Es gab mal eine Zeit, da kam man um einen Auftritt von Dave Collide fast nicht drum herum. Zumindest nicht in Süddeutschland und es gibt sogar Storys von Menschen, die wollten einfach nur mal kurz morgens zum Bäcker und da stand er auf einmal hinter der Theke und begrüßte sie mit seiner Klampfe. Wiederum andere berichten von einer zufälligen, musikalischen Begegnung auf irgendeiner Kneipentoilette. Kurz gesagt: Dave Collide hat sich in den letzten 100 Jahren mit seiner Akustikgitarre ziemlich den Arsch abgetourt. Kein Stadtfest, keine Möbelhauseröffnung und keine Jugendhausbühne war sicher vor den zuckrig-süß-melancholischen Akustik-Punk-Songs vom sympathischen Dave, mit dem man nicht nur ertragreiche, abendfüllende Gespräche führen, sondern auch jederzeit prima über 90er Fatwreck-Skatepunk schwadronieren kann. Den Style, den hörte man bisher auch immer aus seinem Songwriting raus, sei es solo oder bei seiner Band BIKE AGE, alles irgendwo zwischen NOFX, Frank Turner und vielem mehr, aber eben reduziert auf Stimme und Saiteninstrument.
Dementsprechend erwartete ich natürlich bei einem Full-Length-Dave-Collide-Album, mit dem er übrigens alles auf eine Karte setzt (100% D.I.Y., nur noch Mucke machen und Konzerte spielen 24/7, der Typ hat Bock) 12 durchgeklampfte Akustikpunksongs in angemessenem Produktionsgewand. Doch was dann aus meinen gammeligen Boxen im Toyota herausballerte, blies mir schier die Truckermütze vom Schädel und ich war versucht, alle paar Sekunden dem lieben Dave (er ist wirklich sehr lieb, würde sagen: Schwäbische Ingo Donot) eine Sprachnachricht voller Erstaunen und Begeisterung zu schicken. Auf alle Songs von WHY NOT?! einzugehen wäre zu viel des Guten, aber ein paar möchte ich dennoch gern ausleuchten und hoffe dabei, dass ihr nicht dumm seid und euch das Album wenigstens ein- bis dreißig Mal reinzieht.
"Hi!" - So vielen Bands wollte ich schon die Gurgel rumdrehen und ihnen sagen: Nehmt euch nicht so ernst und schreibt gefälligst mal einen Song über euch selbst, z.B. "Hallo wir sind die Nerven und wir sind richtig cool...etc". Meine Freude war riesengroß als ich hörte dass Dave genau DAS getan hat. Hier wird einfach die Situation an sich abgefeiert und außerdem wird bereits jetzt beim Hören deutlich: Das ist kein gewöhnliches Solo-Klampfi-Klampfi-Folkpunk-Album, hier kommen dutzende Instrumente zum Einsatz. Es wird Wert gelegt auf Abwechslung und wirklich starken Sound. "Final Feast" geht anständig nach vorne und beweist sofort Daves Können, einen tollen Refrain zu basteln, auf den man sich bereits während der Strophe freut. Der wird auch akustisch funktionieren! "Be Loud" ein ungewöhnlich waviger Song mit leichtem THE-CURE-Anstrich. Bockstarker Chorus mal wieder, absoluter Hit. Bei "Don't be a Dick" gibt es ein Duett mit Linh von BAD COP/BAD COP, wieder eine Verbindung zu Fat Wreck, ein flotter Folkpunk-Fetzer mit wichtiger Message. Sogar zwei deutschsprachige Lieder haben's aufs Album geschafft, aber welches Werk ich unbedingt noch hervorheben will, denn es veranschaulicht nochmal dass wir es hier NICHT mit trivialem Stückwerk zu tun haben, welches der Dave in der Thekenpause vorm Juha West in sein Handy diktiert hat: Der Song "Lemons (feat. Robella)" ist ein astreiner Popsong mit korrekt positionierten Backgroundvocals, groovigem Beat und einem Songwriting welches so auch auf einem Taylor-Swift-Album zu finden sein könnte und das meine ich nicht als Beleidigung, denn Taylor-Swift-Songs sind oft ziemlich super. Einziges Manko: Das Stück ist leider ca. 20-25 Sekunden zu lang. Das würde mich wirklich interessieren, wie er "Lemons" live nur mit seiner Gitarre performt.
Dickes Lob: Ich habe schon lange nicht mehr so ein professionell abgemischtes und feinfühlig produziertes Album gehört. Die Songs sind wahnsinnig stimmig, mit sehr gutem Timing versehen und ausgewogen, kreativ und DAVE COLLIDE überlässt nichts dem Zufall. Ebenfalls beachtlich was aus seiner sowieso schon charismatischen Stimme rausgeholt wurde. Vermutlich ist Dave immer noch über jeden Gig und jede Supportmöglichkeit dankbar, also bucht ihn sofort für die nächste Show, euren Geburtstag oder zum Spezialevent im Plattenladen. Er hat sich vom Standard-Wandergitarrenpunk zum ernstzunehmenden Singer-/Songwriter entwickelt und kommt mit ein paar herausragenden Punkrockhits im Gepäck, die nicht einfach so nebenher im Starbucks durchlaufen könnten. Bei der Platte greifen bitte alle zu denen der erwähnte Sound und die genamedroppten Bands taugen und die sich von guter Laune und ein bisschen Kitsch und Melancholie nicht abschrecken lassen. Ganz ehrlich: Ich hätte das selbst nicht so erwartet!
1. Hi!
2. Final Feast
3. Be Loud
4. Stop Eating Our Friends
5. D (feat. Marliina)
6. Don't Be A Dick (feat. Linh Le of Bad Cop/Bad Cop)
7. Why Not?!
8. Hast Du Gesagt
9. Lemons (feat. Robella)
10. Walk Alone
11. Raised A Christian
12. Anker