Dirk Bernemann, Jörkk Mechenbier, Jan Off:
Klara
Ich habe ein Buch gelesen!
Zugegebener Maßen kommt das recht selten vor. Zumindest, wenn in diesen Büchern fiktive Geschichten stehen (ich glaube das heißt dann Belletristik) und keine geisteswissenschaftlichen oder politischen Weis-(oder Dumm-)heiten. Geistiges Futter, mit dem man am linksversifft-akademischen Küchentisch mal so richtig klugscheißen und behaupten kann, zumindest bruchstückhaft, wahlweise irgendeine Szene, das tagespolitische Kasperletheater oder gar den Kapitalismus verstanden zu haben.
Ich weiß auch nicht, aber irgendwie haben alle diese Dinge auf ihre Weise dazu beigetragen, dass meine Aufmerksamkeitsspanne für (nennen wir es) Kunst (ja, ich meine damit auch Musik und ja, in diesem Fall im weitesten Sinne auch sowas wie Punk) mittlerweile wieder etwa der eines 8-Jährigen gleicht.
Irgendwann, als das zwar auch schon so war, aber ich hier und da noch öfter ein Buch in der Hand hatte, las ich Dirk Bernemanns „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“. Ein Gewaltgewitter menschlicher Ekelhaftigkeit in 15 Kurzgeschichten. Stetige Kopfsprünge in die Widerwärtigkeit der Dinge, seit letztem Jahr im mittlerweile vierten Teil.
Den aktuellen Roman KLARA, um den es hier eigentlich geht, schrieb Bernemann zusammen mit Trash- und Punkautor-Ikone Jan Off („Vorkriegsjugend“ ) und Sänger Jökk Mechenbier (Love A, Schreng Schreng und La La).
Alle drei treffen auf Klara. Sie besetzt ihre Leben wie ein leerstehendes Haus, wie „der üblich abgemachte Wahnsinn eben, wenn der monochromen Sickergrube namens Menschheit plötzlich ein Geschöpf entstiegen ist, dessen Einzigartigkeit du nicht leugnen kannst.“
Sie nimmt keine Rücksicht, nimmt sich selbst was sie kriegen kann und weiß wie sie es bekommt. Ihr Antrieb ist ihre eigene Fertigkeit, die innere Zerrüttung, die Unfähigkeit den Alltag zu bewältigen.
Wo zu Beginn ein Strohhalm zu sein schien, eine Chance zur Flucht aus dem trist-grauen Alltag der Autoren, gezeichnet durch die Widersprüche der eigenen Existenz in der Menschensuppe deutscher Großstädte, hinterlässt die „Hassliebe“ zu Klara nichts als verbrannte Erde und klaffende Wunden, die auf den siffigen Asphalt bluten.
Das wirklich interessante am Roman sind die teils tiefen Einblicke, die der*die Leser*in in die Leben der Autoren zu bekommen scheint. Die Ich-Erzähler schreiben so nah an der eigenen Realität, dass eine spannende zusätzliche Ebene entsteht, die sich durch alle drei Teile zieht und insbesondere im letzten Teil von Mechenbier in einem verworrenen, drogenschwangerem Zwiegespräch mit sich selbst als Autor dieses Buches endet.
KLARA ist mehr Punk als die allermeisten der hierzulande existierenden Bands, die sich so schimpfen, für die Punk jedoch hauptsächlich daraus besteht, generisch sinnvoll verwertbare Bandshirts und mit Patches übersäte Kutten durch hochauflösende schwarz-weiß Videosessions zu tragen.
KLARA ist voller Abgründe, randvoll mit Körperflüssigkeiten, befreiend und beklemmend, komisch und schockierend zugleich, und außerdem mit etwas über 170 Seiten angenehm kurzweilig.