Egotronic:
Keine Argumente!
ANGERY ist die Wasted German Youth!
Auch wenn sie inzwischen schon etwas älter ist. Egotronic haben mit "Keine Argumente" eine ganz schön fette Platte rausgehauen. Bisher konnten mich Demo- und Afterhour-Gassenhauer wie "Raven gegen Deutschland", "Lustprinzip", oder "Pilze" nicht dazu verleiten, mir ein ganzes Album der ziemlich antideutschen Berliner anzuhören. Vielleicht war das ein Fehler, denn "Keine Argumente" ist superfett.
Gewohntes LoFi-Gepiepse trifft auf gutes altes Gitarrengeschredder. Produziert von Rod von den Ärzten, was für ne gute Kombination. Geht deutlich mehr nach vorne als die drei Klassiker, die auf gefühlt jeder antifaschistischen Demo vom Lauti runterprasseln, das ist schon fast wieder Punk. Ohne diese Behauptung durch nachzählen belegen zu können, ist das Wort mit der höchsten Frequenz "Scheiße". Die Provinz ist scheiße, Schmerzen sind scheiße, brennende Flüchtlingsheime sind scheiße, der deutsche Punk ist scheiße, deine Welt ist scheiße, nüchtern sein ist scheiße, Arbeit ist scheiße und Deutschland ist so scheiße, dass es als Synonym für scheiße verwendet wird. Die wütende Gesamtscheiße kommt wie immer kurz, prägnant und präzise. Und oft so unbeholfen gereimt, dass ich die Eindruck eines zumindest teilzeitbeschäftigten Egotronic-Ghostwriters aus der 3c einer beliebigen Albert-Schweitzer-Grundschule nicht völlig abschütteln konnte. Lieblingsbeispiel subtilster deutscher Lyrik:
"Komm wir ziehn ans Meer/ Es nervt hier und zwar sehr."
Ist aber eigentlich auch egal, weils jeder verstehen kann und mensch genau weiß, was gemeint ist. Und witzig isses. Dafür ist das Album eben auch melodisch der Burner, jeder Track ein verdammter Ohrwurm mit nicen Samples und Riffs, die nicht so leicht aus dem Kopf gehen.
Vielleicht sind Egotronic zwar nicht nüchtern, aber ein bisschen erwachsener geworden. Zumindest sind Songs wie "Elbe oder Flugzeug" eine solide Auseinandersetzung mit den aktuellen deutschen Zuständen, "Die Angst vor dem Schmerz" und "Ich weiß die Welt riecht streng nach Pisse" sind ein ziemlicher Kontrast zum Hedonismus von "Lustprinzip".
Übrig bleibt das Recht auf Faulheit in "Ihr wollt Arbeit ich will schlafen". Ein Süßes Gute-Laune-Mitsing-Lied ist auch dabei: Zu "Deine Melodie" kann sich jeder nostalgisch 'n Hansa auf seine Punkerjugend kippen.
"Odenwald" könnte mensch auch einfach durch "Uckermark" oder "Sauerland" ersetzen und bebildert die Probleme aller Menschen jenseits der großdeutschen Zivilisation.
Die 8-Bit-Bonus-Scheibe, die auch noch dabei ist, klingt scheiße und ist irgendwie unnötig, weil dieselben Songs einfach noch mal in 8-Bit-Versionen drauf sind.
Damit zeigen Egotronic, dass es für eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen oft keine Argumente braucht, sondern einfach nur ein bisschen fetten Punk.
Keine Anspieltipps, hört euch einfach das ganze Album an.
"Kommst du mit in Club? Drogen, Tanzen zu Vierviertel?/
Ich sag: Nein, das ist doch nur die Fortsetzung der Arbeit mit andern Mitteln."