Sniffing Glue, Alarmstufe Gerd, Neon Maniacs, Fall, 07.05.2011 in Mülheim/Ruhr, AZ Mülheim - Bericht von Fö
Sniffing Glue, 07.05.2011 in Mülheim/Ruhr
Vor dem AZ lungert schon diverses Pack rum (ich würde sogar sagen, es ist richtig voll hier), die 5 Euro Eintritt sind gerne gezahlt und der Zeitplan, der sogar irgendwo aushängt, sorgt für ein wenig müdes Gelächter der AZ-Erfahrenen. Überrascht stellen wir aber fest, dass man heute verdammt pünktlich ist: Lediglich mit 80 Minuten Verspätung startet die erste Band! Wow!
"FALL" nennen sie sich, englisch ausgesprochen. Kommen laut Flyer aus dem Ruhrgebiet und machen, noch ne Überraschung, Hardcore. Als ich den Konzertraum betrete, wundere ich mich noch über die dicht gedrängten Menschenmassen, die sich nach vorne hin nahezu in Nichts verdünnen. Zwei-drei äußerst ausufernd Tanzende Gestalten sind hier zu sichten - und der Sänger der Band.
Achja, und ein Typ, der lässig am Rand steht, sich irgendwann losreißt, alles und jeden umschmeißt, einen wilden Ein-Mann-Beatdown-Pogo startet, aaaber schon nach 10 Sekunden aufhört, unschuldig da steht und mit braver Miene zu fragen beginnt, ob jemand seine Mütze gesehen hätte. Es geht doch nichts über Situationskomik...
Achja, die Band. Hardcore-Punk-Geschrei, haut mich nicht vom Hocker. Oder is einfach nicht mein Tag heute. Viel habe ich über die Band eh nicht zu berichten, schließlich kriege ich nur noch die letzten 2-3 Lieder mit. Kommt mir etwas düsterer vor als der Standard-Hardcore-Krams, den man heutzutage so serviert bekommt. So grob Richtung Eiltank.
Der letzte Song fällt sogar richtig aus dem Rahmen. So langsam gehalten, dass ein Typ vor mir sogar sein Feuerzeug raus holt. Fast schon New Wave, nur eben auf Hardcore getrimmt. Ist vielleicht auch gar nicht soo schlecht, wie mir mein erster Eindruck weis machen will, aber um das zu beurteilen hätte ich wohl mehr vom Auftritt sehen müssen. Naja, vielleicht beim nächsten Mal.
Die nächste Band hat das nicht nötig, die habe ich oft genug gesehen um ihnen das Prädikat "großartig" verleihen zu können. ALARMSTUFE GERD! Ich hab sogar den Eindruck, die werden immer besser. Naja, eigentlich sind sie immer gleich. Aber sie machen immer mehr Spaß. Heute punktet vor Allem das Publikum, die feiern begeistert alles ab, erweisen sich als äußerst textsicher und sorgen für massig Bewegung vor der Bühne.
So viel Bewegung, dass der Sänger entgegen aller Gewohnheiten heute mal auf der Bühne bleibt und sogar die Leute bittet, weiter nach vorne zu kommen. Ansonsten das übliche 20-Minuten-Angepisstheits-Set für das man Alarmstufe Gerd so schätzt. Inklusive heimlicher Szenehits wie "Gerd gegen den Rest der Welt", "Es gibt keine Missgeburten außer Nazis", "Übermenschen Zäune und Untermenschen" und ähnliche.
Als neuer Bassist wird "Osama Bin Laden" vorgestellt, kürzlich aus Pakistan abgehauen und nun bei Gerd am Bass (und ab und zu bei Auweia). Der alte Bassist soll wohl in den USA als Au-pair-Mädchen arbeiten. Will uns zumindest der Sänger weismachen.
Die Zuschauer schmeißen sich fleißig gegenseitig quer durch den Raum. Kreativer Tanz, könnte man sagen. Der Gerd-Sänger meint, er vermisse heute einen Hardcore-Tanzstil, den er bereits seit Jahren nicht mehr gesehen hat: Den Pizzabäcker. Also darf das Publikum fleißig Pizzas backen. Irre.
Geboten wird auch mein Lieblingssong "Turnschuh", heute aber in der Abwandlung "Facebook". Ja, Aktualität ist wichtig. Ansonsten kommt auch der Kreationismus zur Sprache, das Publikum applaudiert fleißig. Und singt mit. Auch bei "Bullen sind cool", was der Sänger irgendwie verwerflich findet. Hähä.
Als letzten Song gibts "Jesus Freaks und diese Black-Metal-Satan-Fuzzies sind 100pro Geschwister", das Stück hätte allein für den Titel mehrere Preise verdient.
Achnee, doch nicht letztes Stück. Begeistert wird eine Zugabe gefordert, und so "singt" der Gitarrist das schrille "Fleischwurst Kindergeburtstagsparty". Heute mal im Sitzen, wenn man den Sprechchören im Publikum Glauben schenken mag hat er einen Dorn im Fuß. Aha. Aua.
Anschließend SNIFFING GLUE. Hier ist dermaßen viel Bewegung vor der Bühne, dass ich nicht groß Bock habe, mich für anständige Fotos weit nach vorne zu stellen. Auch mal wieder ein fantastischer Auftritt. Aber halt auch genau das, was man von Sniffing Glue erwartet (bloß dass der Sänger diesmal keine sichtbaren Verletzungen mit sich trug).
Gute Band, die sich ziemlich am 80er Hardcore-Punk orientiert und eine gelungene Mischung aus Black Flag und Dead Kennedys serviert - letztere besonders in den Passagen, in denen Sänger Marcel plötzlich anfängt zu "singen". Dem kann ich live tatsächlich mehr abgewinnen als auf Platte.
"Anlass" oder auch "Motto" des heutigen Abends ist übrigens der 66te Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Darauf nehmen Sniffing Glue auch Bezug und schmettern ihren (laut Alexej) besten Song "And You" raus, unterstützt von zig Kehlen aus dem Publikum.
Ansonsten wirds mit Stücken wie "I'm Not Alright" oder "Bad guests" auch nicht groß langweilig. Unterhaltsame Darbietung, aber am meisten Spaß macht es irgendwie echt, den Mob vor der Bühne zu beobachten. Grandios, wie die sich verausgaben!
Die dürfen nochmal richtig aus sich heraus gehen, als zum Schluss "California Uber Alles" von den großen Helden "Dead Kennedys" gespielt wird. Der Sänger schmeißt sich auch in die Meute, das Mikrofon gibt schon nach kurzer Zeit seinen Geist auf, aber Mitsingen kann trotzdem der ganze Saal. Stimmung: Ganz groß!
Jau, guter Auftritt, ebenso wie Alarmstufe Gerd zuvor. Allerortens begeisterte Gesichter. Ja, auch ich fands gut, hat mich etwas aus der Lethargie geholt. Aber irgendwie fehlt noch was, irgendwas das dem Tag seinen Stempel aufdrückt.
Vielleicht die nun folgende Band? Nunja, nach einigen Tönen stelle ich fest, dass es das nicht sein kann. NEON MANIACS nennen sie sich, kommen aus Kalifornien und kennt hier keine Sau, weswegen es im Raum auch deutlich leerer geworden ist.
Schlecht ist das nicht, aber nicht meine Musik und irgendwie auch nicht wirklich passend zu den Bands zuvor. Geboten wird Musik, zu der man farbige breitrahmige Brillen tragen muss. So 77er Sound, wie ihn auch The Shocks gespielt haben, oder meinetwegen auch The Briggs. Die mehrstimmig vorgetragenen Refrains lassen sogar mal an die Toy Dolls denken.
Insgesamt aber etwas eintönig für meinen Geschmack, und die Stimme vom Sänger ist eindeutig ein paar Oktaven zu hoch. Höher noch als die der Bassistin, was auch irgendwie witzig ist. Naja, die Meute vor der Bühne feierts ab, auch als der Sänger zum x-ten Mal als einzige Ansage "Thank you germans" sagt. Okay, manchmal fragt er auch "are we still in Germany?"
Die Zuschauer sind aber begeistert genug, um anschließend noch ein paar Zugaben zu fordern, die die Band auch irgendwann gewährt - aber mangels weiterer Lieder ein paar spielen muss, die schon zuvor dargeboten wurden. Ist zwar Schülerbandmäßig, aber da ich eh erst zur Hälfte des Sets reingegangen bin, kriege ich so ein paar Songs mit, die ich sonst wohl verpasst hätte. Hehe.
Zwei-Drei mal muss die Band zurück auf die Bühne - jedes Mal, nachdem die Bassistin fleißig ihr Basskabel eingerollt hat. Lustig. Schließlich macht die Band sogar Anstalten, das komplette Set von vorne zu spielen (inklusive Begrüßung durch den Sänger), was mir die Band um einiges sympathischer macht - weil das irgendwie total mein Humorlevel trifft, echt jetzt! Lacht aber sonst keiner. Vielleicht alle betrunken. Ich bin neidisch.