Kavrila:
Blight
Voll geil: Ich hab grad Urlaub, bin nicht sonderlich schlecht gelaunt und pumpe auf Spotify affenstarken 80s Hardrock mit krass zugehallten Snare-Drums und fetzigen Synthesizern. Um diesen Anflug von guter Laune zur Nichte zu machen, schickt mir das Label der Band KAVRILA (irgendwo aus Norddeutschland) auf Anraten meines alten Freundes Ralph Ulrich (Halb Mensch, halb Bier) das aktuelle Album "Blight".
Ich besprach KAVRILA schonmal hier beim bierschinken und hatte den Sound als düsteren Crust-Core mit anstrengendem, aber gutem Post-Punk-Gefrickel in Erinnerung. Im Prinzip lässt einen das Cover das auch immer noch glauben: Schwarz-Weißer Artsy-Fartsy-Scheiß und Frakturschrift. Da macht sicher irgendein Kumpel von denen coole Amateurfotografie weil er sich für 1000 Euro eine Analogkamera im Saturn / auf Amazon gekauft hat. Dann wird es noch auf irgendeinem MacBook gelayoutet und schon werden Fans von post-modernem Düsterkack total angesprochen. Jaja, das Cover halt.
Die Mucke hingegen: Was soll man da sagen!? 1a. Echt. Nix mit sperrig, nix mit komischen Taktexperimenten oder aufgesetztem Szene-Getue. Das ist hochinteressanter, anständig produzierter dunkler Metal. Ab und zu geht's nach vorne, dann kommen wieder so Half-Time-Beats (die find ich meistens nicht so gut, aber ich mag prinzipiell keine Half-Time-Beats) und dann gibt's wieder ein bisschen Stimmung dank melodischem Gitarrenteppich.
Selten hört man bei dieser Art von Musik so viel Abwechslungsreichtum der sich nicht danach anhört als hätte jedes Bandmitglied, inklusive Proberaumpenner und Merch-Verkäufer, einen 30-Sekunden-Part pro Song geschrieben. "Wie aus einem Guss" würde in der Lokalpresse stehen. Stimmt halt.
Lange, tiefe Gitarren-Intros wie bei "Gold" könnte man sich meiner Meinung nach sparen. Bei sowas denk ich mir immer: Wem bringt das was, außer der Band? Was soll ich denn da als aktiver Zuhörer in der Zeit machen? "Oh, cool wie er diesen unglaublich schweren Akkord 10 Sekunden stehen lässt!"
Zum Glück kommt gleich danach die Action wieder und mit "Demolish" sogar ein richtig straighter Rock'n'Roll-Song, dessen Rhythmus ab genau einer Minute wieder zu einem Half-Time-Beat wird. Ah! Ich will neben dem Drummer stehen und sagen: "Halt! Nein! Das war grad geil, spiel das so durch!" Bei Half-Time-Beats weiß ich übrigens auch nicht, was man währenddessen machen soll: Voll Hip-Hop-mäßig abgrooven oder eine rauchen gehen!?
Mit der Genrevorgabe tu ich mich sehr schwer: Das ist weder "Doom" noch "Punk". Es sind Metalcore-Elemente drin, Crust, sogar ein bisschen Nu-Metal ("Apocalypse") und Post-Hardcore und/oder Noise. Auf jeden Fall ist das, was KAVRILA da machen, sehr sehr gute Musik, manchmal vielleicht mit etwas zu viel Tragweite, aber ich sehe sie schon mit all den anderen, angesagten neuen Düster-Metalbands im Juha West in Stuttgart wo jeden Monat ca. 6 neue Kapellen dieses Genres dem geifernden Independent-Publikum vorgestellt werden. Außerdem gibt es sicherlich auch bald immer mehr KAVRILA-Shirts auf Konzerten zu bewundern, auf denen sich die KOLOSS- und WSDT-Träger_innen die Klinke in die Hand geben.