Hey Ruin:
Irgendwas mit Dschungel
"Das hier ist fast wie feucht zu träumen
die Buxe voll Benzin
weil die Pinsel meines Denkens
am Himmel Streifen ziehen"
Das habe ich gerade gehört. Es ist der Anfang des Liedes "Appetite for Destruction" der Band HEY RUIN, und das Lied fängt eigentlich sehr gut an. Ein schöner organischer Schlagzeug-Sound trommelt genau die Art Gitarre nach vorne, die einen bedeutungsschwanger ins Leere glotzen lässt. Emo halt. Dann fängt der Sänger an, und ich sehe ihn vor mir, in Szene-Uniform auf der Bühne stehend, heiser "die Buxe voll Benzin" ins Mikro röhrend, und ich stehe davor und bekomme Durchfall. Kann man diese Form von heiserem Gesang eigentlich üben, also, professionell mit Gesangscoach, oder kann man das einfach? Ich hab da ja Respekt vor, mögen tu ich's nicht. Es ist schrecklich gewollt und künstlich. Nicht ganz so schlimm wie bei z.B. KMPFSPRT oder Marathonmann, aber doch recht unangenehm. Da ist mir dann auch eigentlich egal, was die Pinsel an den Himmel ziehen (Chemtrails?!), aber wir sind ja hier bei einem Fachblatt für Punktexte und kritische Rezensionen, also hör ich mal weiter zu.
Es wird politisch: "Hallo Cash-Flow / Hallo Dispo / Hallo Dickbauch / Libido" - hallo!? "Wo bleibt die Hirnflut? / Wo bleibt der Schlauorkan?" Gute Frage. Klar, der durchschnittliche deutsche Rassist ist nicht der Hellste, aber genauso dumm ist der, der meint, mit "Ihr seid dick und dumm" sei alles gesagt. Ist es nicht: Rassismus ist nämlich kein Intelligenztest, sondern Folge verinnerlichten nationalistischen Denkens, Folge von Ideologie. Na ja, gut, es ist halt Punk, mag man einwenden, aber dann fänd ich "Nazis raus" irgendwie angenehmer als Wortverbrechen wie "Schlauorkan" oder Titel wie "Spaß als Fetisch", die suggerieren, dass man verstanden hätte, was Fetisch ist.
Zurück zur Poesie: In "Arthur und die Diaspora" geht es um Arthur, der herbe durstig in seinem Seelenberg eine Mine abbauen soll, mit tausend Schaufeln. Das ist hart, ein Knochenjob - erstens ist es anstrengend, so viele Schaufeln gleichzeitig zum Seelenberg zu schleppen, zweitens sieht man dann vielleicht den Berg vor lauter Seelen nicht, und drittens ist so eine Mine unmöglich alleine abzubauen, dafür braucht man doch schweres Gerät! Puh.
Weiter: "Worte ziehn dir Hosen an" - bitte? "I-D-I-O-T! Wir sind nicht im selben Club - nur weil du hasst was ich auch hass" - hä? Geb ich gern zurück, das Kompliment, oder ist das Lied am Ende gar nicht gegen mich gerichtet? Man weiß es nicht. Ah, der W-I-X-E-R ist homophob, hör ich jetzt - das bin ich nicht. Aber wer dann? Irgendwer mit Korsett. Was? Warum? Egal, jedenfalls sind wir nicht im selben Club, das ist wichtig, wir sind cool, irgendwie gegen die anderen. Verstanden! Jörkk Mechenbier singt mit, das macht er seit Neuestem ja überall, z.B. auch bei der Deutschpop-Katastrophe KARLSSON, und auch da frage ich mich, warum, warum bloß?
Na ja, warum eigentlich nicht. Nett sind sie ja alle! Ich bin ein bisschen pissig, dass ich das jetzt öfter hören muss, weil die Texte nicht beiliegen, aber gut, so schlimm sind die Lieder ja musikalisch gar nicht, und, wie gesagt, Klang und Mix sind hervorragend, also...
"Alles wird gut... alles wird gut... UND RUFT BLOSS NICHT DIE FEUERWEHR - DER FEHLALARM RECHT TEUER WÄR"...
?!
Da bröselt mir doch glatt der Putz auf den Kopf, wie Pulverschnee, und gut sieht sie aus, also fahren wir zum Palmenhaus.
Heidenei.
(Und, ach so, falls Britta Helm von der Visions das hier liest, ich suche noch eine Lebensabschnittsgefährtin zur Familiengründung. Mail-Addy steht im Profil!)