Ratttengold, Lime Crush, 28.11.2014 in Hamburg, Fabrik - Bericht von tenpints
Ratttengold, 28.11.2014 in Hamburg
Ich werde alt. Oder vernünftig. Oder beides. Jedenfalls tausche ich dieses Mal fünf Stunden Nahverkehr gegen drei Stunden IC in der 1. Klasse (ist gar nicht so teuer, wenn man drei Monate vorher bucht) und Pennen auf nem WG-Boden gegen ein Hotelzimmer. Die Leute, mit denen ich dann in Hamburg aufs Konzert gehe, sind aber die gleichen. Cool!
Nachteil: weniger bis gar kein Klassenfahrt-Gefühl. Vorteil: alles andere. Die Zeit mit der Bande ist nämlich echt schön, aber auch recht anstrengend, und da ich jetzt schon weiß, dass ich Samstag schwer verkatert sein werde, bin ich froh über die Ruhe und die stressfreie Reise.
Wenn man Ruhe hat, sinniert man aber auch über vieles und wird dann traurig. Und wenn man dann noch viel getrunken hat und Gedanken Knoten bilden, kann's einem auch mal nicht so gut gehen. Ich nehme an, das gehört auch zum Älterwerden. Ach ja, möchte zufällig jemand mit mir eine Familie gründen? Bei diesem ganzen schönen Kinderkram im "Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik" komme ich mir vor wie ein einsamer Sonderling!
Na ja, gut, das Wochenende wird also eine emotionale Achterbahnfahrt, soviel ist jetzt schon klar. Letzten Endes aber eine, die gut ausgeht, soviel sei schon verraten! Einsamer Sonderling sein ist gar nicht so schlecht. Die Band LIME CRUSH ist auch nicht schlecht, aber auch nicht so gut und irgendwie überhaupt nicht emotional.
Sehr großer und stimmungsvoller Raum hier, bisher noch wenig gefüllt. Na ja, ein bisschen komme ich mir auch verarscht vor, letztes Jahr mit großem Tam-Tam der Abschied von Kommando Sonne-nmilch, dann plötzlich die Oma-Hans-Konzerte und jetzt also die All-Star-Oldie-Nummer, das nimmt dem Ganzen so ein bisschen das Besondere. Aber auch soviel sei schon verraten: Eigentlich stimmt das gar nicht.
Gegenüber der Fabrik gibt es übrigens einen Falafel-Laden. Da waren wir drin, und hinterher haben alle geschimpft! Und dann schimpft Melle auch noch über die Fabrik, die sei eine Art seelenloser Stahlbolzen in Veranstaltungsort-Form, ein Ort also, an dem das Bier zu teuer ist und alles hässlich. Nun ja, ich finde es eigentlich sehr hübsch und gemütlich. Nur die Bierpreise sind eine Frechheit, zugegeben.
Wenn man klug ist, verzichtet man auf überteuertes Fassbier und holt sich überteuertes Flaschenbier im 1. Stock. Dafür muss man nicht anstehen, und da ist ein Elefant. Auf dem Fernseher sieht man, dass RATTENGOLD gleich anfangen.
Am Anfang bin ich immer noch skeptisch, aber dann seh ich, wieviel BOCK die Herren und Damen haben. Die können einfach nicht ohne Punk. Das ist schon alles.
Viel Dackelblut und so, weniger Oma Hans, noch weniger Kommando Sonne-nmilch, aber gefühlt genau die richtigen Lieder ("DIENSTAG"!). Dackelblut, Alter, zwei der größten Alben der Musikgeschichte. Hätte nie gedacht, dass ich "Kinder kriegen Kinder" oder "Der Koch" mal live sehen würde und finde das irgendwie surreal, aber auch unglaublich gut. Schade nur, dass "Der letzte Drink" nicht dabei ist.
Alte Männer scheinen eine gewisse Anziehungskraft auf junge Frauen auszuüben. Zwei von ihnen tanzen auf der Bühne und bewerben sich damit für einen Platz als Background-Sängerinnen. Also, wenn's nach Jens Rachut ginge!
Dann folgt mein persönliches Highlight des Abends: ein kleiner, verhärmt aussehender Mensch in Lederjacke entert die Bühne, schnappt sich Andreas Ness' Mikro und teilt ihm in blumigen Worten mit, wie wichtig dessen Lieder für ihn seien.
Der Mensch verlässt die Bühne allerdings nicht wieder, was der ein oder andere nicht so gut findet, die Band allerdings ist begeistert und gerührt und bietet ihm einfach ein Mikro an. Sehr cool!
Textsicherheit ist zwar nur teilweise vorhanden, aber egal. Hab leider vergessen, was Rachut hier unverständliches sagt.
Ich komm aus dem seligen Grinsen nicht mehr raus, so schön ist das jetzt. Alle sind gerührt und lieben sich und feiern, dass es noch Gutes gibt auf der Welt, es ist fast schon ekelhaft.
Niemand schreibt so schöne und wahre Texte über das Leben wie Jens Rachut. Also jedenfalls manchmal. Vielleicht schreibt er ja jetzt einen Text über Christina. Wobei, hat er wahrscheinlich irgendwie schon, ich hab das Gefühl, das passt ganz gut.
Wenn ich mir gemerkt hätte, welche Lieder so gespielt worden sind, würden die jetzt alle hier stehen! Aber ich bin irgendwie wie im Rausch (Bier, Grübeleien, Glück, Trauer, alles zusammen, aber vor allem Bier, puh, da braut sich was zusammen, Magen oder so, muss mal wieder kacken) und kann's mir nicht merken.
Christina wird von den Grazien zum Bühnenrand komplimentiert, was Rachut erst unhöflich findet und seinen neuen Kumpel gerne behalten möchte, aber der Move ist eigentlich ganz gut. Die Band spielt "0832" zweimal, weil Rachut vergessen hat, dass sie's schonmal gespielt haben. Beim Singen sieht er's ein und entschuldigt sich. Letztes Lied ist dann, hm, keine Ahnung, hab ich vergessen, war aber toll.
Vorher nochmal ein großer Auftritt: Christina singt einen Teil von "Rücken" von Angeschissen, 1988. Ohne die Band, die hat's nämlich nicht geprobt.
Rücken
Und mein Herz, es ist am Kochen
und der Mond, er kotzt
die Welt, die schießt sich selber tot
und die Menschen stinken
bis sie irgendjemand killt
und alle sind in großer Not
Alles wär völlig geil
wenn die Liebe nicht ist
und das ganze doofe drum herum.
So come on schönes Mädel
sei mal richtig schlau
zeig mir deinen Rücken
und alles ist vorbei.
Ich möchte deinen Kopf in meine Hände nehmen
und dich küssen, daß die Hölle explodiert!
Mein Herz regiert mich und ich bin so scheiße drauf
es wäre gut, wenn du jetzt endlich gehst.
Und die doofe Liebe fordert ihre Opfer bald,
der Suff gehört zum täglich Einerlei.
Versuch bitte nie mehr mir ein Gefühl zu zeigen
Schließ deine Augen und geh an mir vorbei.
Und mein Herz, es ist am Kochen
und der Mond, er kotzt
die Welt, die schießt sich selber tot
und die Menschen stinken
bis sie irgendjemand killt
und alle sind in großer Not
Alles wär völlig geil
wenn die Liebe nicht ist
und das ganze doofe drum herum.
So come on schönes Mädel
sei mal richtig schlau
zeig mir deinen Rücken
und alles ist vorbei.
Ich möchte deinen Kopf in meine Hände nehmen
und dich küssen, daß die Hölle explodiert!
Mein Herz regiert mich und ich bin so scheiße drauf
es wäre gut, wenn du jetzt endlich gehst.
Und die doofe Liebe fordert ihre Opfer bald,
der Suff gehört zum täglich Einerlei.
Versuch bitte nie mehr mir ein Gefühl zu zeigen
Schließ deine Augen und geh an mir vorbei.
Prost, Mahlzeit, Nordlicht, 3 Uhr, es läuft so ein ähnliches Lied, "Verdammt ich lieb dich" von Matthias Reim. Ich geh ins Bett.