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Zwakkelmann:
Shitsingle - Anekdoten eines Vollidioten

Mich kotzt das Schwarz/Weiß-Denken in großen Teilen der Gesellschaft, als auch in der Punkszene, momentan komplett an. Hier ein paar Beispiele aus der Facebook-Welt: Die einen hypen "Die Grünen" komplett ab, als ob sie der Weisheit letzter Schluss wären, die anderen beschimpfen deren Mitglieder auf primitivste Art und Weise. Die einen meinen, Gendern sei die Lösung für sämtliche Probleme, die anderen regen sich über diesen "Eingriff" in die deutsche Sprache auf, als wäre damit der Untergang der Welt besiegelt. Laschet lacht bei seinem Besuch im Katastrophengebiet. Unangebracht ja, da braucht man sich vermutlich nicht drüber streiten, aber, ist es nicht so, dass auch der eine oder andere von uns bereits mal in einer hochunangebrachten Situation schmunzeln musste?

Was das alles mit dem Literaturdebut "Shitsingle" von Reinhard Wolff aka Zwakkelmann zu tun hat? Ich versuche dies anhand des letztgenannten Beispiels zu erklären: Auch der Autor und zugleich Protagonist der Anekdotensammlung musste mal in einer unangebrachten Situation lachen - nämlich auf einer Beerdigung. Und ihm ist durchaus bewusst, dass das peinlich ist. Als er dann bei der Beerdigung eines verstorbenen, noch sehr jungen Fans, musiziert, muss er nicht lachen - doch er weiß, dass so ein Malheur eben manchmal einfach so passieren kann. Und um vom Beispielhaften ins Allgemeine zu kommen: Diese Fähigkeit zur Reflexion, die der Protagonist konstant in "Shitsingle" beweist, ist das absolute Hauptargument, dieses Buch zu lesen, da es Zwakkelmann wohltuend von den in der Einleitung erwähnten großen Teilen der Gesellschaft unterscheidet. Weitere Beispiele: Wolffs Chef während seiner Ausbildung war wohl ein ziemlich machtgeiler Typ, doch der Autor findet immer noch Aspekte, die diesen nicht ausschließlich als negativen Großkotz erscheinen lassen. Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Lockdownmaßnahmen werden differenziert betrachtet. So gibt der Autor selbst zu, dass er nicht weiß, ob er sich als Jugendlicher an all die sogenannten Hygienemaßnahmen gehalten hätte. Sogar Bands, die er persönlich abgrundtief scheiße findet (Beispiel: Dream Theater) versucht er objektiv noch etwas abzugewinnen. Er verzichtet weitgehend auf Fleisch, gibt aber zu, kein strikter Vegetarier zu sein. Auch Personen, die für ihn im Nachhinein eher negativ konnotiert zu sein scheinen (Exfreundin, Farin Urlaub, der Vater) werden immer differenziert und reflektiert dargestellt, was die Lektüre unglaublich angenehm, da eben nicht im Zeitgeist des Schwarz/Weiß-Denkens, macht.

Aber es gibt noch mehr Gründe, "Shitsingle" zu lesen: Zum Beispiel gibt es enorm lustige Geschichten übers Pissen, Scheißen und Saufen. Hier will ich gar nicht groß spoilern, aber ich musste mehrmals lauthals herzlich lachen. Überaus köstlich ist auch, wie er Personen, die ihm nicht sonderlich sympathisch sind, in ihren Eigenarten und optischen Erscheinungen überzogen darstellt (der "Fan" beim Konzert in Hamburg, sowie der Gitarrenverkäufer "Kalla"). Auch ansonsten gibt es sehr kurzweilige Anekdoten über das Musikerleben, als auch die eine oder andere traurige Geschichte, wie die bereits erwähnte Beerdigung, die Trennung von seiner Freundin, sowie die Reflexion seines zeitweise etwas unsicheren Inneren. Ich habe nur einen ganz kleinen Kritikpunkt, nämlich - das hat der Autor selbst in seinem Interview mit sich selbst verraten - nicht alles, was im Buch steht, 100% der Realität entspricht. So muss der Leser nun im Nachhinein selbst spekulieren, was übertrieben dargestellt wurde und was exakt so vorgefallen ist. Dass Schlaffke von sich selbst in der 3. Person im personalen Erzählstil spricht, mutet nur die ersten paar Seiten etwas seltsam an, man gewöhnt sich jedoch sehr schnell daran. Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass die Anekdoten immer wieder mit Songtexten Zwakkelmanns aufgelockert werden - sehr interessant fand ich zum Beispiel, wie der Text zum in der Szene umstrittenen "Dusselige Kuh" entstanden ist und kann hier erneut auf diese tolle Fähigkeit zur Selbstreflexion des Autors hinweisen.

Daher sag ich mal: 9 von 10 Punkten! Das Buch liest sich übrigens sehr gut an einem Stück durch und man freut sich schon auf einen 2. Teil dieser abwechslungsreichen Anekdoten.

Kabl 07/2021
Zwakkelmann
Musikstil: Songwriter
Herkunft: Hamminkeln
Homepage: www.zwakkelmann.de
Zwakkelmann - Shitsingle - Anekdoten eines Vollidioten

Stil: Anekdoten
VÖ: 01.07.2021, Buche, Hirnkost-Verlag


Tracklist:

1. Mit Verlaub, Zwangsurlaub (Seite 8 - 48)

2. Spezielle Baustelle (Seite 49 - 72)

3. Gitarre in Händen plus Rückblenden (Seite 73 - 116)

4. Rückblicke und Missgeschicke (Seite 117 - 156)

5. Western von gestern (Seite 157 - 182)

6. Anna-mnese (Seite 183 - 204)

7. Rock'n'Roll-Protokoll in Dur und Moll (Seite 205 - 246)


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