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Leon Ladwig:
Alles Scheiße Außer Country

Leon! Ich hab es versucht. Wirklich! Nicht nur einmal! Ganz oft hab ich es versucht, aber dein Album Leon, das schaff ich nicht an einem Stück. Und das, obwohl ich doch dem Country gar nicht mal so abgeneigt bin. Denn du musst wissen Leon, gebürtig, da komme ich vom Land. Tiefste Provinz, da, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, da wo die Misthaufen qualmen und so manches Kind den Traktor eher fahren kann als sein Fahrrad ohne Stützräder. Nun gut, ich muss gestehen, das ich nun schon eine ganze Weile nicht mehr auf dem Land wohne. Denn so hat es mal ein schlauer Mann gesagt, auf dem Land, da sollen die wohnen, die es bewirtschaften. Alle anderen wohnen in der Stadt. So sehe ich das auch! Du doch bestimmt auch Leon, oder? Wo du doch aus Hannover bist! Trotzdem, durch meine Geburt und das Aufwachsen zwischen Bauernhöfen, Feldern und Wäldern, wurde mir eine gewisse Zuneigung zum Country ja schon in die Wiege gelegt. Denn Country ist Musik für Leute auf dem Land, ich bin vom Land. Das ist auch ein Grund, warum ich mich entschied, deine Platte zu besprechen, als wahrscheinlich einziger im Bierschinken-Kosmos, der bei Country keinen Würgereiz bekommt. Daran konnten auch all die Punkrock-Frontmänner wie der schöne Chuck mit all seinen Country-Alben nichts ändern. Also erst mal schon mal Glück gehabt, Leon, denn bei allen anderen hätte es Country = rotes Tuch geheißen!

Ein Verriss auf allen Ebenen in einem unserer gefürchteten Review-Marathons wäre dir sicher gewesen, Leon! Das düstere Schicksal dieser CD war quasi vorherbestimmt. Aber das wollte ich dir ersparen. Denn in diesem Format des Plattenbesprechens wäre den anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufgefallen, was für kleine Perlen sich auf deiner Platte "Alles scheiße außer Country" befinden. Da hätten wir zum einen den Titelsong, bei dem du auch Position gegen so manches, was in diesem Land und auf der Welt schief läuft, beziehst und das weißt du sicherlich Leon, Stellung beziehen und Kritik an den vorherrschenden Verhältnissen üben, das lieben wir Punks! Auch ein Stückchen weiter Richtung Mitte der CD finden sich Songs wie "Das Leben, das du gewählt hast" oder "2-Zimmer-Psyche-Bad", bei denen du beweist, dass du Humor hast und dass du Texte schreiben kannst. Auch wenn mir der Humor manchmal zu nah an dem der PRINZEN, JOINT VENTURE oder der heute Show ist und man meiner Meinung nach beim Texten nicht alles auf Biegen und Brechen reimen muss. Außerdem hätten die Rezensent:innen es dir nicht in dem Maße hoch angerechnet, das du die ganze Scheibe komplett alleine eingespielt hast, wie ich es tue Leon! Auch dein Gitarrenspiel Leon ist so authentisch, dass es in jedem Western Platz finden würde.

Ziemlich sicher bin ich mir zudem bei der Annahme, dass sich die Beteiligten beim Review-Marathon niemals bis zum Ende dieser CD durch gekämpft hätten. Dabei hätten sie den für diese Rezension ausschlaggebenden Song, diesen Hit, den ich als einzigen schon mehrfach, ja sogar mehrfach hintereinander gehört habe, versäumt. Ich spreche natürlich von "Ich fahre niemals Auto". Leon, was soll ich sagen, ich liebe ihn und weißt du was? Er trifft mich nicht nur mitten ins Herz, nein, ich fühle ihn vollkommen und zwar weil ich nach meinem Wegzug vom Land vor vielen Jahren und dem dadurch auf einmal überall verfügbaren öffentlichen Verkehrsmitteln das Auto fast ganzjährig stehen ließ. Zum Teil, weil man nirgends Parkplätze findet, wie bei dir in Hannover Leon, zum anderen aus genau den Gründen, die du in deinem Song besingst. Das ist natürlich alles furchtbar lange her, damals war ich jung und leichtsinnig, heutzutage würde ich so was alles niemals mehr machen. Leon, das schwöre ich beim heiligen Hut von Hank Williams. Trotzdem, ich kann mich gut an diese schönen und sorglosen Zeiten erinnern, in denen ich oft berauscht in einer S- oder U-Bahn saß. Ach Leon, hättest du diesen Song doch schon zehn bis zwanzig Jahre früher aufgenommen! Ich wäre zur Not auf einem dreibeinigen Gaul bis nach Hannover geritten um dich dankend zu umarmen und dir all deine CDs abzukaufen.

Dass du am Ende beim Bonus Track "Endzeitmanifest" in den Reggae abgerutscht bist, was sich zum einen für einen Country Musiker nicht gehört und zum anderen bei allen in der Bierschinken-Redaktion außer mir starken Schluckauf verursacht, hast du selbst gemerkt oder Leon? Zudem dürfte alles schon ein wenig dreckiger sein, nicht nur der Gesang, allgemein klebt mir hier zu wenig Staub, Schießpulver und Pferdescheiße am Sound. Was soll's! Hannover ist halt nicht Tennessee!

Abschließend muss ich trotz des kurzen Gemeckers von gerade und dem Umstand, dass ich es nicht schaffe, die Platte ausgiebig zu hören, sagen: Gut gemacht, Leon! Ich schieße dir zu Ehren dreimal mit meinem imaginären Colt in die Luft!

PS: Danke! Meine Kinder haben sich sehr über den beiliegenden Sheriff-Stern gefreut. Karneval war gerettet. Dumm nur, dass es im Anschluss daran lange Erklärungen bedurfte, um ihnen klar zu machen, dass der Sheriff und seine Deputys im wirklichen Leben oft nicht die Guten sind und man sich vor ihren locker sitzenden Colts in acht nehmen sollte!

Peter 04/2023
Hörprobe:
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Leon Ladwig - Alles Scheiße Außer Country

Stil: Country
VÖ: 01.07.2022, CD, Kamikaze Records


Tracklist:

01. A.S.A.C. Intro
02. Alles scheiße außer Country
03. Am Ende meiner Zeit
04. Geister
05. Das Leben, das du gewählt hast
06. Flying Ellbow
07. 2-Zimmer-Psyche-Bad
08. Gestern (war das Leben noch so schön)
09. Ich hasse Techno
10. Ich fahre niemals Auto
11. Der Sheriff ist ein Killer
12. Endzeitmanifest (Bonus Track)




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kraVal
(kraVal)
17.04.2023 14:49
Großartige Rezi, Peter <3
Bönx

17.04.2023 15:11
Wollte es gut finden, klappt leider nicht.

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