Atzenrap – Gibt' s das noch?
Pünktlich zum (letztjährigen) Sommeranfang hier ne richtig herzerwärmende Platte. Gratismentalität von Hartz Angels ft. Florida Klaus.
„Es ist immer die selbe Kacke“. Sagen sie selbst im zweiten Track. Es geht da wohl um den Vermittler vom Arbeitsamt, aber ich lese das auch musikalisch. Atzenrap. Ich wusste gar nicht, dass das noch jemand macht. Ich bin ja auch fremd im Rap und mag's da gar nicht. Aber bei Ikkimel oder Papke hör ich schonmal rein, wenn's stumpf sein darf und ballern muss (wobei Ikkimel schon lustig textet). „Verjunkt“ von Papke kommt mir öfter in den Kopf. Find ich das nur gut, weil er rapt „ich lebe wie ein Punk“? Bin ich so leicht zu beeinflussen? Naja, das ist für mich halt einfach zeitgemäßer. Es ist das Zeitalter des Punk (mal wieder).
Und dabei sind die Jungs hier gar nicht weit vom Punk entfernt, denn das Label „Kein Bock Originals“, auf dem die EP „Gratismenatalität“ erscheint, ist eine Handelsmarke der F&M Feral Media GmbH, unter denen wiederum auch Aggressive Punk Produktionen (muss wohl nicht näher erläutert werden, oder?) firmiert.
Florida Klaus kann man auch als Captain Gips von Neonschwarz (Audiolith) kennen. Muss man aber nicht. Ich musste es halt auch recherchieren.
Ich fühle mich unfreiwillig an "Plastikpalmen und Billigbier" erinnert. Eine Kollaboration von Illoyal (heute die Hälfte von neuzeitliche Bodenbeläge) und einem Kerl namens Schulte. Die Produktion klingt heute sehr roh und ist nicht gut gealtert. Trotzdem hat sie mehr Kante als diese Beats von Jellybeatz (no front. Es scheint da ja nen Markt für zu geben, aber ich kann mich zu jenem Markt nicht zählen).
"Plastikpalmen und Billigbier" ist von 2008. Das sind jetzt 16 Jahre. Ist das schon der Zyklus für ein Comeback? Der „ironische“ Schlager ist ja auch wieder im Spiel, nachdem Alexander Marcus Werbung für Aldi und Golden Toast macht. Und siehe da! Papaya kam auch 2008 raus. Auch wenn der Track glaub ich jahrelang durch den Äther schwirrte, bevor dann auch Arte Tracks auf Alexander Marcus aufmerksam geworden sind.
Zurück zum Thema! Die Instrumentals hier erinnern mich ein bisschen an Stefan Raab, der ja wiederum auch gerade ein Comeback feiert. Discobläser und „life is easy auf den Nacken vom Staat“. Weiß nicht, wer das heute noch fühlt. Ich nicht. Also wessen Lebensrealität ist das denn? Arne ist tot und nachdem Butter dieses Jahr nochmal teurer werden soll zum Weihnachtsgeschäft, wie der Panikticker in meinem Smartphone-News jetzt schon warnt, kann doch echt keiner sagen, Life unter der Armutsgrenze wäre easy.
Das sind doch irgendwie alte Clichées aus den RTL-Abendnachrichten. Entspannt leben auf Hartz 4. Naja. Ich kann den Song leider nicht zu Ende hören. Text ist nicht hinterlegt, aber ich erwarte jetzt keine Plot Twists. Naja, er klaut im Supermarkt Sekt und kotzt ins Bett, weil er Alkohol nicht verträgt. Das ist schon lustig, aber ich find den ganzen Rahmen so unangebracht.
Bei "Couchkingz" warte ich ein bisschen darauf, dass ein Chor „Bertie Voigts“ zum Besten gibt.
Versau ich mir jetzt damit den Spotify-Algorithmus? I am never going to recover from this.
"Low Performance" handelt von mangelnder Arbeitsmoral. Das ist vermutlich gut gerappt und die Produktion ist halt top Level, aber mich berührt das nicht. Also es ist halt zu professionell, um glaubwürdig ambitionslos zu wirken. Und ja, das ist ja der Witz und die Prämisse, aber hab ich schon erwähnt, dass ich das unglaubwürdig und unzeitgemäß finde?
"Samba" kommt rein mit nem Sample aus was nach Shopping TV klingt. Ein Synth wie aus den besten Jahren des Rap. Da heißt es „dein Weltbild veraltet wie Discofox“. Also auf ungewollt ironische Weise kommt das durch.
Ronnie und Klaus. Ich check's nicht. „Samba. Ich fütter die Enten.“ Dann lieber „alt sein“ von Pisse. Mir fehlt hier vielleicht einfach der Hass. Also wer am Rand der Gesellschaft vergammelt auf Hartz4, der fühlt sich nicht so, glaube ich. Der ist entweder voller Hass oder voller Resignation. Der macht entweder gar nichts mehr oder etwas, das aggressiver ist, als das hier. Auf entspannt Hartz 4 ist so ne Mär von Menschen, die die Welt brennen sehen wollen.
"Asilettenrap" kommt mit nem Scratch rein wie aus den besten Zeiten längst vergangener Musikgeschichte. „Her mit den Tantiemen und ab auf die Malediven“.
Ich wünsche dabei viel Erfolg.
P.S. die letzten Vinyle von Hartz Angels (nicht diese VÖ, sondern ein älteres Album) gibt’s für 5€ im Ausverkauf vom online Shop. Gönne sich, wer kann.
PissPisse () 01.10.2024 13:57 |
"Arno Dübel ist tot." Ist gemeint, nicht "Arne ist tot". Sorry ! |