So, da ist es also, ein neues Goldzilla-Album, heiß erwartet, nach über einem Jahr Livepause, die nachweislich nicht tatenlos verstrichen ist. Ich war mega gespannt, wer neue*r Gegner *in sein wird. Wer oder Was kann sich nach Robohitler, Dortmund, die Blumen des Schreckens und Günther and the Jauchs als würdige*r Antagonist*in behaupten? Na klar, es kann nur eine*n geben: Endgegner*in vieler meiner Freund*innen, aber auch ein wenig dieser Rezi (die Deadline projiziert ihren Countdown auf meine Retina und immer wenn ich die Augen schließe, zählt sie runter, diese verdammte Uhr)- DIE ZEIT.
Ihr kennt das bestimmt, eine von euch geschätzte Band bringt ein neues Album raus und ihr freut euch, habt aber auch ein wenig Angst davor, ob denn das neue Zeug was taugt. Gibt es zu viel Veränderung, habt ihr euch verändert? Keine einfachen Antworten möglich.
Das Album fängt nur mit dem Schlagzeug an (es ist entzückend, dass Taube, der neue Mensch an den Drums und in der Band, anfangen darf und somit eingeführt wird) und die Gitarren klirren stakkatoartig rein. Am Ende aller Träume steht die Realität heißt es dann gleich im ersten Song. Schon irgendwie melancholisch, aber mit dem letzten Satz ich mach alles kaputt, wird das lyrische Ich handlungsfähig. Ist das der Ton der Platte? Die Gitarrenwand ist eher aufrüttelnd, als lähmend, auch wenn es nicht klassisch stringent im 1-2-3-4 brettert. Ich nehm es mal vorweg: Ja, der Akzent ist gesetzt.
Mit dem 2. Song bekommt diese Platte mich umso mehr. Delorian spielt mit popkulturellen Referenzen und haut dann noch die Zeile raus: Der Himmel schwarz, die Herzen blau, Friedrich M du dumme Sau. Endlich singt das mal jemand! Und ich freue mich schon auf die Rede im Bundestag dazu und den Remix!
Goldzilla schaffen es im Weiteren, einen stimmigen Sound auf der ganzen Platte durchzuziehen, der an das letzte Album anknüpft. Köter und Motte können zwar immer noch mega gut Wechselgesang, wir sind aber weit weg vom klassischen Deutschpunk, hören eher so stampfende Beats, die dicht an irgendeinem Rocksubgengre sind, aber dann mit süßen Melodiebögen aufwarten. Ich begebe mich bestimmt auf Glatteis, aber könnte da was vom 90er Jahre Crossover durchschimmern? Höre ich auch Metalanteile? Ich hab davon ja keine Ahnung…
Goldzilla vs die Zeit ist zudem ein Album der Verluste: Verlust der Held*innen, weil sie doch nur arschige Menschen sind, Verlust der Hoffnung (zumindest zeitweise), dass es gut ausgehen könnte, Verlust von Freundinnen*schaften, Verlust einer Szene, die sich nicht genug dem patriarchal Erlernten entgegenstellt und Verlust von erkämpften, emanzipatorischen Errungenschaften. Und dass sich alles unfassbar danach anfühlt, dass wir so richtig in die Scheiße reiten…Goldzilla sind traurig und wütend, aber irgendwie möchte ich nach dem Hören der Platte nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern vielmehr die Band und meine Freund*innen umarmen. Da ist dieses starke Gefühl des Trostes, von dem ich nicht explizit weiß, wo es herkommt, nur, dass es beim Hören entsteht.Vielleicht auch wegen Delfine. Was für ein tolles Liebeslied ist das bitte? Nach vorne gehend, hoffnungsvoll, kämpferisch und aktivätsbejahend. Love it.
Ebenfalls herzallerliebst ist die Optik. Die Platte kommt in schwarzen und roten Vinyl und in diesen Farben ist auch das Cover gestaltet. Wer eine Uhr besitzt, wie sie auf dem Frontcover abgebildet ist, braucht sich nicht wundern, wenn's Probleme mit dem Zeitmanagement gibt. Ich konnte jedenfalls nicht erkennen, welche Stunde uns schlägt. Dass durch einen Patch an dem Zip Hoodie auf dem Backcover ein Featuregast angekündigt wird, genial! Elena von Berlin 2.0 singt bei Menschenfleischmotor mit, jemand von Bolzenschuss bei dem Song: die alten Helden sind tot. Zu diesem tollen Release beglückwünschen dürfen wir Black Cat Vinyl (Tapes) und Lion Crew Records, die hier nicht zum ersten Mal gemeinsame Sache machen.
Bei so einer Rezi dürfen natürlich auch die ganz harten Fakten nicht fehlen. Weil Zeit hier keine unwesentliches Thema ist, hab ich mal die Zeitformen analysieren lassen. 66,3% der Lyrics sind im Präsens, 24,8% im Perfekt, 8,3 % im Präteritum und 0,6% im Plusquamperfekt verfasst. Aber nur wenn mensch getreu dem Motto: Future No!, diese Tempusform ausklammert und nicht berücksichtigt. Hab ich getan. Und was lässt sich daraus nun ableiten? Ganz klar: Goldzilla leben im hier und jetzt! Punk(t).
Fazit: Ich habe zwei, drei Anläufe gebraucht, um rein zu kommen, auch weil ich den Fehler gemacht habe, das zu Anfang auf meinen Laptopboxen zu hören. Ich kann nur empfehlen: Dreht auf! Und mit Kopfhörern in der UBahn hat es auch eine tolle Wirkung. Um die anfängliche Frage nach der Veränderung aufzugreifen und noch zu beantworten: Ja, Goldzilla haben sich weiter entwickelt, ich bin aber auch nicht stehengeblieben, deswegen passt das. Bin gespannt, wie sich das mit der Hörer*innenschaft da draußen verhält...
Anspieltipps: Delorean, Menschenfleischmotor, Delfine
