tot:
Lieder vom Glück
Endlich mal wieder ein prägnanter Name für eine Band. Diese Band hier ist nämlich Tot.
Hach, da lassen sich doch 1001 schmunzlige Scherzchen zu machen.
"wie klingt die neue Spastic Band?" "tot!".
Ja ok, so hammer lustig ist das gar nicht. Wird wahrscheinlich eh in jedem x-beliebigen Review drauf hingewiesen. Erinnert mich daran, mal eine Kneipe aufzumachen, die "Arsch" heißt. Und dann können alle sagen "Ja ich bin heut so ab 20 Uhr im Arsch", "Nach der Arbeit bin ich immer im Arsch", "Komm in den Arsch". Ungefähr die gleiche Baustelle.
Stichwort: Schnarchwitz-Anekdoten für ungeliebten Smalltalk mit Halbbekannten.
Die Band Tot ist allerdings nicht unbedingt etwas für Smalltalk mit Halbbekannten. Auf ihrem Debütalbum werden die wirklichen deepen Themen des Lebens behandelt. Mal schön aus der Vogelperspektive, mal von unterm Tisch, mal direkt frontal ins Auge. So heißt die Platte dann auch "Lieder vom Glück" und diese Lieder befassen sich mit der hohen Kunst des Kündigens, Depressionen, Konsumdruck, Leistungszwang. Deckt also ziemlich vieles der Palette ab, welche dieses Plastikland uns als Möglichkeit zur Endorphinversorgung anbieten möchte. Natürlich ist alles scheiße und alles macht krank. Tot liefern einen schönen Soundtrack dazu. Mal wieder nach der Schicht besoffen durch die Straßen rennen, Autospiegel abtreten, Passanten anschnorren, Mülltonnen durch die Fensterscheibe der Bushaltestelle schmeißen und sich danach von irgendeinem Macker auf die Fresse hauen lassen.
Dabei erinnert mich die gesangliche Darbietung stark an frühe Superpunk, in Punk. Als ob Carsten Friedrichs seine Tabletten länger nicht genommen hätte.
Musikalisch wird das alles getragen von schrammeligen Gitarrenakkorden, recht schnörkellos nach vorne gespielt, und Rumpelschlagzeug. Wahrscheinlich haben die auch einen Bass. Ja ganz sicher, den kann ich hören. Der hat sogar ne geile Zerre drin. Das klingt alles super räudig. Gigageil!
Aber auch atmosphärische Melodien mit Reverbgitarre können sie bringen. Hör dir mal "Die Natur kann grausam sein, aber auch schön" an zum Beispiel. Da lernst du auch noch einiges über das Verhalten des gemeinen Rackelhahns.
Ich will ja nichts sagen, aber Tot scheinen Deutschpunk in komplett unpeinlich machen zu können. Wie ist das 2019 noch möglich, wo doch das Genre durch den Hype um Schrottbands wie Helmut Cool endgültig totgenudelt wurde? Ja wer hätte das gedacht? Spätestens beim Überhit "Paradies" kann sich der oder die Punker*in wieder, ohne sich zu schämen, eine Sicherheitsnadel durch die Backe stecken.
Oben drauf knüpft das Label Spastic Fantastic mit dem Artwork zu "Lieder vom Glück" an die Neon-Atomkrieg-Optik früherer Releases an und liefert hier vielleicht DAS Deutschpunkalbum des Jahres ab. Momentan ist in diesen Gefilden nichts schöner als Tot!