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Casanovas Schwule Seite, Der gierige Diktator, Ruhrschrei, Fallout Babies, 21.03.2014 in Schwerte, Rattenloch - Bericht von Fö

Casanovas Schwule Seite, 21.03.2014 in Schwerte

Das heutige Konzert hat irgendwas mit Bäume pflanzen zu tun, kann also nur ne gute Sache sein. Dazu wurden die Gutmenschen- und Hippiebands Casanovas Schwule Seite, Der gierige Diktator, Ruhrschrei und Fallout Babies eingeladen. Allesamt Bands, die vermutlich noch nie nen Baum gepflanzt haben, und erstaunlicherweise wird im restlichen Verlauf des Abends auch nie wieder von diesem Baum die Rede sein. Aber immerhin hab ich's erwähnt.
Im Vorfeld: Einiger Unmut darüber, dass nicht eine, nicht zwei, sondern direkt drei lokale Bands das Vorprogramm stellen. Also, nicht dass wir uns falsch verstehen, lokaler Support ist was feines, aber davon gleich drei? Ginge ja fast als Schwerter Bandfestival durch - wenn Casanovas Schwule Seite nicht wären. Oder zumindest mal hier geprobt hätten, aber das werden sie ja später am Abend noch tun. Erstmal die erste Band: FALLOUT BABIES.
Habe ich ja erst vor 3 Wochen an genau derselben Stelle gesehen, demzufolge habe ich wenig Neues zu berichten. Und auch wenn ich die Band eigentlich ganz gut finde, so wirklich mitreißen tut mich das heute nicht, eigentlich sogar noch weniger als letztes Mal. Hoher Abnutzungseffekt, schätze ich mal. Ich schließe daraus: Es gibt Bands, die muss man sich nicht ständig angucken. Ha.
Achja, "Neues" zu berichten, ja doch, da wäre was, die Band hat nämlich ihre erste CD fertig gestellt und präsentiert diese heute feierlich. Einige Besucher können Freiexemplare abstauben mit profanen Mitteln: Songtitel erraten, oder "Zugabe" rufen. Mein Exemplar (hab ich Zugabe gerufen? Kann mich nicht entsinnen) liegt auf dem Schreibtisch. Über den Inhalt kann ich wenig sagen, gerade keinen CD-Player zur Hand (die Dinger sind ja eh bald ausgestorben), aber die Optik ist schön schwarzweiß gehalten. Na, immerhin.
Alle sind begeistert von Bassspieler Wolle, dessen auf dem Bassverstärker gelagerte Plektren dazu neigen, runter zu fallen. "Das war doof", sagt er. Vom Sänger darauf aufmerksam gemacht, dass er das in 40 Jahren Musikerdasein ja mal gelernt haben könnte, entgegnet er "nein, früher habe ich immer Bier auf den Verstärker gestellt. Das war auch doof."
Ansonsten ganz ähnlich wie immer, mir gefällt der oft vorhandene politische Kontext der Songs. Für zwei Lieder wird es sogar tages- und lokalpolitisch, als das Oberbürgermeisterkandidat-Lawigat als Gastsänger geladen wird und übers Rattenloch singen oder über die zunehmende Iserlohnisierung Schwertes sinnieren kann. Unter tosendem Applaus der anwesenden Sauerländer absolviert er seinen Gastauftritt.
Nächste Band: der RUHRSCHREI. Eine Band die mir öfter mal in diversen Situationen uner die Augen kommt, wenn auch oft nicht in Bandformat sondern eben "privat", was mir offen gestanden auch lieber ist, mit dem Toten-Hosen-­Betontod-­Dritte-Wahl-­Stadionrock der Jungs kann ich eher wenig anfangen.
Ist zwar irgendwie "okay" und vor der Bühne ist auch was los, aber mich fesselt das nicht lange. Und ich hab ja schon mal angemerkt, dass mir die Band zu viel Lokalpatriotismus versprüht, auch wenn sie selbst bestreitet, dies über Gebühr zu tun. Ich bekomme auch nur ein Lied so wirklich mit, da ging es irgendwie um den Sommer an der Ruhr.
Nunja, wie auch immer. Überlassen wir das Feld, oder den Platz vor der Bühne, doch lieber den Fans. Uns fällt das großzügig strukturierte Altersgeflecht des heutigen Tages auf: viele Jungspunde (wie wir alten Leute sagen) und viele alte Leute (wie die Jungspunde sagen), nur die Generation dazwischen ist irgendwie dürftig. Vielleicht hat Punk ja ne Generation übersprungen, das würde das erklären.
Dann endlich der Hauptgrund, warum wir alle, quer durch alle Altersschichten, heute hier sind: DER GIERIGE DIKTATOR! Lustiges Gespräch irgendwann vorm Auftritt, als ich dem Gitarristen vorschlug, für 10 Euro eine positive Kritik zu schreiben. Er ging daraufhin zur Sängerin, da er selbst nur 5 Euro beisteuern wollte. Na, immerhin! Ich versuche den Trick später bei Casanovas Schwule Seite nochmal, aber die lächeln nur müde. Zugegeben, von denen hab ich 12 Euro verlangt, das war vielleicht etwas hoch angesetzt. Ich kenn mich ja nicht aus, bin neu im Korruptionsgeschäft.
Der gierige Diktator, oder, wie sie im Vorfeld vor der Tür von einem jungen Fan (Name der Redaktion bekannt) genannt wurden, Der schmierige Vibrator. Die sind ja mittlerweile aus der hiesigen Punkszene gar nicht mehr weg zu denken! Eine Band, die ich schon sehr früh ins Herz schloss, weil der Name so toll ist. Und die Band so herrlich unverbraucht. Jaha!
Damit stehe ich zwar in meinem Freundeskreis relativ alleine da und hinter meinem Rücken wird schon über mich getuschelt (glaubt ja nicht ich würde das nicht merken!), aber ich bin Fan. Selbstredend. Mittlerweile hat der gierige Diktator sich auch sowas wie gesunde Bühnenarroganz heran gezüchtet. Wie der Gitarrist irgendwann einfach erbost seine Gitarre wegstellte und den Verstärker ausmachte: Göttlich! Geradezu Diktatorisch!
Highlight: Für einen Song tauschen Sängerin und Schlagzeugerin die Rollen, was es für mich kompliziert macht, über den Ablauf zu schreiben, wenn ich die Bandmitglieder nur aufgrund ihrer Funktion und nicht namentlich beschreibe, hm, also die Schlagzeugerin, die jetzt die Sängerin ist, meint sie sei schon leicht angetrunken, was ich nur gutheißen kann. Gespielt/Gesungen wurde, wenn ich mich richtig erinnere, dieser Coversong von Freude schöner Götterfunken, selbstredend ein Hit.
Ich finde aber, dass das eigene Material vom gierigen Diktator etwas unter geht, so viele Coversongs wie sie, vor Allem gen Ende des Auftrittes, im Programm haben. Dem Wunschklientel "besoffener Punker dem alles egal ist" ist das natürlich egal, und so grölen alle fleißig zu den Vengaboys und später zu Mülheim Asozial, was ja ungefähr auf einer Ebene ist.
Apropos Mülheim Asozial: Irgendwie die Band der Stunde, zumindest die Band der Umbaupause zwischen dem gierigen Diktator und Casanovas Schwule Seite: Gefühlt alle 10 Sekunden fiel nämlich irgendwo ein Bier auf den Boden, was die anwesenden Personen gekonnt kommentierten mit einem Zitat aus einem gleichnamigen (also, der Song hat den gleichen Namen wie das Zitat) Song von Mülheim Asozial. Wer mehr wissen will, sollte mehr Mülheim Asozial hören. Überhaupt sollte man mehr Mülheim Asozial hören.
Aber egal, wir sind ja hier noch beim gierigen Diktator. Super Ansage von Gitarrist Zwen (diesmal weiß ich sogar Namen und nicht nur Funktion), das ist der Gitarrist der seine Gitarre noch nicht weggestellt hat: "Putin ist ja ziemlich scheiße, aber es gibt Sachen die sind schlimmer als Putin,..." - die Sängerin unterbricht ihn, offensichtlich ist er in der Setlist verrutscht und sagt gerade den falschen Song an. Was noch nicht soo witzig ist, aber witzig fand ich, dass das nächste Lied "Sauerland" hieß.
Soviel zum gierigen Diktator. Falls ich's noch nicht erwähnte, ich bin ja Fan. Es wird sogar noch ne Zugabe gespielt (überhaupt haben die heutigen Vorbands große Freude daran, Zugaben zu spielen), und zwar endlich diese lupenreine Hymne über den Schwerter Holzpfosten-Verein, in der so herrlich "treu" auf "oi" gereimt wird. Großartig.
Ein paar runter gefallene Bierflaschen später: CASANOVAS SCHWULE SEITE! Hier in den ehrwürdigen Hallen des Rattenlochs! Zeit, nochmal ein paar Worte über das Publikum zu verlieren: Ist echt ziemlich gut gefüllt heute, so voll hab ich das Rattenloch schon länger nicht gesehen, was mein Herz erfreut (fast so sehr wie ein Auftritt vom gierigen Diktator).
CSS wie immer großartig, nur leider irgendwie heute, hm, wie soll ichs sagen, ich verwende mal die populäre Formulierung "einer ihrer am wenigsten besten Auftritte", ich würde mich sogar fast dazu hinreißen lassen das Ultimativum "der am wenigsten beste Auftritt" anzuwenden, auch wenn man bei derart absoluten Aussagen ja vorsichtig sein sollte.
Woran's lag: Tja, das muss die Geschichtsschreibung heraus finden. Ich kann ja ein paar Anhaltspunkte geben. Zum einen wirkte die Band manchmal etwas abwesend, kam mir zumindest so vor. An diverse Texthänger bei Claus hat man sich mittlerweile gewöhnt. Der Sound war auch schon mal besser. Die Ansagen, sonst ein Garant für puren Spaß, heute etwas dürftig.
In den Ansagen ging es unter Anderem darum, dass man vor der Abfahrt noch geprobt hatte, nämlich geprobt wie man Bier trinkt. Caddy schüttelt durchgehend den Kopf darüber, dass hier keiner seiner Aufforderung Folge leistet, so Queen-mäßig "we will rock you" zu klatschen. Auch die Raketen, die nach jedem Song angekündigt werden, zünden nicht so wirklich.
Publikum: Wie man sieht, gut was los, und die meisten haben Spaß inne Backen. Aber so wirklich ausrasten tut hier keiner, ich hab eher den Eindruck dass viele hier schon reichlich ausgelaugt durch den Genuss von zu viel Alkoholika und zu vieler Vorbands sind. Nunja.
Egal, genug der Rumkritisiererei! Bei Casanovas Schwule Seite ist jegliches Meckern ja schließlich auf höchsten Niveau (Phrasenschwein olé), schließlich ist die Band das beste was der deutschen Musiklandschaft seit der Mörderplatte "Wir haben Bock auf Rock" von Franz K (hieß der so? Keinen Bock das zu recherchieren) passiert ist. Okay, gut, mal abgesehen vom gierigen Diktator, der sollte auch dringlichst eine Platte namens "Wir haben Bock auf Rock" aufnehmen.
Gespielt wurden alle Hits, was so viel heißt wie: alles. Wunderbar. Weniger Textsicherheit bei den Songs der EP, dafür werden die Albumtracks allerortens mitgeschmettert. Im Scherbenmeer vor der Bühne wird gut gefeiert, aber immer noch so harmlos, dass ich relativ in Ruhe da stehen kann, ohne ständig umgerempelt zu werden (da fühle ich mich mittlerweile zu alt zu). Ab und zu fällt mal jemand auf den Boden, aber dafür scheinen alle ihr Bier feszuhalten.
Apropos festhalten: Claus muss dringend A-A, versucht aber noch inne zu halten. Leider sind Casanovas Schwule Seite ja NICHT die Band, die durch exzessiven Gebrauch von Erwachsenenwindeln in die Annalen der Punkgeschichte eingegangen sind, also bleibt ihm wohl nichts anderes übrig als zu hoffen, dass nichts raus rutscht. Oder er müsste die Kloschüssel des Rattenlochs sprengen, was mit Sicherheit auch kein Vergnügen ist.
Claus meint danach, das hätte es sehr schwer gemacht, den Gesang allzu exzessiv zu pressen, weil jegliches Pressen natürlich auch den Darm anregt. Ein Dilemma. Aber immerhin eine gute Erklärung dafür, warum er zwischendurch mal den Text nicht konnte. Nunja. Genug von Fäkalergüssen (hihi, Ergüsse), wir sind ja wegen der Musik hier.
Jaha, Casanovas Schwule Seite. Für mich immer noch die beste aller Claus-Bands, gar keine Frage. Würde Claus beim gierigen Diktator singen, wäre das natürlich anders. Achja, ich wollte ja zur Musik zurückkommen. Ach, egal. Auftritt zuende, Zugabe gibt's nicht (nicht einmal Filmriss), was ich ziemlich konsequent finde (auch weil es ja eh schon genug Zugaben von den Vorbands gab) und deswegen als Pluspunkt für Casanovas Schwule Seite verbuche.
Anschließend: Zeit im Rattenloch totschlagen, bis der Bus fährt. Und natürlich steht die Frage im Raum, ob der Bus diesmal überhaupt ans Ziel kommt, die Busfahrer zwischen Schwerte und Dortmund sind nämlich nicht unbedingt dafür bekannt, mit betrunkenen Punkermeuten umgehen zu können. Heute sind es dann ungefähr 30 Punker, die den Bus stürmen. Die Busfahrerin regt sich noch schön auf dass man doch vorne einsteigen solle und geht sogar durch den Bus, um nochmal von jedem das Ticket zu sehen.
Da rollt man ja schonmal genervt mit den Augen. Vorne einsteigen hat zwar seinen Zweck, aber es ist ja an sich gute Sitte, bei großem Fahrgastaufkommen und vielen Einsteigewilligen auch die hinteren Türen freizugeben - aber die Sitte ist in Schwerte wohl noch nicht angekommen. Die Busfahrerin hat auch irgendwann keinen Bock mehr, als ungefähr Dreiviertel der Fahrgäste ihre Tickets schwenken und rufen "ich nehm den da mit" oder "ich nehm sie mit", finde ich irgendwie ziemlich witzig. Und so kommt der Bus dann doch pünktlich am Ziel an. Geht doch.

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