibi

29.07.2025 17:21
<3
Willi

29.07.2025 19:52
<3
marty

30.07.2025 07:49
genau so!
Andreas

30.07.2025 14:24
Richtig und Wichtig

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