Nicht eingeloggt - Login [Registrieren]
Login X

Passwort vergessen?
Vainstream Rockfest, 02.07.2016 in Münster, Am Hawerkamp - Bericht von Schlossi

Vainstream Rockfest, 02.07.2016 in Münster

Es ist Samstag, es ist kurz nach 6 Uhr (morgens!) und ich bin im Zombiemodus auf dem Weg unter die Dusche. Was läuft hier falsch? Nichts. Heute findet in Münster das Vainstream Rockfest statt und meine Reisegruppe möchte tatsächlich schon um 8 (in Worten ACHT!) Uhr los, um ANY GIVEN DAY zu sehen (FunFact: Die haben wir leider verpasst.) und wenn ich  schon freundlicherweise chauffiert werde, nehme ich die frühe Abfahrt natürlich gern in Kauf, carpe diem und so. Außerdem hab ich dann die Chance, möglichst viele Bands zu sehen, wobei ich gar nicht weiß, ob das so gut ist, da ich mich heute um alles selbst kümmern muss: fotografieren, Bericht schreiben, Bier trinken und mich dann auch noch an alles erinnern. Ob ich dieser Mehrfachbelastung Stand halten kann? Wir werden es sehen.
Als erstes seh ich aber mal, dass das Vainstream ziemlich groß geworden ist. Gut, ich war das letzte Mal vor ungefähr zehn Jahren hier und da gab es eine Bühne und eine handvoll Getränkestände, mittlerweile gibt es vier Bühnen und unzählige Getränkestände.
Haken wir das Wichtigste direkt ab, der Bierpreis liegt bei 3€ für 0,33l und muss mit Wertmarken bezahlt werden. Normalerweise hasse ich diese Wertmarkensysteme, erst muss ich im Vorfeld schon mein Trinkverhalten abschätzen, dann am Wertmarkenverkaufsstand anstehen, danach nochmal am Bierstand und am Ende hat man doch immer entweder zu viele oder zu wenig Marken gekauft. Allerdings macht das Vainstream hier irgendwas richtig, es bilden sich nirgendwo lange Schlangen und ich geh am Ende auch nicht mit einem halben Vermögen in Wertmarken nach Hause.
Lobend erwähnen möchte ich übrigens auch die unglaublich hohe Anzahl an Toiletten. Wo man geht und steht hat man die Auswahl zwischen Dixis (sauber, mit Klopapier, ohne Wartezeit) und sogar wassergespülten sanitären Anlagen. Ich bin begeistert! Ein weiteres Kompliment an das Münsteraner Publikum, das offensichtlich aus lauter Frühaufstehern besteht. Nicht so von wegen "ach, ich schlaf erstmal bis drei, geh dann noch schnell einkaufen und schaff es vielleicht rechtzeitig zu K.I.Z", nee, hier spielen auch die 10.00Uhr-Bands vor vollem Haus.
Videoleinwände gibt's auch. Find ich gut, muss ich mich nicht bis nach vorne drängeln, sondern kann bequem hier hinten stehen bleiben und Fotos von Bildschirmen machen. Gerade in Aktion zu sehen BEING AS AN OCEAN aus Alpine, Kalifornien. Melodischer Hardcore (mit der Betonung auf melodisch) als Hintergrundmusik zum rumstehen, wach werden und Bier trinken. Kann man machen.
Danach kurz bei OUR LAST NIGHT reingehört. Post-Hardcore soll das sein, wobei ich mich frage, was das überhaupt noch mit Hardcore zu tun hat? Vielleicht haben die mal ein BLACK FLAG-Album bei Spotify gehört? Wenn man das unbedingt noch als Hardcore bezeichnen muß, wie wäre es dann mit Way-beyond-Hardcore?
Nach den niedlichen Boys von OUR LAST NIGHT, dann endlich richtige Männer, the unfuckwithable DEEZ NUTS. Dicke Hose Hardcore mit Metal-und Hip Hop Einflüssen at it's best. Nicht umsonst steht im Urban Dictionary unter deez nuts: "Look, my dick and balls are bigger than yours". Die Jungs wissen, wie der Hase läuft und setzen das auch in ihren Texten gekonnt um."Dudes love pussy. Bitches love dick. If you're fucking with them sluts, start better fucking with them rubbers, before your ass gets sick". Ich glaube, noch nie wurde in einer so klaren und doch poetischen Sprache über ein so wichtiges Thema wie Verhütung gesprochen.
Achja...DEEZ NUTS. Finden bestimmt viele hier voll gut, haben sicherlich ihre Berechtigung und musikalisch kann ich mir das auch durchaus mal geben, aber irgendwann ist es mir des Stumpfsinns zu viel, oder wie die Referentin bei dem "Hardcore & Gender"-Vortrag neulich so treffend sagte: "Das ist nicht mein Hardcore."Also, lieber noch ein Bier trinken und weiter zu WOLF DOWN.
Das mit dem Bier kommt bei der Straight Edge Fraktion jetzt wahrscheinlich nicht so gut an, allerdings frage ich mich schon die ganze Zeit, ob WOLF DOWN mit dem Ausstieg von Sängerin Larissa auch das X aus dem Bandnamen gestrichen haben?
Naja, solange sie sonst nicht sämtliche Ideale über Bord geworfen haben, kann man den fehlenden Buchstaben wohl verschmerzen. 
Zwar verpacken die Jungs aus dem Ruhrpott ihren politisch motivierten Hardcore auch in fette Gitarrenriffs, stumpfe Beatdowns und die obligatorischen Crew-Shouts, wirken dabei aber nicht annähernd so prollig und mackermäßig, wie andere Bands des Genres.
Das neue Album "Incite & Conspire" als Package mit Sturmhaube und Sprühschablone anzubieten find ich ein bisschen dick aufgetragen, aber war vielleicht auch gar nicht so bierernst gedacht. Oder?
Wie auch immer, die Band nutzt ihre halbe Stunde Spielzeit und macht keine Gefangenen. 
Die Green Hell Stage ist übrigens in der Sputnikhalle untergebracht und somit die einzige Bühne, die sowas wie Clubatmosphäre zaubert. Schön duster, mit stickiger Luft und viel Gedrängel. 
Nach WOLF DOWN stolpere ich kurz nach draußen und genieße das Wetter. Regenwahrscheinlichkeit 60% my ass!!! Strahlend blauer Himmel!...aber man soll ja den Tag nicht vor dem Abend loben.
Bevor sich meine Augen aber zu sehr ans Tageslicht gewöhnen, schnell wieder rein in den dunklen Club, da spielen als nächstes APOLOGIES, I HAVE NONE. Deren Bassist hat wahrscheinlich nicht für den Brexit gestimmt.
Ich bin ja großer Fan ihrer 2012 erschienenen "London"-LP, da reiht sich eine Punkrockhymne an die nächste, mit dem Rest konnte ich danach leider nicht mehr so ganz warm werden. 
Dankenswerterweise spielt die Band ihren Hit aber direkt zu Anfang. "Give me east London summer, give me under the radar and I'm done!" Wunderschön. Nach drei Liedern zieht es mich dann aber schon wieder nach draußen...
...wo ich auf die süßen Mäuse aus meiner Reisegruppe treffe. Eine ganz sicher tiefsinnige Unterhaltung, noch mehr Bier und ungefähr zweihundert lustige Fotos später werde ich langsam ungeduldig...aber dann ist er endlich da!
Der Christian, der Steiffen! Meine Damen und Herren, das Bernsteinzimmer der guten Musik: Christian Steiffen!!!
Nonchalant schüttelt er ein musikalisches Kleinod nach dem anderen aus dem berüschten Ärmel. Mal berührend, mal philosophisch, mal einfach nur schmissig und tanzbar, zeigt sich Steiffen facettenreich wie eh und je und unterstreicht einmal mehr seine Rolle als eine der führenden Persönlichkeiten im Showbusiness.
Kongenial begleitet, wie immer, von Dr. Martin Haseland, musikalisches Multitalent und Leiter des Original Haseland Orchesters.
Böse Zungen behaupten, das hier sei überhaupt nicht lustig. Und sie haben recht! Das ist nicht lustig, das ist Kunst, ihr Banausen!! Hier geht es um große Emotionen, Songs wie "Eine Flasche Bier", "Du hasst die Menschen einfach gern", oder "Ein Leben lang" kann man nicht einfach nur anhören, die muss man fühlen!
Während der Arbeiter der Liebe gewohnt hart abliefert, gibt es im Publikum kein Halten mehr und die Ordner haben Mühe, die Menschen- oder sollte ich sie gar als Jünger bezeichnen?- unter Kontrolle zu bringen. 
Kein Berg ist zu hoch, kein Tal zu tief um sie davon abzuhalten, ihrem großen Idol nahe zu sein, denn sie wissen, hier ist jemand, der sie versteht. Die Christianisierung schreitet voran und sie ist nicht mehr aufzuhalten.
Ich kann es nur immer wieder sagen: wie gut, dass du hier bist!
Nach dem fulminanten Auftritt Christian Steiffens nehme ich den Rest des Vainstreams erstmal lange Zeit nur durch einen Nebelschleier wahr. Ich entsinne mich, in der Sonne gesessen und einen florierenden Taschentücher-gegen-Zigaretten-Tauschhandel betrieben zu haben, während ANTI-FLAG die, Zitat, "beste Show" des Festivals ablieferten. Kurz überlege ich, Sprachnotizen mit meinem Telefon aufzunehmen, verwerfe den Gedanken jedoch, da ich das Genuschel und Gelalle am nächsten Tag wahrscheinlich eh nicht mehr verstehen kann. Irgendwann fängt es an zu regnen, aber wir haben gelbe Regenponchos am Start. Offensichtlich bin ich mit Profis unterwegs. Ausgezeichnet! Ich hole noch mehr Wertmarken für Bier.
Dann scheint wieder die Sonne und H2O spielen. Von denen hab ich in grauer Vorzeit mal ein Album besessen und kann sogar noch den ein oder anderen Text mitträllern. Wenn ich mir mal alle Mikrofontypen so gut merken könnte...
Ähm, ja...egal. Zurück zu H2O. Melodischer Hardcore (mit der Betonung auf Hardcore)...aber eigentlich braucht man H2O nicht mehr groß vorzustellen, oder?! Deshalb vielleicht ein bißchen Gossip am Rande. Sänger Toby Morse besitzt, laut Aussage von Bassist Adam Blake, die größte ungeöffnete Sammlung von Nike Sneakern an der gesamten Westküste. Irre, oder? Und jetzt hab ich mir ne Spitzenüberleitung ausgedacht, also aufgepasst: Obwohl die Band letztes Jahr ihr 20jähriges Bestehen feierte, wirkt sie auf der Bühne noch fit, wie ein Turnschuh. Tusch, Abgang Kulisse links.
Auf der Lonsdale-Stage spielen jetzt nämlich BOYSETSFIRE und die möchte ich definitiv nicht verpassen. Mir ist es ja meistens relativ egal, wenn Bands sich auflösen, aber als die Jungs 2006 ihre Trennung verkündeten, hätte ich fast ein Tränchen verdrückt. Seit 2010 sind sie glücklicherweise wieder vereint und haben mit den Alben "While a nation sleeps..." und dem selbstbetitelten "Boysetsfire" auch zu ihrer alten Stärke zurückgefunden.
Kommt natürlich nichts an "After the eulogy" ran, aber selbst schuld, wenn man so ein Überalbum herausbringt. Von selbigem spielen sie natürlich auch "My life in the knife trade", einen meiner All-Time-Favorites. Ja, so ist das mit Lieblingsbands, einige verlieren irgendwann an Relevanz und einige können mich auch nach Jahren noch begeistern.
Leider haben Boysetsfire auf ihrer Facebook-Seite verlauten lassen, dass sie nach den Shows im Sommer erstmal eine Pause einlegen wollen, da Goldkehlchen Nathan Gray, mittlerweile mit adrettem Harry-Rowohlt-Gedächtnisbart, sich verstärkt um seine Soloaktivitäten kümmern möchte. Also, nutzt die noch anstehenden Festival-Termine in Eschwege, Püttlingen und Rothenburg ob der Tauber!
Aber wie im Leben, ist es auch auf Festivals immer das Gleiche, entweder es ist nichts los, oder alles auf einmal und so muss ich das Gelände leider zu den Klängen von "Rookie" verlassen, auf der Green Hell Stage geben sich jetzt MANTAR die Ehre.
Die seh ich dieses Jahr auch schon zum dritten Mal und bisher kann ich keine Abnutzungserscheinungen feststellen. Die Bremer liefern wieder das volle Doom-Metal-Punk-Brett.
Mir gefallen sie ja in etwas kleineren Läden besser, deshalb bin ich ganz froh, dass sie im dunklen Club auftreten und nicht bei strahlendem Sonnenschein auf der Hauptbühne. Könnte mit steigendem Bekanntheitsgrad natürlich irgendwann schwierig werden und mit neuem Label im Rücken sind die Headliner-Slots wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit.
Aber den Erfolg und die Aufmerksamkeit hat die Band definitiv verdient, touren Gitarrist Hanno und Schlagzeuger Erinc  doch seit geraumer Zeit unablässig durch die Lande und davon mal ab, ist die Musik auch einfach großartig. Düster, aggressiv, laut und mit einer schön rotzigen Punkattitüde.
Und bestimmt funktionieren Songs wie "Era Borealis" von der aktuellen zweiten Platte "Ode to the flame" auch im Rockstadion, so mit Hände über dem Kopf klatschen. 
Hübsches Spielzeug und mitverantwortlich für den Sound von MANTAR. Hier fiept, brummt und rauscht es an allen Ecken und Enden. Egal! Alles muss verzerrt sein!!!!
Praise the plague! 
Jetzt ist aber auch gut mit den ganzen Ausrufezeichen. 
Nach MANTAR kann nichts mehr kommen und so treten wir geschlossen die Heimfahrt an.
Danke ans Vainstream für ein hervorragend organisiertes Festival mit guter Musik und netten Leuten und natürlich vielen Dank an meine Reisegruppe für Chauffeurdienste und das ganze Bier. Es war mir ein Fest!

Bitte hier klicken, um diese Seite bei Facebook zu liken oder zu teilen. Mehr Infos, wie wir mit Einbettungen von externen Anbietern umgehen, hier.

Berichte auf anderen Webseiten:

Kommentar eintragen:

Zwen
(Zwen)
06.07.2016 20:15
Der Punkrock-Praktikant weiß wieder mehr: Wolf Down haben sich ja einen neuen Sänger und einen neuen Bassisten ins Boot geholten. Beide waren niemals Straight Edge und deswegen grenzt man sich davon heute so ein bisschen ab.

Quelle: http://noisey.vice.com/de/blog/interview-wolf-down-hardcore-392
schlossi

06.07.2016 20:48
Ich seh schon, du wirst mal ein würdiger erbe des bierschinken-imperiums werden :-)

Kommentar eintragen - Anmerkung, Kritik, Ergänzung

Name:

e-Mail:

Kommentar:
Deine Eingaben werden bis auf Widerruf gespeichert und für Nutzer der Seite sichtbar.
Die Angabe der Email-Adresse ist freiwillig und sie bleibt nur sichtbar für eingeloggte Nutzer.
Weitere Infos in unserer Datenschutzerklärung.

Weitere Infos zu den Bands: Vainstream Rockfest, Being As An Ocean, Deez Nuts, Wolf Down, Apologies, I Have None, Christian Steiffen, H2O, Boysetsfire, Mantar
Location:

Zu den meisten Berichten werden nur ausgewählte Fotos verwendet.
Falls du mehr oder größere Bilder haben willst, wende dich an den Autor (Schlossi) oder nutze das Kontaktformular.
Dort kannst du dich auch melden, falls du mit der Veröffentlichung von Fotos, auf denen du zu sehen bist, nicht einverstanden sein solltest oder dich gar die Kommentare persönlich verletzen...
part of bierschinken.net
Impressum | Datenschutz