Madjive:
À la royale
Ihr kennt das ja mittlerweile: Es gibt da in den weitläufigen Redaktionsräumen des Bierschinken-Imperiums tief im Keller so einen langen Gang, an dessen Ende schon längst die Glühbirnen ausgebrannt sind und wo man sich nur noch im Kerzenlicht zu orientieren vermag. Dort, ganz am Ende, hinter der letzten Tür, verbirgt sich ein Regal, dessen Größe mittlerweile die Ausmaße eines Einfamilienhaushaltes annimmt. In diesem Regal stapeln sich Kisten um Kisten, die es nach und nach heraus zu nehmen gilt, um an die letzte, schon fast verschimmelte, aber trotzdem prall gefüllte Kiste zu gelangen. Hier befinden sich all die Platten, CD's und sonstige Tonträger, die uns in den letzten Monaten erreicht haben, für die sich aber kein Rezensent fand. Manchmal, wenn mir langweilig ist, schicke ich einen der Redaktionssklaven runter, um mir das allerletzte zu besorgen, die unterste Platte, das Objekt das schon am längsten in unseren Kellerräumen vor sich hin gammelt. Auf dass es entstaubt werde, auf dass es aus den dunklen Kellerräumen errettet werde! Und, natürlich, auf dass es endlich seiner Bestimmung zuteil werde, im entsprechenden Musikabspielgerät abgespielt zu werden und durch fachmännischer Meinung seziert zu werden. Eine Sisyphusarbeit, wie wir alle wissen, denn in der Zeit, die es dauert, die unterste Scheibe heraus zu suchen, sind schon 20 neue Tonträger im Briefkasten gelandet und betteln um Rezension.
Kurz: Kategorie "was sonst keiner besprechen will".
Warum das keiner besprechen will: Vielleicht ist das Cover irritierend. Da steht was von "1961" und von "20 Cents", so viel retro erträgt doch kein Mensch! Oder vielleicht ist die Redaktion lediglich frankophob?
Ja richtig, aus Frankreich erreichte uns diese hübsch aufgemachte CD. Im Digipak, mit einem Poster beiliegend, sehr nett. Dafür kein Booklet dabei, aber diverse Dankessagungen. Soviel zum Optischen.
Musik: Cool! Erinnert mich zunächst mal an die mächtigen Dwarves, geben ähnlich wie die Mannen um Blag Dahlia einen feuchten Kehricht um Genre-Schubladen. Mal straighter Punk'n'Roll à la Turbonegro, dann wieder hektischer Post-Punk, es wird gerappt, gesurft und gepoppt, irgendwie alles dabei was das Umfeld des Rock'n'Roll so an Experimenten hervor gebracht hat. Ziemlich vielseitige Band also, live mit Sicherheit ne ziemlich große Party. Von CD, naja, etwas chaotisch klingt das ja schon, aber gar nicht so sperrig wie man bei dem Genremischmasch erwarten könnte. Klingt sogar alles ganz mitreißend, wobei die ganz großen Hits fehlen. Würde ich ja gerne mal live sehen!
Fazit: Hört ruhig mal rein, kann nicht schaden. Und so frisch entstaubt sieht das Cover auch gar nicht mehr so schlimm aus...