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Kettcar, Fortuna Ehrenfeld, 26.01.2018 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö

Kettcar, 26.01.2018 in Dortmund

Die Band Kettcar verfolge ich nun auch schon ne ganze Weile, nämlich so ungefähr seit 16 Jahren, als ich im sagenumwobenen Internet (den Schwachsinn gibt's tatsächlich immer noch!) auf eine Mp3 des Stückes "Wäre er echt" stieß und direkt hin und weg war. Dass es sich dabei um die quasi-Nachfolgeband von ...But Alive sowie Rantanplan handelte, fand ich verblüffenderweise erst später raus - obwohl ich die zu dem Zeitpunkt auch ziemlich oft hörte. Aber das war eben die Punk-Welt, und die Pop-Welt war eine komplett andere - und die begann ich gerade erst zu entdecken. Eigentlich sind Kettcar schuld, dass ich auch ab und zu Pop und Indie nicht abgeneigt bin. Oder waren doch die Wohlstandskinder schuld? Ah doch, ich weiß wieder: Ich stieß auf die Band Kettcar, als ich auf www.wohlstandskinder.de auf der Suche nach Bands war, die wie die Wohlstandskinder klingen, und dazu einfach begeistert alle Bands durchklickte, mit denen die Wohlstandskinder mal irgendwann die Bühne geteilt haben. Ja, so war das damals, Kinder! Man klickte Links und ließ sich nicht einfach von Spotify irgendwas vorschlagen.
Ende 2002 kam dann das erste Kettcar-Album "Du und wieviel von deinen Freunden" raus und zur Release-Tour sah ich die Band dann erstmalig live, im nicht mal halb gefüllten alten FZW. Der damals als "Olli Schultz" angekündigte Olli Schulz brachte unsere Gesichter zum Strahlen und Kettcar lieferten ein ganz wunderbares Konzert, auf dem selbstverständlich auch mein Lieblingssong "Wäre er echt" gespielt wurde - einige Jahre später war der komplett aus dem Programm verschwunden, ein Jammer!
Nach dem Konzert entwendete ich mir als Andenken noch ein Plakat von der Wand vorm Klo. Warum ich das denn abreißen würde, es gäbe die doch auch am Merch-Stand zu erwerben, fragte mich ein brilletragender Ü30-Fuzzi (ein Rentner quasi!). Mein Argument, dass ich das Plakat vor allem wegen der drübergeklebten Werbebotschaft "Ex-...But Alive" klauen würde, verstand er nicht. Dafür verstand ich, dass die Pop-Welt von Punk einfach verdammt nochmal keine Ahnung hat.
So, kommen wir mal langsam zur Jetzt-Zeit! Am Tag nach dem Kettcar-Konzert hatte ich Geburtstag und Shi schenkte mir die erste Kettcar-EP, bei der ich als knausriger Möchtegernpunker (4 Euro, ey!) am Vortag am Merch noch gezögert hatte - und ebenjener Shi ist auch heute dabei! 15 Jahre, 2 Monate und 18 Jahre später, Kettcar spielen im ausverkauften "neuen" FZW. Kann man sich mal wieder geben!
Außerdem dabei ist André, der sich heute noch viel mehr freut auf die Vorband des Abends - aber wer will es ihm verdenken. FORTUNA EHRENFELD begossen schließlich vor nem guten Monat an Andrés Arbeitsplatz den Winteranfang mit einem wunderschönen Wohnzimmerkonzert, das nicht nur mir noch in guter Erinnerung ist - auch Sänger Martin Bechler wird später erwähnen, wie magisch das doch damals war.
Heute also dann mal die 50-fache Menge an Zuschauern, warum auch nicht. Ist ja auch nicht der erste Support-Slot von Fortuna Ehrenfeld vor Kettcar, und mit Sicherheit nicht der letzte. Das Publikum nimmt die GHVC-Zöglinge jedenfalls dankbar auf und erweist sich sogar an der einen oder anderen Stelle als mitsingwillig. Zu meiner (Punker-)Freude beispielsweise bei der herrlichen Zeile "Kannst du dich erinnern, wie wir uns damals küssten? Erst gegen die Vernunft und dann gegen die Faschisten!"
Ansonsten bleibt eigentlich der Eindruck vom U damals bestehen - grundsympathische Band und wirklich schön arrangierte Songs, die so wunderbar stimmig sind, obwohl man regelmäßig verstört aufblickt und sich fragt, was das denn da gerade soll. Ich bin ja jetzt, im gereiften Alter, durchaus geneigt, zuzugeben, dass auch die Pop-Welt ein kleines bisschen Punk immer wieder zulässt. Pop kann ja auch kritisieren: "Was ist bloß aus den Punks geworden? Alle machen Webdesign" heißt es zum Beispiel in "Das letzte Kommando". Wat bin ich froh, dass ich mich nicht angesprochen fühlen muss.
André ist heute auch in höherem Auftrag unterwegs, er schreibt für das Konkurrenzblatt Handwritten Mag (♡). Wie ich aber heute ganz investigativ aufdecken kann, macht er seine Notizen NICHT HANDSCHRIFTLICH! Ich plädiere für eine Umbenennung in Smartphonewritten Mag.
Was gibt's noch an Details zu erwähnen? Gespielt werden hauptsächlich Songs des aktuellen Albums "Hey Sexy", und das obwohl sowohl André als auch Thorsten einhellig der Meinung sind, dass der Vorgänger "Das Ende der Coolness" besser ist. Können sie ja dann beim nächsten Mal im U spielen. Ohne die strengen Äuglein von Label und Verlag, ähähähä.
Gespielt wird auch "Arsch am Meer", die neue Single wurde extra für das "Beach Motel van Cleef" geschrieben. Jungejunge, das Label setzt die junge Band aber ganz schön unter Druck! Der Song darf heute mal geprobt werden und sie zaubern sogar einen schönen Publikums-Chor ans Ende.
Ja wirklich - gute Band, diese Fortuna Ehrenfeld. Kein Punk, aber dafür Pop, und das kann ja auch ganz schön sein. Und tatsächlich gehen die drei Protagonisten auch auf großer Bühne nicht unter!
Dann KETTCAR. Ui, ich bin gespannt. Muss ja sagen, obwohl ich die Band in der Anfangsphase geliebt habe, verfloss mein Interesse irgendwann zusehends und wurde erst wieder geweckt, als Marcus Wiebusch zwischenzeitlich sein Solo-Album rausbrachte. Und jetzt das neue Album "Ich vs. Wir", das auch irgendwie ein neues Kapitel aufschlägt.
Ob die Video-Leinwände im Hintergrund ebenfalls ein neues Kapitel sind, weiß ich nicht. Wenn es nach mir ginge, dann eines, das man wieder schließen sollte. Zum gespielten Song parallel das Video im Hintergrund zeigen ist so dermaßen tief in der Pop-Welt, da sträubt sich in mir alles! Überlasst das doch bitte Rihanna.
Also, nichts gegen atmosphärische Visuals, aber dann bitte mit schlechtem Beamer auf Raufaserputz. Unabhängig von der Technik halte ich aber auch das Medium für fragwürdig. Annähernde Lippensynchronität (+/- 0.5 Sekunden) mit dem Video gibt mir doch nur zu verstehen, dass mich beim Konzert keine Überraschungen erwarten. Alles einfach 1:1 wie von Platte, da kann ich doch gleich ne Youtube-Session einlegen oder ne DVD rauskramen.
Jaja, alles wird Pop. Aber da liegt das Problem, Pop strebt irgendwie immer zum Perfekten, und das halte ich in der Musik einfach nicht für angebracht. Musik muss leben und nicht in starre Muster verfallen. Genau das ist der Grund warum ich mir lieber schrammelige Punkbands in schimmeligen Kellern anschaue als durchchoreografierte Chartbreaker in 1000er-Hallen. Da passiert wenigstens noch was, da lebt was, das ist unvorhersehbar.
Aber egal. Soviel nur zu meiner kleinen Punk-Welt. Natürlich ist mir klar, dass  sich Kettcar mittlerweile in einer Größenordnung befinden, wo man das große Publikum nur bedienen kann, wenn jeder Ton sitzt. Schade find ich's trotzdem.
Wie auch immer, genug Gehate. Das Konzert selbst ist nämlich eigentlich ziemlich gut. Ziemlich sehr gut sogar! Bereits früh im ersten Block gibt's mit "Balkon gegenüber" und "Money left to burn" zwei Songs vom Debütalbum, da geht doch mein Herz auf. Ich bin erstaunt über mich selbst, seit Jahren nicht gehört und die Lieder sind mir vertraut wie ein alter Bekannter. Wunderschön!
Neben den ganz alten Stücken sind es vor allem die ganz neuen, die mir Gänsehaut bescheren. "Sommer 89" beispielsweise. Boah, was ein Storytelling-Kleinod! Das geht echt tief - trotz Videoleinwand. Achja, ich will jetzt nicht auch noch auf diesem "endlich sind sie mal politisch" rumreiten, aber ey, wenn 95% der Indie-Pop-Welt belangloses Gesäusel fabrizieren, dann müssen wohl die Erfinder des Wortes "befindlichkeitsfixiert" kommen, um mal ein paar Köpfe gerade zu rücken.
Irgendwann kündigt Marcus Wiebusch an, dass nun der "Emo-Block" folgen würde - mit der kleinen ironischen Spitze versehen, dass sie ja für die Presse heutzutage schon als "Politpunk-Band" gelten. Da hat er die Lacher auf seiner Seite.
Es folgt übrigens ein Song, den ich gar nicht kenne! Wie ich später erfahre, "Rettung" von Album "Zwischen den Runden". Mir wird jetzt erst bewusst, dass es tatsächlich ne Phase gab, in der mir Kettcar dermaßen egal waren, dass ich mir nichtmal das Album angehört habe. Glücklicherweise bleibt "Rettung" der einzige Song aus der egal-Phase. Puh!
Und sonst so? "Tränengas im High-End-Leben", "Im Taxi Weinen", Ankunftshalle", "Deiche" - die Songauswahl geht klar. Wobei auch Kettcar die goldene Pop-Regel befolgen, dass die stärksten Songs an den Anfang und das Ende des Sets gehören - der Mittelteil kann ruhig schwach sein, erinnert sich ja eh niemand dran. Wie groß wäre der Aufschrei, hätten sie den Emo-Block zur Zugabe gespielt. Uiuiui...
Dafür gibt es zur Zugabe "Der Tag wird kommen"! Huiuiui, ein quasi-Cover von Marcus' Solo-Album. Der Song, der das Wiebusch'se Songwriting und somit auch Kettcar wieder für mich interessant machte. Der Song, der mit seinem Sprechgesang so unfassbar an alte ...But-Alive-Zeiten erinnert, dass man weinen möchte. Oder pogen. Oder sowas.
Ist auch einfach ein Gänsehaut-Song. Damit die aber nicht zu extrem wirkt, kommt es zur ersten und einzigen Publikums-Interaktion des Abends - wir sollen so Hiphop-mäßig mit den Armen schwanken. Boah ey. Was soll man dazu sagen? Das ist so Stadion-Style, so dämlicher bierseeliger Mitmachscheiß, bei dem die Junggesellenabschiedsgruppe begeistert die Bierbecher aneinanderschlägt und grölt "ey geil, höhö, wie die Hiphopper, höhö, voll witzig". Puh. Einer der stärksten Songs des Sets, gepaart mit dem Tiefpunkt des Abends.
Whatever. Karma strikes back. Bis auf diesen Zwischenfall entschädigt die Zugabe nämlich für alles, was ich zuvor angemosert hatte. Nicht nur hat Marcus Wiebusch Textaussetzer, nee, irgendwann macht uns die Technik nen Strich durch die Rechnung und ein Feedbackpfeifen dringt durch Mark, Bein und In-Ear. Sowas sei noch nie passiert, meint Marcus Wiebusch. Und ich fühle mich endlich wieder wie bei ner schrammelingen Punkkapelle in nem schimmeligen Keller! Juhu! Schade nur wegen dem Tinnitus...
Was noch? Kurz zusammengefasst: Reimer hat noch viel zu erzählen, über das erste Dosenbier heute Mittag auf dem Westenhellweg, darüber dass wir gleich am Bergmann-Büdchen saufen und darüber, dass die Grand-Hotel-Auszubildende Alina aus Unna kommt und heute nen halben Urlaubstag opfert, um hier zu sein. Und darüber, dass "Den Revolver entsichern" geschrieben wurde, als Kettcar mal endlich was Positives schreiben wollten, über Leute die Gutes tun - wie heute Viva con Agua mit ihren Fähnchen. Das ist auch schön (Ich weiß, Anna hatte einen viel schöneren Satz über VcA, aber den hab ich wieder vergessen - sorry).
Fazit: Kettcar 2018 sind die besten Kettcar seit, sagen wir, Kettcar 2005. Das ist doch schonmal was!

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Coco
(Coco)
28.01.2018 20:28
Wenn es nur noch um Musik geht, dann war alles nur ein Irrtum.

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