Lydia Lunch war mir immer hauptsächlich durch ihr literarisches Schaffen ein Begriff, ist doch "Paradoxie - Tagebuch eines Raubtiers" eines meiner Lieblingsbücher aller Zeiten. Doch eigentlich ist Lydia Lunch in erster Linie Sängerin. Und Schauspielerin. Und Regisseurin. Und Komponistin. Spoken-Word-Performances gibt sie auch. Kurz gesagt, die Frau ist ein künstlerisches Universalgenie. Aktuelles Projekt nun also das neue Album "Under the covers" zusammen mit dem Blues-Gitarristen Cypress Grove. Wie der Titel vermuten lässt, gibt es hier, neben der Eigenkomposition "Won't leave you alone", hauptsächlich Coverversionen zu hören, zum Beispiel "Midnight Rider" von den Allman Brothers, oder "Blaze of glory" im Original zu finden auf dem Young-Guns-II-Soundtrack, gespielt von einem Herrn Bongiovi. Allen Songs drückt Miss Lunch ihren ganz eigenen Stempel auf. Wenn sie aus der lässigen THE DOORS-Nummer "The Spy" eine düster-hypnotische Stalker-Ballade macht und mit krächziger Stimme "I know your deepest, secret fear" ins Mikro haucht, läuft es mir kalt den Rücken herunter, generell verbreitet das Album eine unterschwellig bedrückende Atmosphäre, ähnlich der eines Western-Films. Das Leben in irgendeiner Kleinstadt im tiefsten Wyoming kommt zum Erliegen, der Wirt des örtlichen Saloons hört auf die Gläser zu polieren, Frauen sammeln ihre Kinder von der Straße ein, Tumbleweed rollt durch die Szenerie, der Schurke reitet ein, ihr kennt das. "Under the Covers" wäre auch ein hervorragender Soundtrack zum nächsten Tarantino-Film. Wer damit was anfangen kann und zudem noch gern eine gute Blues-Gitarre hört, sollte hier mal ein Ohr riskieren.