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Karies:
Es geht sich aus
Diese kleinen, schwarzen, eingefressenen Stellen auf den Zähnen, die so höllisch schmerzen. Von den ungeputzten Kauflächen aus zuckt es wie ein Blitz in die Zahnwurzel. Immer und immer wieder. Es wummert, drückt, zwickt. Tief im Kiefer und im ganzen Kopf pocht es. Große Qualen, ausgelöst von solch kleinen Stellen.

Vier junge Männer bilden die Band KARIES – und der Name ist durchaus treffend, denn auch ihre Musik wummert, drückt und zwickt, löst große Gefühle mit minimalistischen Aufwand aus. Mit „Es geht sich aus“ legen die Stuttgarter ihr zweites Album vor. Sowieso scheint Stuttgart dieser Tage das geeignete Pflaster für eine bestimmte Spielart des Post-Punks zu sein, stammen doch auch DIE NERVEN und HUMAN ABFALL aus der württembergischen Hauptstadt.
KARIES spielen Post-Punk mit New-Wave-Einflüssen. Dazu werden sparsam minimalistische Texte serviert, die sich manchmal sogar nur auf einen Satz oder ein Wort, meist sprechgesanglich vorgetragen, beschränken. Der Sound von KARIES ist düster und monoton – ohne dies abwertend zu meinen. Vielmehr erfahren Bassläufe, Schlagzeugrhythmen, Gitarrenmelodien aber auch Gesangsfetzen etliche Wiederholungen, was eine sphärische und bedrückende Stimmung erzeugen kann. Songs wie „Einheiten“ oder „Ostalb“ entfachen so eine Energie, welche fast hypnotisch wirkt – wenn man sich darauf einlässt. Auch „A“ weiß diesen Strudel zu entfachen, die ständige und eindringliche Wiederholung des Wortes „Fernsehflimmern“ tut dazu ihr Übriges.
KARIES könnten durchaus eine Band der 80er sein - auch, wenn die Produktion von „Es geht sich aus“ keineswegs angestaubt wirkt. Ein Vergleich mit Bands der kurzlebigen No-Wave-Bewegung wie SONIC YOUTH oder SWANS liegt nahe. Ebenso scheinen die frühen FEHLFARBEN hier und da durch und ein Lied wie „Überlegen“ hätte so auch auf einer der ersten BLUMFELD-Platten erscheinen können, Textzeilen wie „Mit dem Kinn in einem Nacken / umgreifen Arme / einen Menschen, den es früher einmal kannte / Kante / hast du jemals Kante gezeigt? / Oder runzelt die Stirn noch immer? (…)“ hätte auch der junge Jochen Distelmeyer zu Zeiten von „Ich-Maschine“ ins Mikro sprechen können.

Das Album „Es geht sich aus“ von KARIES ist ein düsterer und atmosphärischer Hörgenuss, der seine volle Stärke nur dann entfalten kann, wenn man sich darauf einlässt und ihn nicht wie die schmerzenden Stellen auf den Zähnen weg bohrt. Andernfalls könnte das zweite Album der Stuttgarter auch konstruiert und artsy fartsy wirken. Ich ziehe es vor, mich in den sphärischen Strudel ziehen zu lassen.

Vielleicht hilft gegen die Qual von Karies auch die Schmerztablette, die sich auf dem Cover der Platte im offensichtlich halbleeren Glas sprudelnd auflöst.
Mikula 11/2016
Hörprobe:
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Karies
Musikstil: Post Punk, Indie, NDW
Herkunft: Stuttgart
Homepage: www.facebook.com/kariessksechzig
Karies - Es geht sich aus

Stil: Post Punk, New Wave
VÖ: 04.11.2016, CD, LP, This Charming Man (Link)


Tracklist:
01. Es Ist Ein Fest
02. A
03. Jugend
04. Keine Zeit Für Zärtlichkeit
05. Mühlen
06. Ostalb
07. Überlegen
08. Frage Antwort
09. Es Geht Sich Aus
10. Pervers
11. Einheiten



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