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Filmkritik:
Festival der Demokratie
Eindrücke von einem kleinen Kino-Abend.
Ja genau, Rilrec goes Kino! Oder zumindest fast. Lars* kennen einige der geschätzten Leser*innen (der Film inspiriert auf jeden Fall schonmal zum Gendern) vielleicht vom Rilrec-Label, schlimmer noch, einige kennen vielleicht sogar noch das Youtube-Format Rilrec TV.
"Festival der Demokratie" nennt sich der vorliegende Film, ist crowdfunding-finanziert und beschäftigt sich, grob gesagt, mit dem Geschehen rund um den G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Genauer gesagt, mit dem Clash zwischen Polizeiapparat und Demonstrierenden. Gedreht wurde natürlich vor Ort in Hamburg, den Rahmen bilden einige im Nachgang geführte Interviews.
Vorweg schonmal: Wessen Filterblase während und nach des G20-Gipfels eh schon genügend verwackelte Handyvideos und Indymedia-Postings ausgespuckt hat, der oder die bekommt hier eher wenig neue Erkenntnisse, dafür aber geballt und komprimiert auf knapp 77 Minuten Film. In der Masse ist das schon ziemlich erschreckend und ruft auf ungeschönte Weise Erinnerungen wach, die nicht einmal ein Jahr später schon fast wieder aus dem kollektiven Bewusstsein gelöscht sind.

Den Rahmen bilden Interviews, die reflektierend auf die Ereignisse zurück blicken. Zu Wort kommen dabei Leute der Interventionistischen Linken, der Partei Die Linke, der Bundesvereinigung Kritischer Polizisten, vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein sowie ein vor Ort wohnender Unternehmer. Stimmen von der "Gegenseite" (also Stadt/Staat/Polizei) hingegen kommen nicht wirklich zu Wort, mit Ausnahme von Ausschnitten aus einer Podiumsdiskussion mit Innensenator Andy Grote, der dort nicht wirklich glänzt.
Im Vorfeld hatten wir die Befürchtung, dass der Film etwas zu einseitig ausfallen würde - also stur die linke Schiene. Kann man sehen wie man will, aber nach Ende des Films haben wir offen gestanden gar keinen Bock mehr, die Gegenseite überhaupt noch zu hören.
Zu offensichtlich ist das Versagen des Polizeiapparats, zu blauäugig die Planung des Gipfels, da würden sämtliche Rechtfertigungsversuche und Schuldzuweisungen wie blanker Hohn wirken. Die Kommentare von Politikern und Polizeisprechern sind ja in den meisten Medien eh schon ungefiltert weiter gegeben worden, ohne dass die Medienanstalten für eine Multiperspektivität gesorgt haben. In dem Sinne leistet der Film seinen Beitrag, den Zuschauer zu einer umfassenden Meinung zu verhelfen. Viel erschreckender ist, dass unter dem ganzen Geschrei in den Medien und der Skandalisierung der Demo Kritik am Polizeieinsatz überhaupt nicht geäußert wurde. Genau da liegt einer der Schwerpunkte im Film, nämlich dass die Polizei gegen geltendes Recht und richterliche Beschlüsse gehandelt hat und sich dabei eher wie in einem Unrechtsstaat verhalten hat. Man kann sich vorstellen, wie die Berichterstattung gewesen wäre, wenn es um türkische Demonstranten im Gazastreifen gegangen wäre, die von der Polizei auseinander geknüppelt werden.

Von daher fasst der Film ganz gut die allgemeine Stimmung der Beteiligten auf. Klar kann man hier und da auch Teile der Demonstrierenden kritisieren (und das wird auch getan), aber der Fokus muss einfach auf Polizei und Justiz liegen.
Und da sind schon einige Punkte, die schlucken lassen. Dass Einsatzleiter Dudde schon im Vorfeld wenig Wert auf Deeskalation legte. Dass die Polizei, obwohl sie doch bei kleinsten Anlässen eingreifen wollte, die Randale in der Schanze einfach zuließ. Dass es für die Begründungen des Nicht-Eingreifens schlicht und einfach an Beweisen fehlt. Dass von einzelnen Polizist*innen augenscheinlich grundlos auf Demonstrierende eingeschlagen und Tränengas versprüht wurde. Dass die Schanze-Randale als Argument genutzt wurde, die Strafen für Personen zu verschärfen, die sich zum Zeitpunkt der Randale bereits in Haft befanden - als "Generalprävention". Klingt schwer nach Maßnahmen, damit sich bekennende Menschenfreunde vom Schlage Erdo?an, Trump, Putin beim G20-Gipfel wie zuhause fühlen, oder?
Für diesen großartigen Polizeieinsatz wurde der damalige Bürgermeister Herr Scholz auch noch zur Belohnung zum Finanzminister befördert. Der weiß, wie man Finanzen verschleudert.

Zur Machart des Films selbst: Nun, einen Hollywood-Action-Blockbuster erwartet wohl niemand - aber keine Sorge, die Gewalt kommt nicht zu kurz. Scherz beiseite. Es gibt heftige und mitunter natürlich verwackelte Szenen, es gibt auch mal ruhige Szenen, die schon ein wenig unheimlich wirken. Die Dramaturgie folgt grob dem chronologischen Ablauf, was den Film zu Beginn etwas schleppend vorankommen lässt - umso krasser hingegen die zweite Hälfte des Films. Die Stimme aus dem Off hält sich angenehm zurück, man hangelt sich eher an den Interviewpartner*innen entlang. Dadurch wird aber auch genügend Raum gelassen, um sich selbst eine Meinung zu bilden oder zumindest seine Meinung zu überdenken.

Fazit: Bei dem Thema eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber den Film sollte man gesehen haben, ausdrücklich auch wenn man sich nicht als Teil einer linken Szene sieht, denn auch aus einer gemäßigten demokratischen Sichtweise heraus bekommt man hier eine gute und wichtige Dokumentation geboten. Aktuelle Vorführungstermine finden sich hier.
Fö/Schuldenberg 03/2018
Hörprobe:
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Filmkritik - Festival der Demokratie

Stil: Dokumentation
VÖ: 06.03.2018, Film, misconception (Link)



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