So schnell kann das manchmal gehen:
Vor Kurzem noch auf dem RD-Rock gesehen und für live ganz geil befunden, trudelt kurze Zeit später ein Paket bei mir ein, gefüllt mit Bestechungsutensil und einer Schallplatte, bei dessem Cover man gar nicht so genau weiß, was man zuerst hübsch finden soll bzw. wo man zuerst hin gucken soll. Recht entgeistert schaut uns auch der Problemstorch Ronny an, hoch droben von seiner schrottigen Wohnung mit kaputter Fasse das ganze Leben lang, umgeben von Meer aus Satellitenschüsseln, Bierdosen und Smartphones. Wohin die Reise hier geht? Nächster Halt: Deutschsprachiger Betroffenheitspunk, aber eher die Midlife-Crisis-Variante. Auch geschuldet den Hauptakteuren: durchweg weiße, unzufriedene Männer mittleren Alters, die aus reiner Verzweiflung ob der herrschenden Gesellschaftsverhältnisse und abstrusen Konstruke einfach mal eine Band gegründet haben. Dass 60% der Akteure vor Gründung nicht mal das Wort Instrument schreiben konnten, sollte doch eigentlich den Traum des durchschnittlichen Bierschinkenlesers komplett machen. Ja, ihr da, traut euch, macht es ihnen nach!
Musikalisch mäandern die Songs zwischen langsamen Spoken-Words-Gedöns ("Rechte Spießer", "Eulen nach Canossa") und schnellen hardcorepunkesken Momenten ("Problemstorch Ronny", "Platzverweis") hin- und her, sodass die Scheibe keineswegs wie von Klein Ronny zusammen mit seiner ersten Oi-Rumpelkombo monoton-stümperhaft eingeprügelt klingt. Da kann man ja eigentlich schon neidisch werden, was Menschen in zwei Jahren an ihren Instrumenten so erreichen können.
Ganz hervorragend harmoniert die instrumentale Untermalung mit Schrammis prägnanter Stimme, welcher eigentlich total kacke und mehr keifig-gesprochen denn gesungen klingt. Lenkt mit ihrer recht prägnanten, ätzenden Art allerdings auch ein wenig davon ab, dass sich die Texte mitunter gedruckt auf Papier eher nach einem Gedichtversuch aus der vierten Klasse lesen. Kleine Kostprobe?
Kratzer im Lack!
Du kannst es nicht ab!
Alte Männer mit Bauch,
in den Club willst du auch!
(Problemstorch Ronny)
Aber als Song funktioniert das ganz hervorragend, nicht zuletzt dank des in Repetition ertrinkenden Refrains:
Essen, Schlafen, Arbeiten - vorbei!
Sowas lässt sich wahrscheinlich auch viel leichter auskeifen als "An Tagen wie diesen" oder ähnliche Schmonzetten. Aber: Hitpotential direkt im ersten Song verballert, hier wird geklotzt!
Ansonsten gibt's Rundumschläge gegen Mittelmaß, Arbeitswut, dem Spektrum von rechtsoffenen Idioten bis hin zu Nazis, Deutschland, Szenemogule und sich profilierende Idioten. Ein wenig politische Seinfeld-Episoden in Moll, Alltagsgedanken ausgekotzt und mit pointierter Beobachtungsgabe vorgetragen. Dass das Ganze in der LP-Form noch mit nervigen Samples und einem wirklich zauberhaft-albernen Hörspiel versehen ist, rundet die Sache ab wie das Meer die Steine am Strand, so ganz maritim-metaphorisch gesprochen.
Falls jemand noch Namedropping und ffo braucht: Die erste Disco-Oslo-EP hatte einen One-Night-Stand mit Affenmesserkampf, während Heinz Strunk die Geburt des Kindes kommentiert. Ganz hervorragendes kleines Album mit liebevollem Booklet, ohne Label und starkem 80er Feeling. Nicht zuletzt dank der triefenden Selbstironie. Geil!