Oh Mist, habe ich mir doch tatsächlich eine selbstbetitelte Acoustic-Session rausgegriffen. Okay, fairerweise steht das direkt auf dem Frontcover der hier vorliegenden CD, und zwar genau unter dem Albumtitel. Ich war wohl etwas abgelenkt von der schönen Illustration. Außerdem haben mir beim Reinhören die nicht-akustischen Songs - ein entspannter Mix aus Indie, Pop und Elektro - ziemlich gut gefallen. Nun muss ich also ein Akustik-Album besprechen. Na gut, Augen zu und durch.
Qualitativ ist "Cyanide & Cream" jedenfalls sehr weit vorne. Clara Clasen ist studierte und ständig tourende Musikerin. Somit ist jeder Song auch grundsolider Pop mit Ausflügen ins leicht rockige. Schiefe Töne oder auch nur ein kleiner Hauch Unprofessionalität wird man hier definitiv nicht finden. Ich jedoch frage mich ständig, ob das hier überhaupt meine Baustelle ist. Steht es mir überhaupt zu, diese Zeilen so schreiben? So völlig ohne musikalische Grundausbildung? Außerdem bewege ich mich ja auch generell eher in anderen Genres. Schieben wir also das Musikalische mal kurz zur Seite.
Inhaltlich hat sich Clara Clasen klar dem Feminismus und dem Anprangern von politisch-gesellschaftlichen Missständen verschrieben. Dies steht dann auch ein wenig im Kontrast zu den chilligen Pop-Beats; wenn es dann z.B. im Song "Exhibition" anhand von Zitaten um Alltagserfahrungen mit sexistischen Verhalten bis hin zu misogynen motivierten Missbrauch und häuslicher Gewalt geht. Gerade diese Ambivalenz zwischen musikalischem Feelgood und textlicher Ernsthaftigkeit ist dann aber für mich doch der größte Pluspunkt bei "Cyanide & Cream". Interessant ist dann auch, dass alle Songs außer "Bury A Friend" von Clara Clasen stammen. Billie Eilish zu covern liegt tatsächlich aber doch relativ naheliegend, nutzt diese Künstlerin eben auch ihre Bühne, um Feminismus einem größeren Publikum zugänglich zu machen und neue Impulse zu setzen.
Aber nochmal zur Musik: Mir ist diese Akustik-Session dann doch einfach ein wenig zu seicht. Vielleicht ist es aber auch gerade gut, Musik zu schreiben, die ein größeres Publikum erreichen kann und auf diese Weise dann auch kritische Botschaften in den Mainstream zu tragen vermag. Ich könnte an der Stelle auch ein weiteres Fass aufmachen und fragen, ob es okay ist, sein Album von Förderprojekten des Landes NRW supporten zu lassen. Stattdessen beantworte ich die Frage mal einfach schnell mit "ja" und schließe diese Rezi mit einem unterm Strich doch eher positiven Gesamteindruck.
Fazit: Akustik-Sessions sind einfach nicht meine Baustelle. Dennoch möchte ich bei "Cyanide & Cream" ein ausgefeiltes Songwriting und eine generell sehr hohe Qualität positiv anmerken. Außerdem werden hier wichtige Themen in einer sehr intelligenten Weise angesprochen.
01. Black Widow
02. Sugar Cubes
03. Walk With Me
04. Exhibition
05. Love Divided
06. Bury A Friend
07. I Don't Have A House
08. Fire