Ein durchdringender, hysterischer Blick, gefletschte Zahnspangenzähne eines Teenagergesichts. Weit aufgerissene, gelb getuschte, trändende Augen entwachsen starrend dem Wahnsinn. Unter dem linken Auge der Albumtitel "Wereldwaan" tätowiert, die Haare lila gefärbt. Das Kind der EP "EN/EN" ist in die Pubertät gekommen. So ist auch die Musik des ersten Langspielers der belgischen MARIA ISKARIOT von adoleszentem Wahnsinn geprägt. Es wird geschrien, gesungen, geflüstert, gestöhnt, gesprochen, gekreischt. Dazu ein klarer kalter und gleichzeitig warm verzerrter Sound voller Melodien aus Lärm, zarten Harmonien auf treibendem Krach. Faszinierend und nervtötend.
"Wereldwaan" ist voller Dynamit/k. Der nächste Ausbruch lauert hinter jeder Ecke und eine dreckige Rhythmusfraktion taktet den Abriss durch die dynamisch gestalteten Midtemposongs. Darüber liegt mitunter eine hallende Dreamgitarre, die im nächsten Moment wieder völlig dissonant die Melodie warm zerrend zerlegt. Auch die Stimme von Helena Cazaerck und ihren Mitstreiter:innen zerfetzt es immer wieder. In jedem Song wird mindestens einmal geschrien (= sehr gut). Hier bilden Albumtitel (dt. Weltwahn), Covergestaltung und Inhalt eine brodelnde Einheit, die grungig im Kern und punkig in der Attitüde ist. Würde die 20-jährige Pipi Langstrumpf mit Rumpelstilzchen und der Hexe Annabell in einer Riot-Grrrl-Band spielen und ihre flämischen Texte um ein Feuer herum tanzend in die Welt schreien, "Wereldwaan" wäre die Referenz.
An diesem Feuer aus den Resten des von MARIA ISKARIOT vorher zerlegten Tanzsaals endet das Album mit "Niets Gaat Verloren". Ein nicht so ganz wohltemperiertes Klavier begleitet mit einer etwas sperrholzigen Akustikgitarre den Abgesang des ums Feuer sitzenden und mitsingenden Ghenter Quartetts.
Ein eingängiges "Bedankt" habe ich auf "Wereldwaan" nicht gefunden, aber eine vielfältige Ladung spannend verpackten Trotzes, die besonders live zünden sollte.
