"Die ewige Wiederkehr des Gleichen", wie Nietzsche damals sagte, geht der neuen Generation gehörig auf den Sack, und nicht nur der auch die meinige Generation, so behaupte ich jetzt mal, ist zunehmend von all dem sich seit Äonen Wiederholendem im deutschen Punk angeödet. Da hätten wir zum einen das nun eigentlich ausreichend beackerte Feld des Post-Punk, in dem nun wirklich jeder Moll-Akkord genügend abgeliefert wurde und zum anderen das vor Klischees triefende Sub-Genre des Deutschpunks. Als Beleg für meine These nehme man nur mal die Rezension zum Album der Band ALTERNATIVE FAKTEN zur Hand, die Lux hier vor kurzem so treffend formuliert hat. Nun könnte man eigentlich all das Geschriebene von Lux nehmen und 1:1 auf diese mir hier vorliegende Veröffentlichung der ostfriesischen Band DAS BILDUNGSBÜRGERTUM übertragen. Denn diverse von Lux beschriebene Merkmale einer Deutschpunk-Band finden sich auch hier. Der Iro-Punk (wenn auch mit Vollbart, was definitiv Abzüge gibt), ist am Start. Der Metal-Typ könnte auch vorhanden sein, zumindest ist jemand mit langen Haaren anwesend. Es wurden dem fetten Sound Metal- und Ska-Einflüsse hinzugefügt (Warum könnt ihr es denn nicht lassen? Warum? Warum? Warum?). Alles wie immer also? Ja, wäre da nicht die Abwesenheit von Saufsongs und was am wichtigsten ist, das von meinem abweichende Humorverständnis, wie es der Fall bei so vielen Vertreter:innen im Deutschpunk ist, ist hier nicht gegeben. Denn der Humor der vier Dorfpöbel trifft voll ins Schwarze, wie sie einem gleich beim Opener beweisen, wenn es da heißt:
Du bist einer dieser Leute
Samstags in der Bahn
Und ich weiß nicht, wie man so früh
Schon so besoffen sein kann
Du schreist laut: "Scheiß HSV!" Packst deiner Freundin an den Arsch
Ich will euch nicht, nicht, nicht, nicht stören
Aber bitte haut ab
Olé, olé, ich wünsch euch Tränengas und Pfefferspray, olé
Wenn ich im Ruhewagen wutgeladen Fußballfans erleb'
Gefangen in 'ner Schlagerparty, rate mal wie wunderbar's mir geht
Olé, olé, sitz im IC nach Bremen
Die Bullen fragen: „Werter Herr
Wie können Sie das erklären?"
Ich sag: „Das war Notwehr
Das war, das war Notwehr"
13 Leichen im Gleisbett
Und es werden immer mehr
Mit einer fast schon unverschämten Leichtigkeit setzen sie dies in den folgenden Songs fort, wenn sich da erfolgreich drüber aufgeregt wird, warum so manche Gastronom:innen es partout nicht schaffen, ihre Speisen (hier: Nudeln) vegan zuzubereiten oder wenn man sich fragt, ob die Briefbombe bei einem der größten Fleischproduzenten Deutschlands nie angekommen ist. Am Ende bleibt einem dann trotz all des feinen Humors das Lachen im Hals stecken, wenn in "Ode an die Zäune" reflektiert wird, warum für die europäischen Grenzen, für die einen kaum wahrnehmbar sind und für die anderen tödlich sein können. Insgesamt gesehen beinhaltet das Tape also fünfeinhalb Punksongs, die sich alle um das eine drehen: Gewalt, ob politisch oder leidenschaftlich, staatlich oder individuell. Auf der B-Seite des Tapes findet sich als kleine Dreingabe die erste EP aus dem Jahr 2022, auf der sich der Hit "Bahnhof Westerstede-Ocholt", mit dem sie schon damals die Aufmerksamkeit auf sich lenkten, befindet.
Die Band sollte man zukünftig im Auge behalten!
01. OLÉ, OLÉ
02. Warum sind Eure Nudeln nicht vegan?! (Ich raste aus)
03. Clemens T.
04. V-Mann
05. ...auch die tollsten Demokraten (Skit)
06. Ode an die Zäune
Toxo 16.05.2023 08:36 |
Mmh, Nudeln. Ist das der sänger von Diensthund ? |
Toxo 18.05.2023 00:24 |
Lese das aktuelle plasticbomb und kann mir die Frage selbst beantworten: nein. Danke Fachpresse ! |