Schon wieder Punkrock, schon wieder aus Leipzig. Anscheinend ist in der Stadt im östlichen Deutschland eine sprudelnde und nicht versiegende Quelle versteckt, aus der immer wieder hervorragende Punkrock-Bands ans Tageslicht befördert werden.
Der Mutterboden, in dem nun die erste Saat der Band IDIOT SIEGE gedeiht, kann als melodischer Punkrock beschrieben werden, der auch gut auf NO IDEA RECORDS aus Gainesville / Florida sein Zuhause gefunden hätte. Dort wäre er in der illustren Gesellschaft von so Bands wie HOT WATER MUSIC oder OFF WITH THEIR HEADS nicht weiter und schon gar nicht negativ aufgefallen. Die Band wäre demnach dort so gut aufgehoben gewesen wie ein Neugeborenes in den wärmenden Armen seiner Mutter.
Aufgelockert wurde dieser melodische Mutterboden durch Hardcore-Einflüsse, die besonders bei den zweistimmigen Shouts zu vernehmen sind. Das Album bleibt in seiner Gänze im Mid-Tempo Bereich ohne Ausreißer nach oben oder unten. Besonders sympathisch und schmeichelnd für meine Ohren finde ich, dass der gesamte Sound der Platte schön rau und kratzig gehalten wurde. Das gilt für den Gesang, mit dem auf Politisches und Persönliches eingegangen wird, genauso wie für den Sound der Instrumente. Gute Arbeit von Jens (DIE ART, FLIEHENDE STÜRME, VERBRANNTE ERDE), der hier nicht am Schlagzeug, sondern in der Funktion des Produzenten tätig war. Richtig Fahrt nimmt das Album meiner Meinung nach mit Reflection Of Self-Hate auf, das mit einer dünnen Schicht von Melancholie überzogen und trotzdem vor Kraft nur so strotzend daher kommt. Danach verliert es seinen Drive nicht und baut seine Power mit dem nach vorne preschenden Song Passion und mit dem durch einen schön schnarrenden Bass beginnenden Twenty Something weiter aus. Letztgenannter ist einer der stärksten Titel der Platte. Beständig geht bis zum Schluss auf hohem Niveau so weiter und bringt dabei mit Paper Chase oder dem oldschooligen Skate-Park-Feger No Trust immer wieder Perlen an die Oberfläche, deren größte Stärke oft die tollen Gitarren Melodien sind.
Auf diesem Album wurden auch die Demo-Songs neu aufgenommen, die vor einiger Zeit auf dem Label Jean-Claude Madame erschienen sind. Insgesamt macht das 12 Songs in gut 28 Minuten. Das schwarze Vinyl kommt im schönen Inside-Out Cover mit dickem Lyric-Inlay.
Eine Mängelkarte kann meinerseits nicht ausgestellt werden, denn bei einem Debüt einer so frischen und jungen Band wäre es ungerechtfertigt, mit der Lupe nach Kratzern im Lack, Beulen im Blech oder Löchern in den Schläuchen zu suchen. Hier darf auch ruhig mal nickend und zustimmend durchgewunken werden! Nach kurzem Stopp beim Punkrock-TÜV von Bierschinken gibt es also ein Kreuzchen ins Checkheft und eine Plakette aufs Schild und die Weiterfahrt ist nicht nur gestattet, sondern ausdrücklich gewünscht!
Denn mit diesem ersten Lebenszeichen ist direkt spürbar, dass diese Band einiges an Potenzial innehat und hier noch einiges passieren kann, wenn die vier am Ball bleiben und das Projekt IDIOT SIEGE weiter betreiben! Also, nachdem hier mit diesem Album nach dem Aufleuchten des zweiten Ampellichts die Beschleunigungstaste gedrückt und gehalten wurde, um wie bei Mario Kart einen Blitzstart hinzulegen, gilt es nun das Rennen in der Poleposition zu Ende zu fahren. Ich jubel ihnen derweil weiterhin von der Tribüne dabei zu!
01. Dark and dim
02. Feeble peace
03. Rat race
04. Reflection of self-hate
05. Passion
06. Twenty something
07. Running out of time
08. Tender lies
09. Fake unity
10. Paper chase
11. No trust
12. Time of my life