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The Plastic Smile:
The Night Before We Left

The boys are (once again) back in town!

 

Es ist immer ein sehr besonderer Moment, eine neue Platte das erste Mal in Händen zu halten und anzuhören. Noch etwas besonderer(erer) ist das bei Platten von Bands, die einem viel bedeuten.

Deshalb war ich auch äußerst gespannt, was das neue The Plastic Smile Album - das erste seit Hearts&Souls/Flesh&Bones aus dem Jahr 2014 und dazu noch veröffentlicht im unglaublichen 30. Jahr der Bandgeschichte - wohl zu bieten hat.

Doch zunächst eine kurze Rückblende:

Es war der 29.04.2023, ich war mit meiner Band in Künzelsau, um gemeinsam mit Planet Watson, Mainström und Dankeschatz das dortige Jugendhaus zu zerlegen.

Äh Moment, was hat das jetzt mit The Plastic Smiles jüngster Veröffentlichung zu tun?

Es ist nicht das, wonach es aussieht - ich kann das alles erklären…

Nun, ich habe bei diesem Konzert im Kokolores - überraschenderweise und nach gefühlt einer Ewigkeit - mal wieder Dani von the Plastic Smile getroffen, der an dem Abend bei Planet Watson am Schlagzeug ausgeholfen hat. Dieses Wiedersehen hat mich wirklich sehr gefreut. Wir kennen uns schon über ein Vierteljahrhundert und uns verbinden viele gemeinsame Momente. Zum ersten Mal begegnet sind wir uns 1998 bei einem gemeinsamen Konzert, wir spielten 2005 eine zweiwöchige Tour zusammen und ich begleitete unzählige Konzerte als Livemischer von, damals noch, Scrambled Eggs - just to name a few. Als sich meine damalige Band dann aufgelöst hat, haben wir uns in der Zeit danach etwas aus den Augen verloren. Ich habe aber das Treiben der drei Jungs aus Ludwigsburg immer aufmerksam aus der Ferne verfolgt.

Nach den ersten beiden Releases von The Plastic Smile (2010 und 2014), auf die dann eine sehr lange Pause folgte, hatte ich eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet, dass da je noch einmal neue Musik den Weg in meine Lautsprecher finden würde - aber unverhofft kommt bekanntlich oft!

Und an dem Abend waren es gleich zwei unverhoffte Dinge: Erstens, dass ich Dani getroffen habe und zweitens, dass er mir erzählt hat, dass nach ein paar „just for fun“ Bandproben mit TPS sehr schnell klar wurde, dass die drei nach fast 10 Jahren Pause wieder gemeinsam Musik machen wollten. Sie waren sich ebenfalls einig, nicht nur den „alten Mist“ spielen zu wollen und haben dann eben mal schnell so viel neue Songs geschrieben, dass daraus wohl ein ganzes Album werden würde. Achja und dass sogar schon die Aufnahmen im Studio laufen!

Wow, das war ein Hammer und ich als alter Wegbegleiter und Fan der - zumindest - frühen Stunde war ab da natürlich hibbelig wie ein kleines Kind zwei Tage vor Weihnachten.

Und ziemlich genau ein Jahr später haben die Jungs jetzt das - mittlerweile auch schon - dritte Album unter ihrem neuen Bandnamen veröffentlicht (Man verzeihe mir das „neu“, aber für mich werden Dani, Dome und Martin zumindest im Hinterkopf wohl immer irgendwie „Scrambled Eggs“ oder kurz „die Eier“ bleiben)

Und damit spannt sich jetzt der Bogen vom Hohenlohischen zu dieser Plattenbesprechung. (Ich hoffe ich habe den mit dieser autobiografisch angehauchten Einleitung jetzt nicht allzu sehr überspannt!)

Bevor wir jetzt in die einzelnen Songs einsteigen, noch ein paar allgemeine Anmerkungen:

Was mich an dieser Band schon immer fasziniert hat: Sie hatte seit spätestens dem zweiten Album (Scrambled Eggs - Pi-Rock) ihren Grundsound gefunden. Das heißt nicht, dass alles danach nur ein Abklatsch war. Absolut nicht. Die Band hat sich über die Jahre (oder besser Jahrzehnte) in allen Details weiterentwickelt und perfektioniert. Aber der Grundsound war und ist immer herauszuhören. Wie geht sowas? Mit nichtmal 20? Sensationell! Die Band war einfach von Anfang an komplett: Grandioses Songwriting, ein untrügliches Gespür für die wirklich großen Refrains, mehrstimmige Gesänge zum Dahinschmelzen, dazu eine gute Portion genretypische Schnelligkeit und garniert mit etwas - nicht ganz so genretypischer - Härte. Fertig ist das Rezept für großartige, melodische Punkrock Songs from LB-City to your heart.

Auch wenn ich nachvollziehen kann, warum viele Releases heutzutage nur noch als Singles und über Monate verteilt das Licht der Welt erblicken, gefällt mir, als traditioneller Album Hörer, natürlich ungemein, dass The Plastic Smile diesen Trend nicht mitgegangen sind und ganz klassisch ein full length Album auf CD (und natürlich digital auf allen Kanälen) herausgebracht haben. So kann man sich jetzt auch nicht nur über ein oder zwei neue Singles freuen, um dann erstmal wieder mehrere Wochen vertröstet zu werden. Nein, hier gibt’s auf einmal 12 - in Worten zwölf - nagelneue Songs am Stück - und nicht geschnitten.

Zum Albumrelease gab es vorab ganz klassisch zwei Singles, die jeweils mit einem Musikvideo promoted wurden. (Siehe Tracklist)

And now, without further ado:  The “Plastic Smile - The Night Before We Left”

Die Songs im Einzelnen:

Pass The Torch
Klassische Punkrock up-tempo Nummer. Man fühlt sich sofort zu Hause. Schnelle Drums, eingängige Gitarren. Gesänge, die sofort ins Ohr gehen und ein Refrain, den man aus dem Stand mitsingen kann. Die atmosphärische Bridge baut eine schöne Spannung auf, die sich dann im finalen Refrain und Outro entlädt. 4 Takte Moshpart. Aus. Hui - Klasse Opener!

The Night Before We Left
Der Titelsong. Ich tu mich mit diesem Konzept aber immer etwas schwer. Ein solcher Song hat durch den Titel immer irgendwie eine höhere Messlatte zu überwinden. Ob das gut geht? Bin gespannt!
Diese Nummer kommt im - für gesetztere Punkrocker*innen - angemessenen mid-tempo daher. Der Song fühlt sich auch etwas nachdenklicher an aber mit einer positiven Stimmung. Ein Blick auf die Lyrics unterstreicht das. Hier geht es um das wiederaufleben lassen der Band nach der langen Pause und der Erkenntnis, dass sich eigentlich nichts geändert hat, man immer noch derselbe ist und es sich einfach nur gut anfühlt wieder gemeinsam Musik zu machen.
Musikalisch ist „The Night Before We Left“ nicht so eingängig wie „Pass The Torch“. Der Pre-chorus ist aber ein schöner Kopfnicker und der Refrain bleibt auch sofort hängen. Gut gefällt mir die „Party“ in der Bridge. Man steht gefühlt mit einem Bier im TPS-Proberaum und stößt mit an auf die Reunion. Prost! Ok. Die Messlatte ist überwunden. Mit mindestens ner handbreit Luft.

Non Player Character
Das Tempo zieht wieder etwas an. Der Track erinnert spontan an eine Mischung von No use und Millencollin, zumindest was Dome da mit der Gitarre anstellt. Inhaltlich geht es um die Alltagstretmühle der Erwachsenenwelt und die Selbstzweifel, ob man dieser gewachsen ist. Themen die Ü40 nun mal relevant sind. Hab ich schon erwähnt dass TPS die besten Refrains schreiben?

Haunted By Your Ghost
Wir bleiben beim mid-tempo und leihen uns ein paar Stilmittel bei den Foo Fighters. Insgesamt kommt „Haunted By Your Ghost“ ruhiger daher als die bisherigen Songs. Die Verschnaufpause tut gut. Wir sind alle nimmer die Jüngsten.

Storm The Gates
So, Pause zu Ende, das Tempo ist wieder bei über 180. Hier kommt wieder ein schöner Punkrock-Kracher der gut am Gas hängt. Die Bridge überrascht und schaltet 3 Gänge zurück. Geschmackvolle Gitarrengebirge mit Delays, die man auch an U2 verkaufen könnte. Danach hangelt sich der Song wieder zurück auf das Energieniveau vom Anfang. Der finale Refrain ist dann nochmal richtig fett. So muss das!

Concrete Walls
Die erste Single. Zurecht. Mein lieber Scholli ist das ein starker Song. Mid-tempo, getragene Instrumentierung, die dem Gesang mit Gänsehautgarantie viel Platz lässt. Kein pubertäres Vordrängeln einzelner Instrumente, sondern Gentleman like die Tür aufhalten. So schreibt man Hits, boys and girls!

Zombies In The Skies
Und gleich die zweite Single hinterher. Ganz anderer Vibe als Concrete Walls. Hier sieht man wie vielseitig die Jungs Songs schreiben können, die immer 100% nach ihnen klingen. Der Text spielt wieder mit dem alltäglichen Wahnsinn, dem man aber nicht entflieht sondern so weit mit antreibt, dass man - karikiert und überspitzt - als Zombie endet.

King Of Fools
Ein Song über Selbstdarstellung, Überheblichkeit und Narzissmus und wie gerne man solche Menschen aus seinem Leben heraushalten möchte. Schnörkellose up-tempo Punknummer, insert circle-pit here!

Same Same But Older
Das Tempo mäßigt sich erneut. Passt zum Text. Es geht ums Älterwerden, Dankbarkeit für Erlebtes im positiven wie negativen Sinn und dem Willen, trotz oder gerade wegen der Endlichkeit des Daseins weiter zu machen. Das Leitmotiv im Refrain, die sich durchgängig wiederholenden 3 Abschläge der Akkorde, spiegelt die kraftvoll trotzige Grundstimmung des Songs und der Lyrics sehr schön wider.

Salute To A Friend
Das thematisch schwerste, musikalisch düsterste und gleichzeitig längste Stück auf dieser Platte. Das Thema Tod wurde hier sehr behutsam arrangiert. Gebrochen gespielte Gitarrenakkorde, reduziertes Schlagzeug. Ein großer, schwerer Refrain der jeweils mit einer Hoffnung verbreitenden Wiederholung des Textes endet. Die Bridge beginnt fast schon wütend und wird dann durch einen langgezogenen, anklagenden Chor in den letzten Refrain geleitet. Das Outro schwingt sich weit nach oben und der offene Akkord am Ende bleibt dann über allem schwebend und unter Spannung stehen, lässt aber keinen endgültigen Schluss zu. Stark umgesetzt.

Divided
Musikalisch mit Sicherheit der außergewöhnlichste Song auf diesem Album. Es beginnt mit einer sich immer weiter steigernden Rhythmuswand, die aus einem schweren Gitarrenriff - das zunächst punktuell von Drums und Bass gestützt - zu einem Full-Band Brett heranwächst, dabei immer weiter Spannung aufbaut und bis zur Spielzeit 01:20 Min. keine Auflösung der Akkordfolge zulässt. Ist das noch Punk? Spätestens ab 01:21 Min. ja. Und was für einer. Die ganze angestaute Energie entlädt sich im schnellsten Stück der Platte das mit viel Wut im Bauch aus den Boxen schreit. Das Hauptgitarrenriff würde Chris Hannah sicher auch gut zu Gesicht stehen. Dem Stück hört man an, dass Dome und Daniel in der TPS-Pause in härteren Gefilden unterwegs waren und auch diese Spielart beherrschen.

Connected
Eine Rückblende auf 30 Jahre Bandgeschichte mit ihren Höhen und Tiefen und der unendlichen Dankbarkeit das alles erlebt habe zu dürfen. Dass das auch alles ehrlich gemeint ist und nicht nur sentimentale Plattitüden sind, erkennt man an dem augenzwinkernden Schmankerl zum Schluss. Der Song endet mit einer Hommage an Green Day, die für The Plastic Smile wohl stilprägendste Band. Das Schlussbreak von „Burnout“ (Dookie) setzt das Ausrufezeichen hinter eine rundum gelungene Platte und hinterlässt ein Grinsen beim Zuhörer, der schon wieder nach der Fernbedienung greift und auf die „1“ drückt.

 

Was sonst noch zu sagen ist:

Produktion
Die Platte wurde von Timo Fielker und Benjamin Hölle im Jumbo Shrimp Studio in Ludwigsburg aufgenommen, gemischt und gemastert.
Die Produktionsqualität lässt für mich keine Wünsche offen. Die Platte klingt rund und druckvoll, setzt Postproduction Spielereien und ear candies zielsicher und geschmackvoll ein und wirkt daher nie überproduziert. Moderner Sound mit Garagenattitüde könnte man sagen. Die Arrangements sind so groß wie sie sein müssen, um auf Platte zu wirken. Dabei bleiben sie aber stets so glaubwürdig, auch live von einer 3-köpfigen Band mit der gleichen Dichte und Energie rübergebracht werden zu können!

Artwork
Das Cover ist so ehrlich und authentisch wie die Musik und die Band. Ein Foto, drei Freunde, die sichtlich Spaß haben an dem, was sie tun.
Und Schwarzweißbilder sind schmeichelhaft, wenn der Bart schon bissel grau wird, gell ;-)

Wo gibt’s das gute Stück?
„The Night Before We Left“ ist bei 30 Kilo Fieber Records erschienen und dort über den Webshop auf CD im Digipack zu bekommen. Alternativ zum Streamen oder Runterladen bei Bandcamp und dann natürlich auf den einschlägigen Streaming Plattformen. Aber noch besser, ihr geht auf eine The Plastic Smile Show, erlebt die Energie und Spielfreude live und steckt euch dann die CD in die verschwitzte Hosentasche!

Anspieltip
Jetzt mal ehrlich, wer keine knappe Dreiviertelstunde übrig hat, die Platte wenigstens einmal am Stück anzuhören, hat doch die Kontrolle über sein Leben verloren! Ok und für alle die jetzt doch nur noch 10 Minuten haben, weil dann die KiTa aus ist, empfehle ich

Concrete Walls und Divided

(Aber bitte so laut, dass die anderen Eltern auf dem Parkplatz auch was davon haben!)
Eine Begründung warum gerade die beiden Songs hab ich nicht. Den Rest hört ihr dann eh, wenn die Kids im Bett sind! 

Fazit
The Plastic Smile bleiben sich treu. Die Platte ist kein progressiver Post-Punk-Rad-Neu-Erfinden Firlefanz, sondern einfach eine großartige, gradlinige  Punkrockplatte in allerbester 90er Manier. Und das ist gut so!

Erstens, weil wir alle damit groß und mittlerweile alt geworden sind, dieser Stil sich nach wie vor super anfühlt und einfach Spaß macht beim Zuhören. Wir sind doch alle Nostalgie-Romantiker, die das bloß ungern zugeben, nicht?

Und zweitens, weil das einfach geile Mucke ist. Warum soll man was anders machen, wenn´s doch einfach passt?

Ich bin davon überzeugt, dass „The Night Before We Left“ aufgrund ihrer zeitlosen Qualität nicht nur was für Punkrocker*innen mit „Rücken“ ist, sondern auch „junge Hörer*innen“ und „Neueinsteiger*innen“ begeistern kann - und wird, so wie mich vor 25 Jahren die „Pi-Rock“ schon von den Füßen geholt hat.

Und lasst uns jetzt bloß nicht wieder 10 Jahre warten bis zur nächsten Platte, bitte. Danke!

Lödfortydown 08/2024
Hörprobe:
Bitte hier klicken, um diese Einbettung von Bandcamp zu aktivieren.Mehr Infos, wie wir mit Einbettungen von externen Anbietern umgehen, hier.
The Plastic Smile
Musikstil: Melodic Punk
Herkunft: Ludwigsburg
Homepage: https://linktr.ee/theplasticsmile
The Plastic Smile - The Night Before We Left

Stil: Melodic-Punk
VÖ: 12.04.2024, Digipak-CD, 30 Kilo Fieber Records


Tracklist:
1. Pass The Torch 03:24
2. The Night Before We Left 03:18
3. Non Player Character 03:53
4. Haunted By Your Ghost 03:18
5. Storm The Gates 03:23
6. Concrete Walls 03:28 (Single)
7. Zombies In The Skies 03:10 (Single)
8. King Of Fools 02:58
9. Same Same But Older 03:04
10. Salute To A Friend 04:34
11. Divided 03:21
12. Connected 03:16
 

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