Seepogo Tag 1: Zebrahead, John Coffey, Snuff, DeeCracks, Lulu & die Einhornfarm, Melonball, Out of Plan, 19.07.2024 in Selters-Münster, Lago Alfredo - Bericht von der Redaktion
Seepogo Tag 1, 19.07.2024 in Selters-Münster
Mensch, der wird echt immer älter. Gude! Ah ne, das ist ja die Grußformel. Ich hatte gestern Geburtstag & so sind wir einfach schon einen Tag vorher zum Seepogo gefahren, haben eine Hütte und Fahrräder gemietet und werden ganz entspannt dem Campingplatz fernbleiben. Derweil warte ich jetzt hier auf deine baldige Ankunft!
Wir haben den Morgen für ein reichhaltiges Frühstück genutzt, sind herumgegammelt und pünktlich zur ersten Band haben uns die Fahrräder zum Seepogo gebracht. Um nicht Stunden ohne Klimaanlage durch die Hitze gurken zu müssen, bin ich direkt von Press Club in Stuttgart über Nacht nach Mainz gefahren, um dort zu übernachten. Nachdem ich die Check-Out Zeit des Hotels maximal ausgereizt habe, fülle ich erst den Tank meines Autos, dann meinen eigenen. Das ist ungelogen das leckerste Curry, das ich je hatte.
Im Rewe in Niederselters muss ich feststellen, dass es kein gekühltes Dosenbier gibt. Das ist aber nicht ausverkauft, sondern es gibt einfach keines. Was läuft denn da falsch? Vielleicht liegt es daran, dass es eh nur schlechtes Bier gibt. Trotzdem nehme ich mir zwei Dosen mit, die ich mir für Samstagmorgen unters Auto lege. Die werden schon kalt werden. Der Aufbau meines Camps ist schnell erledigt, denn ich schlafe dieses Wochenende einfach im Kofferraum bzw. auf der umgeklappten Rücksitzbank. Wenn ich schon einmal Auto fahre, muss sich das schließlich in irgendeiner Hinsicht lohnen.
Die Vocals und Instrumentals sind passabel, aber die Texte zum großen Teil echt schlimm. "Wer hört sich so einen Scheiß an", heißt es in einem Song und wünschte mir, die Truppe würde sich das zu Herzen nehmen. Aber was meckere ich eigentlich, denn Out of Plan hat Pfeffi fürs Publikum mitgebracht! Nach ein paar Einheiten davon ist es schon erträglicher. Später entdecke ich allerdings noch einen Rammstein-Patch auf der Kutte des Gitarristen auf der rechten Seite. Da hilft auch kein Pfefferminzlikör. OUT OF PLAN machen den Festivalopener und mir taugt so gar nicht. Neben Schnäpsen werden auch reichlich Aufkleber verteilt und so komische Gummihände für einen Mitmachsong - echt clever, mit Abfall um sich zu werfen. Dieser ganze Poprock-Kosmos mit all ihren Interaktionsgetue geht mir super auf den Sack, sodass wir uns irgendwann weit hinten in den Schatten verziehen.
Nach dem KNRD letztes Wochenende ist es für mich ein schnelles Wiedersehen. Heute spielen Drummer Jonny und Gitarrist Mally wieder mit, obwohl vor einigen Wochen ihr Ausscheiden aus der Band bekannt gegeben wurde und sie beim KNRD schon durch Personal von den Deadends ersetzt wurden. Nach dem dritten Mal live bin ich immer noch nicht der größte Fan der Musik, dafür von den Leuten. Mir ist es sehr sympathisch, dass sie sich wieder das ganze Wochenende unters Publikum mischen und andere Bands schauen. Das war beim Wasted! und KNRD schon so. Bei der Vielzahl an backstageabhängigen Künstlern ist das leider nicht üblich. MELONBALL holen mich mal wieder voll ab, während die Sonne wie von Sinnen auf der Birne brennt. Einfach eine Sympathische Band!
Einfache Songs gegen die Scheißigkeiten des Lebens, bei denen man sofort mitgröhlen kann, gehen mir auf einem Festival gut rein. Für meinen Walkman würde ich es mir jedoch nicht holen. LULU & DIE EINHORNFARM machen live unglaublich Laune. Herrliche Hits, endlich gibt‘s auch einen kleinen Moshpit und wir feiern die Band.
Wir haben uns mit Lulu-Merch eingedeckt und dann ein wenig den DEECRACKS gelauscht. Gefällt mir gut, aber so richtig in Fahrt komme ich nicht. Muss wohl die Hitze sein. Erst beim Guntiafestival festgestellt, dass es zu wenige kleine Bands im Stil von Teenage Bottlerocket und Konsorten gibt, da stellen sich DEECRACKS aus Österreich breitbeinig mit tief hängenden Klampfen auf die Bühne und stellen die Mikrofone auf Höhe stark überspannter Nacken. Ich mag das Simple in den Songs sowie der Besetzung und trotzdem ist es charaktervoll.
SNUFF haben mir gut gefallen, ich haushalte aber mit meinen Energiereserven für die folgende Band. Bei SNUFF wissen scheinbar viel zu wenige im Publikum, wie cool die Band ist. Okay, ein bisschen kann ich es nachvollziehen, weil es bei mir auch besser ankam, als ich sie letztes Jahr im Goldmarks, einem überschaubaren Club in Stuttgart, erlebte. Dieses Mal stechen für mich die neueren Songs, die man schon als Hardcore Punk verstehen kann, besonders hervor. Wer Snuff kennt, weiß, dass die Band abseits des musikalischen gleichermaßen unterhaltsam ist. Speziell Drummer Duncan lässt nie peinliche Stille entstehen, weil er viel zu gerne Unsinn redet.
John Coffey, von mir liebevoll John Café genannt, bläst mir echt die Birne weg: geil aufgebaute Songs, instrumentell astrein und kräftige Schreistimmen. Zudem ist es ein gutes Beispiel für eine Band, bei der alle Mitglieder maximale Stimmung abgeben, was mir bei so vielen Kapellen fehlt. Apropos Mitglieder, Gitarrist Chris wird durch Pim von Two and a Half Girl ersetzt. Zeitweise find ich die Darbietung von John Coffey so überragend, dass mich vollkommener Enthusiasmus übermannt. Wenn da nicht das ständige Anstiften zum Abgehen wäre und der Umstand, dass der Sänger wieder auf die Lautsprecher springt. Darauf steht nämlich unübersehbar geschrieben, das zu unterlasssen, was auch alle außer er hinbekommen. JOHN COFFEY - Grund für unsere Reise zum Seepogo. 13 Songs bekommen wir in die Gehörgänge geprügelt. Mitunter eine der besten Livebands aller Zeiten. Im Anschluss benötige ich ein Sauerstoffzelt und brauche eigentlich heute keine weitere Band mehr.
Bei Zebrahead kommt natürlich viel Energie rüber und die bekannten Songs machen Spaß, selbst wenn der Gesang lang nicht so gut wie auf Scheibe ist. Dubios finde ich die Supporter, die hinter einer extra aufgebauten Theke stehen, auf der schön drapiert Schnaps und Mischgetränke stehen. Ich warte sehnsüchtig auf meinen Anteil, aber vergebens. In der Hinsicht war mir Out of Plan lieber. Diese Supporter sind scheinbar für Gang Vocals verantwortlich, also zumindest schreien sie hin und wieder in ein Mikro, das vor ihnen steht. Jedoch kann ich davon rein gar nichts hören, selbst wenn sie sich alle gemeinsam bemühen. Logischerweise stachelt auch Zebrahead bei jedem zweiten Song ein Circle Pit usw. an. Vielleicht ist das so eine Sache des Selbstwertgefühls. Unterm Strich muss ich aber sagen, dass das alles noch annehmbar ist. Größere Starallüren gibt es keine. Trotzdem höre ich das letzte Viertel des Sets dann lieber vom Parkplatz aus zum Zähneputzen.
Wir fallen ins Bett und haben hoffentlich morgen neue Energie. Ich verlasse nach ein paar Songs den Moshpit von ZEBRAHEAD, wir steigen auf unsere Fahrräder und gurken in die Ferienwohnung. Zebrahead wie immer ganz okay, die großen Hits kennt man ja, aber so richtig abholen mag es mich nicht - vorallem weil mich John Coffey so sehr ausgelaugt haben.