Barackenjubiläum, 13.08.2022 in Münster

Fö: Okay. Eigentlich nicht wirklich (oder nur so halb) geplant, heute nach Münster zu fahren, aber zum Glück nähern wir uns so langsam einem Freizeit-Modus, in dem auch der spontane Besuch von Veranstaltungen drin ist. Also, ich weiß nicht ob ihr wisst was ich meine, aber irgendwie waren Konzertbesuche der letzten 2 Jahre doch so aufwändig, dass man sich daran gewöhnt hat, sich frühzeitig für die Wochenendplanung festzulegen. Okay, ich muss zugeben, ein bisschen habe ich doch voraus geplant, indem ich mittags schon nen Covid-Test gemacht hab. Wäre auch vor Ort gegangen, aber was man hat, das hat man.
Jedenfalls: Die Baracke, einer der schönsten, weil beständigsten Konzertorte des Bundeslandes, wird sagenhafte 25 Jahre alt. Das ist eigentlich schon unabhängig vom musikalischen Rahmenprogramm einen Besuch wert, einfach nur um zu zeigen, wie wichtig uns allen solche Orte sind.
niklas: Hach, die Baracke. Was für ein wundervoller Ort. Immer zu warm, sowohl die Innentemperatur, als auch das Bier. Dafür günstig, etwas abgelegen und immer einen Besuch wert. Was habe ich hier schon alles erlebt. Gute und schlechte Konzerte, Abrisspartys, Bullenaufmärsche, Terror-Angst, Geburtstage, Band-Reunions und Trennungen. Hier habe ich nachts um drei abwechselnd zu Knochenfabrik und den Backstreet Boys getanzt. Hier sind wir spontan eingefallen, wenn nichts anderes zu tun war, oder haben uns monatelang auf einen bestimmten Termin gefreut. Hier haben sich (spätere) Szenegrößen und Eintagsfliegen die Gitarren in die Hand gedrückt. Hach, die Baracke. Hier bin ich Mensch, hier will ich sein.

Fö: Wegen anderer Termine haben wir einen Großteil des Programms eh schon verpasst. Ärgerlich. Aber weil das auf den Fotos (vielleicht hat Niklas welche) nicht so rüberkommt: Echt stark, was die vielen Orga-Menschen hier draußen geschaffen haben! Geräumiges Areal mit richtig vielen Ständen zu verschiedenen guten Zwecken, mit Getränken, mit Kuchen, mit Tombola, mit Platten & Shirts und mit wunderbar saftigen Sojasteaks. Voll gut!
niklas: Natürlich hab ich keine Fotos gemacht,...aber du hast recht, hier wurde ordentlich aufgefahren:
Tombola Nr.1 von irgendeinem Kollektiv zusammen mit der Barackenorga, Tombola Nr.2 (und heimliche Nr.1 des Abends) von den Underdogs, ein Stand von Second Bandshirt, einer vom Gazo-Kollektiv, irgendwas mit FLINTA*-Support von gegengrau, ein (leider eher mäßiger) Cocktailstand von All my friends are criminals, Kinderbetreuung (!) von den Falken, der obligatorische Merchstand für die Bands, der von Fö bereits erwähnte Soja-Steak-Grillstand, ein Mexikanischer Taco/Pommes/wasweißichdenn-Stand, ein Eisstand, ein Infostand zu den EZLN, ein Infostand von eklat und der unverzichtbare Getränkestand! Achja, und ne Bühne gabs auch!

Fö: Erste Band, die ich sehe: DUESENJAEGER! Die haben schon häufiger in der Baracke gespielt, so auch ihr allererstes Konzert im Jahr 2000 oder die Releaseparty zu ihrem letzten Album "Treibsand" 2016. Das war damals wohl auch im Hochsommer und die Luft in der Baracke zum Schneiden. Zum Glück sind wir heute draußen. Die Sonne brät trotzdem noch gut auf die Bühne
niklas: Ich habe mich bereits etwas früher eingefunden. Das von mir favorisierte Football-Team spielt zwar grade um den Aufstieg, aber nach einer eher durchwachsenen ersten Halbzeit muss ich zur Baracke fahren. Priorität ist ganz klar der heutige Auftritt von CONTA. Zuvor sehe ich noch die letzten Ausläufer von SEKTFRÜHSTÜCK, die mir im Vorfeld empfohlen wurden. Ich war mir auch sicher, die schon mal gesehen zu haben und hatte die unter "egal" abgespeichert. Da gehören sie auch weiterhin hin, sorry.
Nun denn, CONTA bieten einen Schattenplatz vor der Bühne und spielen ein super Gig, bei dem nur der Sound etwas von der leichten Brise weggeweht wird. Auf wie vor der Bühne wird geschwitzt. Viel. Es ist unerträglich heiß!

Fö: Irgendwie ganz geiles Flair. Im Hintergrund dieses Fenstermonster von Uni-Gebäude, davor dieser Anhänger der offensichtlich auch schon mal für etwas gedient hat, wofür man Querbalken gebraucht hätte, die jetzt einfach halb abgesägt ins Setting ragen.
niklas: Irgendwas mit "Apokalypse Münsterland" oder so! Irgendwie passend. DUESENJAEGER scheinen eine DER Jugendlieben meiner spärlich anwesenden Bekannten zu sein. Die können das alle Wort für Wort mitsingen, während ich daneben stehe und mich ein bisschen langweile. Inzwischen ist auch das Football-Spiel beendet, der Aufstieg hat noch nicht geklappt, aber die dort anwesenden Punks finden den Weg über den Aasee irgendwie nicht und tauchen auch im Verlauf des Abends nicht mehr auf. Irgendwie scheint das Publikum heute aus erstaunlich vielen Auswärtigen zu bestehen. Das typische Baracken-Klientel lässt sich kaum blicken oder nur, um an einem der Infostände Arbeit vorzugaukeln.

Fö: Nachdem wir eine Position gefunden haben, an der uns der Sound goutiert, lauschen wir den Klängen der Duesenjaeger. Konzert, wie soll ich sagen - gut. Durchschnittlich. Gibt alte wie neue Songs zu hören, vieles mit Mitsingpotential, anderes ohne, aber mitgesungen wird sowieso ständig. Zündet bei mir nur nicht so ganz. Vielleicht noch zu viel Kopfkino. Oder vielleicht war das letzte Konzert in Dortmund auch einfach zu gut.

Fö: Die Band jedenfalls freut sich sichtlich, hier heute zu spielen. Hätten wohl "eigentlich" gar keine Zeit für ein Konzert gehabt, aber für so einen Anlass, blabla, ihr wisst schon, nu sindse hier.

niklas: Hier leider nicht zu sehen, aber ist auch schwierig sowas zu fotografieren, eine laaaaange Pause nach DUESENJAEGER. Das Ordnungsamt war vor Ort und drohte zwischenzeitlich mit dem Abbruch der Veranstaltung. Nach langen Diskussionen und einer Erinnerung an die ordnungsgemäße Anmeldung konnte der Soundcheck von POSTFORD aber fortgesetzt werden.
Fö: Ah, gar nicht mitbekommen. Es kursierte nur dass Killbite abgesagt haben und ich dachte, die Verzögerung läge ausschließlich daran.

Fö: Nachmittags pralle Sonne und viel Hitze draußen, abends wenn es sich abkühlt geht es nach drinnen, wo vielleicht die ersten 3 Minuten nach Schließen der Fenster auszuhalten ist, danach unbändige Hitze. Da wird einem ja echt einiges abverlangt!
niklas: In der Baracke ist es IMMER zu warm, aber heute ist es wirklich extrem. Zum Glück drängeln sich nicht alle Anwesende in mein zweites Wohnzimmer. Ich kenne übrigens mindestens drei Menschen, die in ihren Testamenten die Baracke bedenken, unter der Bedingung, dass von dem Geld eine Klimaanlage angeschafft wird. Kein Scherz!

Fö: POSTFORD spielen nun! Tolle Band! Postpunk, wie so vieles heutzutage Postpunk ist. Aber eben doch anders. Finde den Gesang sehr besonders, immer melodisch aber doch mit gelegentlichen schroffen Shouts versehen, und die Instrumente legen auch nen amtlichen Teppich darunter.
niklas: Das war die Band, die ich als potentielle "Kann man ruhig verpassen und was Essen gehen"-Band auserkoren hatte. Was für ein Fehler. Musikalisch ebensowenig meine Baustelle wie DUESENJAEGER, aber einfach richtig gut und unterhaltsam. Ich schwitze vor mich hin, denke aber keinen Moment darüber nach rauszugehen. Gefällt mir, sagt die Boomer-Generation.

Fö: Tolle Songs auch. Wobei, ich weiß nicht ob's an mir liegt, aber "Kaltland" sticht für mich immer besonders heraus. Ist auch heute der Song, bei dem die Dämme brechen und das Publikum vom Wippen zum Tanzen übergeht.
niklas: Hör ich zum ersten Mal und klingt für mich, wie richtig gut bei Toxoplasma geklaut. POSTFORD haben sich heute einen neuen Fan erspielt!

Fö: Apropos Kaltland: Boah ist das heiß hier drinnen! Dass wir heute einen besonders heißen Tag haben, hatte ich schon erwähnt oder? Ich erinnere mich an ein Konzert von Get Dead ebenhier, wo es so heiß war, dass die Anlage ausfiel, woraufhin die Pause mit einem Akustikset an der frischen Luft überbrückt wurde. Baracke ey. Gibt bestimmt andere, die viel spannendere Barackenstorys zu erzählen haben.
niklas: Tja gut, hier ein paar oben bereits angetrailerte High- und Lowlights:
Einmal sind die Bullen vor der Baracke aufmarschiert, mit Hunden, Helmen und Schlagstöcken. Es sei zu laut. Einige besoffene Punks (und ganz sicher nicht ich!!! Also wirklich fast ganz doll sicher!) bepöbeln die Staatsmacht und müssen von der Orga eingefangen werden, damit die Baracke nicht durch eine Hundertschaft geräumt wird. Freigetränke und die Fortsetzung des Konzerts können die Meute beschwichtigen, während die Cops die ganze Nacht an der nächsten Ecke Wache stehen müssen, dass niemand vom Fahrrad fällt.
Einmal sollten Scheisse Minnelli in der Baracke spielen. Es wurde als kostenloses After-Demo-Konzert nach einem Naziaufmarsch (oder waren es christliche Fundis?) angekündigt. Vor Ort stellte sich dann raus, dass sich der Einlass um mehrere Stunden verzögern würde und das Konzert statt nix stolze 10,-€ kosten solle. Das war nicht so gut und viele Demonstranten wussten nicht wohin,...

niklas: Stromausfälle gabs auch immer reichlich. Zuletzt bei HC Baxxter. Aber seit einigen Jahren hat sich das ein wenig gebessert und es passiert nicht mehr jede Woche. Dafür fallen öfter mal die Kühlschränke aus. Und jahrelang gab es Probleme mit EINEM Anwohner von der anderen Seeseite, der sich sogar über den Lärm aus der Baracke beschwerte, wenn dort gar nichts stattfand. Und wenn ich so drüber nachdenke; war nicht auch mal was mit der Bühne, die irgendwie plötzlich mal verstärkt werden musste?
Hach, die Baracke. Ich hab sie lieb!

Fö: Zurück zur Musik: Der Postford-Auftritt ist viel zu schnell vorbei. Aber sie müssen (wollen/dürfen) sogar ne Zugabe spielen. War, glaube ich, "Tras el cristal" oder? Jedenfalls legt Roberta dafür ihre Gitarre nieder. Und Leute vor der Bühne kriegen Probleme beim Mitsingen.

Fö: Dann NOVOTNY TV! Letztens erst beim Spastic Fantastic Festival gesehen, nun unverhofft nochmal. Oder, was sag ich, unverhofft, zum Glück sogar. Auftritt gefällt mir außerordentlich gut. Zwar bin ich immer noch nicht so vertraut mit den Liedern, aber dafür der Rest des Publikums. Und da ist die Baracke mit ihren kurzen Wegen doch etwas dankbarer als das doch etwas distanzierende FZW.
niklas: Vor Jahren hat mir mal ein Coesfelder Punk von den Coesfelder Punk-Legenden NOVOTNY TV erzählt. Jahre später habe ich irgendwo die Wiederveröffentlichungen ihrer Platten mitgenommen, in das Plattenragal in meinem Kinderzimmer gestellt und bin nach Münster gezogen. Die Platten habe ich also bis heute nicht gehört. Und bei dem "Geheimkonzert" vor einigen Wochen hier in Münster war ich auch nicht, weil ich da bestimmt in Dortmund bei ner Pankdemic-Show war, oder son Quatsch. Deshalb ist das hier heute meine erste richtige Begegnung mit der Band. Und die ganzen Leute, die mir seit meinem Plattenkauf in den Ohren liegen, wie toll diese Band ist und dass ich UNBEDINGT diese Platten hören soll, sind nicht da,...

Fö: Zum letzten Bericht gab die Band übrigens noch eine Gegendarstellung raus, die ich hier zitieren möchte:
"Hallo liebes bierschinken, danke für die liebe Besprechung unseres Konzerts beim Spastic Fantastic. Um weiteren Investigativrecherchen eurerseits zuvor zu kommen: Nein, die Organistin, die - wie ihr richtig erkannt habt - nicht zu unserem festen Line-Up gehört, hat nicht dreimal vor dem Auftritt mit uns geprobt. Sie kannte bis eine dreiviertel Stunde vor dem Konzert noch nicht mal unsere Songs. Sie wurde um 19:15 Uhr angerufen und gebeten, sich mal auf Spotify ein paar Songs anzuhören und die Orgelarrangements einzuprägen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sang Schlagzeuger Antek Pistole ihr um 19:20 die wichtigsten Passagen zusätzlich durchs Telefon vor. Um 20:15 kam sie mit dem Zug am Hauptbahnhof Dortmund an und absolvierte den letzten Teil des Weges zum FZW vermutlich zu Fuß. Das Angebot, ein Taxi zu spendieren, welches die Band Novotny TV vielleicht auch einfach versäumte, auszusprechen, hatte sie nicht angenommen. Um 20:35 bginnen Novotny TV das Konzert. Um 20:45 beginnt die Organistin, ihren Synthesizer auf der Bühne aufzubauen. Um 20:50 spielt sie bei Invasion vom Mars das Orgel-Thema. Liebe Kat von Lassie, das war großartig."
Okay. Bierschinken wieder als Lügenpresse entlarvt.

Fö: Heute keine Organistin, kein Organist, dafür tippelt der eine Gitarrist ab und zu auf den Tasten rum. Verstärkung kommt indes von Prof. Dr. Hagemann, der bei ein paar Liedern Schlagzeug spielt und bei anderen ins Mikro blökt.
niklas: Ja, das gefällt mir alles ganz gut. Inzwischen ist es in der Baracke aber so heiß, dass ich alle zwei Songs zum Klo renne, mein Handtuch, meine T-Shirt und meine Kappe mit Wasser durchweiche, und trotzdem vor der Bühne schwitze wie ein Elch im Dampfbad. Wie sich dabei Leute noch bewegen können ist mir ein Rätsel.
Ach, da fällt mir noch eine Baracken-Story ein. Als der Neubau eröffnet wurde, stand mindestens zwei Jahre lang "Kein Trinkwasser" am Wasserhahn auf der Toilette. Einfach mit Filzstift auf Gaffa-Tape gepinselt und hingeklebt. Bis heute hält sich das Gerücht, das dieses Klebeband einfach von irgendeinem Spaßvogel abgerissen wurde und wir da immer noch Abwasser in und auf uns schütten!

Fö: Auftritt witzig und spritzig - und schwitzig. Ich hätte ja gedacht, dass bei den vielen Besucher*innen des Tages die Indoor-Konzerte aus allen Nähten platzen würden, aber die Sauna hier ist so unerträglich, dass sich tatsächlich viele lieber draußen aufhalten - besser für die hier drinnen, aber halt immer noch Sauna. Umluft statt Ventilator.

Fö: So. Bis zum Ende bleiben wir nicht, reicht ja dann auch, und ich hab eh Angst dass mein Körper zur vertrockneten Rosine mutiert wenn ich noch eine Minute länger in dieser Hitzehölle verweile. Wir entschließen, die letzte "coole" Bahn zu nehmen, also die letzte ohne Umsteigen, wenn auch eine ohne funktionierende Toiletten. Das nur der Vollständigkeit halber, damit dieser Bericht nicht ohne Bahnfahrgeschichten auskommt.
niklas: Hach, die Baracke. Schön hier! Als letztes noch Werbung für die beste Veranstaltungsreihe im Universum: die PUNKBAR! Immer wieder glauben Menschen, ich hätte was mit der Orga zu tun, stimmt aber nicht. Könnte ich eh nicht besser machen. Einmal im Monat werden zwei bis vier Punkbands aus allen Teilen der Welt eingeladen. Ohne Eintritt kann kommen wer will. Es gibt lauwarmes Bier zu Preisen, die sich fast jeder leisten kann. Aber wer will (oder muss) kann sich auch selbst was mitbringen. Es gibt günstiges (ach was; billiges) veganes Essen, das fast immer hervorragend ist. Und lauter nette Leute mit guter Laune. In der Baracke! Kommt vorbei!

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