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Bruecken:
Bruecken
Ich saß gerade bei meinem Day-Job im Büro, als mir folgender Gedanke durch den Kopf ging: Soll ich mich heute weiter für einen lachhaft kleinen Obolus vom abgezockten Arbeitgeber zum Knecht machen lassen, oder nutze ich die Zeit in meiner persönlichen Hölle, um für Fö ganz ohne Bezahlung eine Rezension schreiben?
Ich öffne also folgerichtig Bierschinken und schaue, was gerade so im Angebot ist (Nebenbei: Hat eine/r unter euch LeserInnen vielleicht einen Job übrig? Um’s mit Kackschlacht zu sagen: „Ich will was mit Medien machen:“).

Hängen bleibe ich bei einer Band namens BRUECKEN, bzw. deren gleichnamiger Debut-EP. Die Schreibweise mit UE weckt schon gewisse Assoziationen und Erwartungen in mir, etwa emotionaler Post-Hardcore/-Punk in Richtung POSTFORD, und nachdem ich die Bruecken-Musik samt Textbuch et cetera gesichtet habe, muss ich mir die Scheibe eigentlich nicht mehr anhören (mach ich aber natürlich dennoch!), um zu wissen, dass ich mit meinen Vermutungen ziemlich nahe dran liege. Beim Anblick des schlichten, minimalistischen Artworks des Textbuchs + Silberlings sehe ich mich in meinen dreist-vorschnellen Vermutungen bestätigt. Das Booklet ist, glaube ich, eigenhändig gebunden worden und die CD mit einem Stencil von Hand besprüht worden, finde ich alles soweit schon einmal geil, weil DIY und so.

BRUECKEN gibt es seit 2016, kommen aus Oldenburg und schreiben nach eigener Beschreibung „sad songs from happy dudes“. Ob die jetzt happy sind – keine Ahnung, aber die Lieder sind schon ziemlich sad und moll-lastig. Aufgenommen wurden die fünf Songs, sofern ich das richtig deute, in einer Live-Session, quasi in einem Guss, und wurden später im Mastering aufgehübscht. Dafür hört sich das Ganze richtig sauber an und fängt auch etwas von der Energie ein, die eine Band manchmal beim gemeinsamen Musikmachen produzieren kann, kann man nicht meckern.

Also: handgeschnitzte DIY-CD, Image gekonnt umgesetzt, Songs gut aufgenommen und (das nehme ich mal vorweg) musikalisch-handwerklich begeistert mich das auch, aber: vom Hocker reißt mich das alles am Ende doch nicht. Und das liegt vor allem am Gesang. Mehr dazu in den einzelnen Songs:

1.Brandstifter
Der Song beginnt schön druckvoll, Schlagzeug ballert, die Leadgitarre dängelt richtig schön, und ich höre innerlich schon Jörkk Mechenbier drüber her nöhlen, aber stattdessen kommt was ganz anderes, nämlich krasses Gegrowle/Fry Screams. Okay, ganz cool, kann man machen, leider versteht man dadurch die sowieso einigermaßen kryptisch gehaltenen Texte kaum, und auch die eingespielten Skits verstehe ich nur fragmentarisch. Thema geht es hier wohl um verlorene/unglückliche Liebe (soweit mich meine Pennäler-Interpretationsskills nicht im Stich lassen), aber da der Sänger kaum Melodien einstreut, kommt bei mir gefühlsmäßig nichts an. Instrumental aber top! Gekonnter Wechsel zwischen ruhigeren Singlenotes-Parts und Powerchord-Geballer, das baut sich richtig schön auf und wirkt einfach fett. Und dann gleitet der Song fließend über in…

2.Tiefenrausch
… nur hat mich der Gesang nach dem ersten 4 Minuten schon so gelangweilt, dass ich den Wechsel gar nicht mitbekomme. Das ist schon recht monoton, ich verliere das Interesse. Ich mutmaße, dass hier das vermeintlich falsche, fadenscheinige Glück kritisiert wird, welches einen gerne mal nachts bei harter Feierei (mit Drogen!) überkommt. Ich frage mich, ob BRUECKEN sXe sind. Kann ich nicht verstehen, die einzigen Momente in denen ich wirklich glücklich bin, sind diese nebulösen + vercrackten Nächte, Jungs, macht mir nicht mein Lustempfinden kaputt! Wie dem auch sei, auch dieser Song fließt übergangslos über in…

3.Macht
… und dann wird’s richtig geil. Gesanglich bleibt’s beim monotonen Geschrei, da wird auch nicht mehr viel passieren, darum konzentriere ich mich mehr auf die Instrumente, und was die Jungs da abziehen, geil geil geil. Langsames, tragendes Intro, der Song baut sich langsam auf um dann bei ca. 1,40 Minuten richtig einen rauszuhauen, das fesselt mich. Auch geil ist der anschließende Part bei ca. 2:40 Minuten, hier setzt die Leadgitarre am Ende des Laufs immer diesen einen, entscheidenden Moment aus, damit kreieren BRUECKEN eine geile Spielerei mit dem Takt, das flasht mich einfach. Schön! Ich glaub es geht wieder um Liebe (?) und der Bandname wird mit der Zeile „Brücken statt Mauern“ im Text verbaut. Gut, das ist jetzt ein recht offensichtliches Wortspiel, aber den muss man einfach bringen, die Zeile ist einfach zu gut um es nicht zu tun. „Macht“ war dann auch erstmal mein Lieblingssong, nach dem fünften, sechsten Durchgang wurde dann aber…

4.Gravitation
… mein Liebling. Wieder langsames, tragendes Intro (ist wohl ne Masche), das mit dem Tom-Getrommel gut in Szene gesetzt wird, welches dann bei ca. 1,30 Minuten in einem fetten Riff mündet, geil, dieser Aufbau ist schon echt gut gemacht. Darauf folgt dann ein völlig überraschender Übergang in den nächsten Part, der mich beim ersten, zweiten Mal Hören etwas verarscht hat. Der Song endet dann auf einem Riff, was mich teilweise an A Perfect Circle erinnert, gefällt.

5. Kambium
Fängt stark an, das Riff ist mit dem abrupten Wechseln zwischen SingleNotes und Powerchords angenehm unvorhersehbar. Leider verliert der Song ab der Gesangseinlage an Originalität und driftet in die oben beschriebene Monotonie ab.


BRUECKEN sind dann am stärksten, wenn der Gesang aussetzt und die Instrumente richtig zur Geltung kommen. Das stete Gegrowle ist so eintönig, dass die Songs dadurch zwischenzeitlich nicht zu unterscheiden sind. Und ich frage mich: warum muss das so sein? Es gibt bei „Brandstifter“ etwa bei Minute 1:00 einen kurzen cleanen Gesangspart, ebenso bei „Macht“ um Minute 4:05, bei dem der Sänger kurz durchscheinen lässt, dass er eigentlich über eine schöne Singstimme verfügt. Sehr schade, dass das Potential hier nicht genutzt wird, das würde der Vielfalt der Songs wirklich gut tun.

Die instrumentelle Seite der EP ist dafür wirklich, wirklich gut. BRUECKEN brechen gerne das übliche A-B-C-A-B-C-C-Schema, teilweise wiederholt sich nicht ein einziger Part in den Songs, keinen Bock auf Konventionen. Das macht die Scheibe vielleicht zu Beginn etwas unzugänglich, man sollte der EP ruhig ein paar Umdrehungen gönnen. Dann wird man mit vielschichtigen Songs belohnt, in denen man immer wieder neue Muster und Verspieltheiten finden wird. Die Songs sind dramaturgisch top aufgebaut, BRUECKEN verstehen es eine gewisse Spannung und Antizipation auf die Auflösung des jeweiligen Themas aufzubauen. Das Spiel zwischen Lead- und Rhythmusgitarre ist intelligent und abwechslungsreich, die Basslines wubbern und erhöhen an den richtigen Stellen den Druck, um dann gemeinsam mit dem Schlagzeug die Erlösung in den nächsten Part zu bringen.

Kann mir gut vorstellen, dass das auch live eine richtig dicke Nummer ist, ich würde mich davon auf jeden Fall mitreißen lassen. Sofern es vokalistisch mehr Abwechslung gibt.
Der Gaar 12/2017
Hörprobe:
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Bruecken
Musikstil: Postcore, Emo-Hardcore
Herkunft: Osnabrück
Homepage: www.bruecken.bandcamp.com
Bruecken - Bruecken

Stil: Postcore, Emo-Hardcore
VÖ: 05.07.2017, CD-R, Free Download


Tracklist:
01. Brandstifter
02. Tiefenrausch
03. Macht
04. Gravitation
05. Kambium

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