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Egotronic, Das Flug, 16.03.2014 in Düsseldorf, The Tube - Bericht von Fö

Egotronic, 16.03.2014 in Düsseldorf

Eine viel zu große Halle, etwa 2000er Kapazität. Sowas, das Tube hatte ich anders in Erinnerung, aber verblüffenderweise stört mich das nicht weiter. Auch nicht die anderen, mit um die 100 recht dürftig vorhandenen Zuschauer, die sich vor der voluminösen Bühne scharen und auf Egotronic warten. Nur aus den Augenwinkeln sehe ich, wie schwarz gekleidete Ordner die Besucher näher Richtung Bühne drängen, und denke mir nichts dabei. Dann erschallt das Intro, eine umwerfende Lichtershow umspielt den kargen Laufsteg, der von der im Dunklen gehaltenen Bühne in die Halle ragt. Es ist so weit, die vier Mannen von Egotronic kommen hervor! Zumindest weiß ich instinktiv, dass es sich um sie handelt, sie sind nämlich verkleidet als bunte Manga-Monster und sehen wie Zombie-Löwen aus, die auf allen Vieren herbei gekrochen kommen und zur Decke fauchen, wo gigantische Kameras auf das Geschehen gerichtet sind. Die Zuschauer kreischen und jubeln, so etwas hat man noch nicht erlebt! Plötzlich wieder die schwarz gekleideten Ordner, sie drängen uns auf die Bühne, das verwirrt mich, denn eigentlich mag ich solcherlei Publikums-Interaktions-Scheiß nicht, aber als ich sehe, wie mein Vordermann mit aller Gewalt am Nacken gepackt und auf die Bühne geschubst wird, kletter ich auch lieber freiwillig rauf. Oben angekommen, ist von der Band nichts mehr zu sehen, dafür werden wir, nach Männern und Frauen getrennt, in gigantische Käfige geführt, die hinter uns verschlossen werden. Keine Ahnung was mit den Frauen passiert, aber aus dem Männerkäfig führt ein langer Gang nach hinten, dem wir neugierig folgen und uns plötzlich in einem riesigen Supermarkt wiederfinden, dessen Regale voll sind mit Egotronic-Merchandise. Und langsam wird mir die Brisanz dieser ungewöhnlichen Performance bewusst, das Orwell'sche Überwachungsdrama der Kameras, die Geschlechtertrennung als Sinnbild der separierten Gesellschaft und der Kommerztempel als Kapitalismuskritik, bis mir auffällt, dass die Kritik doch irgendwie fehlt, und dann wache ich auf.

Verwirrt über diesen doch ungewohnt plastischen Traum blickte ich um mich, stellte mit Blick auf die Uhr fest dass ich erst wenige Minuten geschlafen haben konnte, und notierte mir das Ganze. Kann man bestimmt prima im Konzertbericht verwursten. Es war etwa 24 Uhr, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, am nächsten Tage erst steht das Egotronic-Konzert an, vor dem mich soeben mein Unterbewusstsein gewarnt hatte. Normalerweise träume ich eher selten, kann mich zumindest nie dran erinnern, außer ich hab wirklich viel erlebt das es zu verarbeiten gilt, was meiner Meinung nach diesmal nicht der Fall war. Eventuell doch die Vorfreude auf das morgige Konzert und auf ein Date mit meiner Traumfrau, die ungewöhnlicherweise in meinem Traum überhaupt nicht vor kam, oder vielleicht ist nur wieder das LSD im Trinkwasser schuld, das wird's sein, nunja, kurz nach diesen Gedankengängen schlummerte ich wieder ein und verbrachte eine weitestgehend traumfreie und geruhsame Nacht.
Schnitt, nächster Tag, ab nach Düsseldorf, relativ zeitig diesmal, Coco hat zu Pizza geladen, Nat ist beseelt von Fußball und Radler, und ich versuche, zu eruieren, ob Düsseldorfer Trinkwasser auch LSD enthält, komme aber zu keinem klaren Ergebnis, aber andererseits steht das Egotronic-Konzert ja noch bevor. Aufi aufi, ab zum Tube.
Hallo sagen, Trali Trala, einige bekannte Nasen vor Ort, das Tube ist auch immer noch der gemütliche Schlauch den ich in Erinnerung hatte und der Laufsteg, naja, besteht aus ein paar Cases vor der Bühne. Keine schwarz gekleideten Ordner, keine Manga-Zombie-Löwen, keine Geschlechtertrennung - aber es gibt Bandmerch, und der Kuschelskin läuft mit ner Kamera rum. Totale Überwachung also auch heute hier. Den Opener heute und auf der Tour macht DAS FLUG aus Berlin. Ein-Mann-Elektro. Gerüchteweise neuerdings zu zweit mit Ex-Egotronic Endi, aber auf dieser Tour nicht. Soso.
Wat soll ich sagen. Eigentlich ist Elektropunk ja viel zu 2009, aber sowas ganz alleine auf die Reihe zu stellen find ich schon mal beachtlich. Nur schade, dass man nie weiß, ob die Musik nun gerade vom Laptop kommt oder doch von seinen Bediengeräten. Immerhin der Gesang scheint live zu sein, wenn auch immer wieder durch irgendwelche Pitch-Effekte gejagt. Musik: Och joah, knallt ganz ordentlich, fette Beats und so, als Aufwärmrunde okay.
Scheint auch einen Hit zu geben: "Alles musz in Flammen stehn", und nachdem uns Das Flug im Vorfeld ausführlich erläutert hat, wie der Refrain lautet, wird dieser auch amtlich vom nicht gerade spärlichen Publikum mitgegrölt. Eigentlich besteht der Song auch nur aus diesem Refrain und jeder Menge 8Bit-Gerödel. Schon irgendwie recht catchy, und da ich mittlerweile ein Bier intus hab, fühle ich mich gar nicht so fremd hier, auch ohne LSD.
Soweit also zu "Das Flug", oder auch, wie es früher mal hieß und mittlerweile anscheinend nicht mehr reißerisch genug ist, "Über allem thront das Flug". Er empfiehlt noch, seine Musik auf Bandcamp zu erwerben, da die Portokasse nicht fürs Presswerk reicht, gebe ich an dieser Stelle also mal weiter. An Merchandise hat der Gute übrigens nicht nur handelsübliche Tragetaschen dabei, sondern auch Sportbeutel! Wird das der neue Trend? Sportbeutel? Man darf ja nichts verpassen in dieser schnelllebigen Welt. Bald übrigens auf Tour mit den Kaput Krauts, der Herr Flug. Auch okay.
Dann Pause. Wir beobachten, wie das Tube sich weiter füllt, irgendwann kein Durchkommen mehr, wunderbar, pickepackevoll, nicht nur der Laden sondern auch ein Großteil der Leute, so dünkt mich. Und das am heiligen Sonntag! EGOTRONIC sind alsbald bereit zu Starten, lediglich Gitarrist Chrü ist irgendwo in den Katakomben des Tube verschollen, bahnt sich dann aber irgendwann doch den Weg durch die Massen. Und das erstaunlicherweise ohne Manga-Zombie-Löwen-Kostüm.
Nachdem die Band kürzlich beim Punk im Pott überragende Leistung gezeigt hat, freue ich mich, sie nun mal in nem kleinen Club zu sehen (auch diese Gedanken hat mein Traum der Vornacht ja schon angedeutet, wow!). Egotronic sind grad auf dicker Tour, haben relativ spontan noch den Offday gegen einen Abend im Tube getauscht und bringen mit, was man sich auf Tour halt so einfängt: Rückenschmerzen und Kater-/Konterbierlaune.
Da merkt man aber auf der Bühne nicht wirklich was von! Das Konzert geht schon gut steil los, mit dem Opener "Die Natur ist dein Feind", und anschließend, damit die Fronten auch direkt geklärt sind, "Raven gegen Deutschland" und "Eure Toleranz kotzt mich an", was den Laden ziemlich schnell in eine stickige Saunahölle verwandelt. Die Band ist nach wenigen Minuten klatschnass, die Zuschauer ebenso, herrlich!
Kurzer Blick ins Publikum. Hier tümmelt sich alles von Bierbauch-Altstadt-Proll bis Hipster-Antideutscher und so ziemlich allem dazwischen. Scheinen auch weitestgehend politisiert zu sein, so schallt irgendwann ein "Bier gegen Bullen und Deutschland"-Chor durch den Raum. Großartig!
Einen Gast hat man heute auch dabei. Koljah von der Antilopengang. Hat wohl nichts zu tun. Kürzlich noch bei den Shitlers represented, heute halt mal bei Egotronic. Begrüßt wird er mit einem kräftigen "Fick die Uni!", woraufhin er souverän die Band fragt: "Könnt ihr das?". Achja, und verabschieden tut er sich mit den Worten, dass er hier im Laden eigentlich seit 10 Jahren Hausverbot hat und nun hier auf der Bühne steht. Respekt! Wie lang gibt's das Tube eigentlich? 3 Jahre?
Achja, zwischen Begrüßung und Verabschiedung kommt ja auch noch was: Gespielt wird "Kriegserklärung". Geiler Song, sehr punkig und hiphop-ig und trotzdem noch elektronisch, da hat man wohl nach nem neuen Sound gesucht, passt, gefällt, Video hier.
Und überhaupt, dank Gitarre und Schlagzeug sind Egotronic in der aktuellen Besetzung ja generell punkiger unterwegs, was ich persönlich ganz geil finde, wo doch, wie obig schon erwähnt, der Elektro-Hype in der Szene so ziemlich vorbei ist und da eigentlich kaum noch neue Impulse kommen, zumindest nach meinem Empfinden. Also lieber son bisschen Back to the roots.
Ein wenig Unterhaltung zwischendurch, dreht sich vor allem um Sachen die man sich auf Tour so rein zieht (damit sind natürlich die Filme im Tourbus gemeint), es geht aber auch darum dass der Schweiß vom Shirt ein ganzes Glas füllen könnte und dass es unbedingt noch von der Decke regnen müsse, was es später auch tut. Geil! Gewisse Vollidioten und deren Fans kriegen auch noch ihr Fett weg ("wie kann man nur glauben, Blut-und-Boden-Ideologie sei nicht rechts?" - kann man wohl so unterschreiben)
Entsprechende Songs dazu gibt's natürlich auch, "Band der Vollidioten" und "Tolerante Nazis", oder auch das Superpunk-Cover "Bismarck", und wo wir gerade bei Liedern aufzählen sind, meine Highlights waren wohl "Glücksversprechen", "Kotzen" und "Rannte der Sonne hinterher", das Publikum feiert aber durchweg alles, auch die neuen Songs des vor gerade mal zwei Tagen veröffentlichten neuen Albums.
Highlight für die Band: Als Fichli Handtücher bringt. Manga-Löwen-Zombie-Masken sehen anders aus.
Geiles Konzert! Schön lange gespielt, gut 80 Minuten sag ich mal, alles schön schweißtreibend. Ach übrigens: Hatte ich schonmal irgendwann geschrieben, aber Leute, die bei solch stickiger Luft auf die Idee kommen, zusätzlich noch mit Zigarettenrauch ihre Umgebung zu verpesten, sind ja wohl ungefähr so dämlich wie, keine Ahnung, Toastbrot im Regen, oder so. Ich bin's ja gewohnt, dass Konzertbesucher, insbesondere Betrunkene, manchmal sehr irrational handeln, aber diese Kippensucht ist ja wohl mindestens so ekelhaft wie ein Glas voll Schweiß, oder Kapitalismus.
Achja, Disclaimer: Ich schrieb ausdrücklich, dass die Leute lediglich auf die Idee kamen, zu rauchen, nicht dass sie es dann auch getan hätten. Schließlich ist das verboten und ich will ja niemanden kriminalisieren. Wobei, ach, sperrt sie ruhig weg. Torsun kann bleiben, er rauche nur noch passiv, meint er.
So, reicht dann aber auch. Die Zugabepause dauert geschlagene 3 Sekunden, alles andere wäre ja Rockstargehabe (sehr löblich), danach entlässt man uns nach einem herrlich mitreißenden Konzert in die frische Alstadtluft. Juhu. Nach dem Akklimatisieren mache ich mich aber bald wieder auf den Heimweg, muss ja morgen früh raus, ist ein neues Hobby von mir. Diesmal halten sich auch die verwirrenden Träume in Grenzen. Tschöj.
Oh, nächster Morgen, um 8:40, ne SMS von Tom Cruzifix. Er schreibt: "hab gleich mpu und was hab ich davor geträumt? Hab geträumt, das du mit mir dahin fährst und wir vorher noch eben sone kneipe auschecken und den schnaps 'knochenzerberster' austesten".
Ich sach ja, die Drogen im Trinkwasser!

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Tier

17.03.2014 16:54
Man was hab ich geschwitzt
mrks
(mrks)
17.03.2014 17:25
seltsame nacht gestern :O

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