Shelter, Speedway, Hardstrike, 08.04.2025 in Essen, Zeche Carl - Bericht von poly
Shelter, 08.04.2025 in Essen
Den Anfang machen Hardstrike aus Köln und Karlsruhe, fünf Herren zwischen 40-55 und diversen Beintattoos. Auch diesbezüglich bin ich geheilt, die dazugehörige Geschichte sprengt hier allerdings den Rahmen, nur soviel sei gesagt, nach dem nächsten Foto.
mein Erlebnis mit jemanden, der sein frisch gestochenes Beintattoo zum ersten Mal betrachtete und sein bruchteiliger Blick haben sich in mein Gedächtnis eingeprägt. Ich vermute, heutzutage trägt er dort einen schwarzen Balken.
Wie auch immer, Hardstrike sind supersympathisch, spielen die ganze Palette aller nennenswerten HC/Punk- Riffs einmal durch, der Sänger gesteht seine Angst vor den ganzen Rechten und Faschisten, die im Begriff sind, die Macht zu übernehmen, vor allem im Hinblick auf seinen vor zwei Jahren geborenen Sohn. Nachvollziehbar. Ein Highlight hingegen ist es für ihn, mit Shelter auf der Bühne zu stehen, die er damals mit 16 zum ersten Mal live gesehen hat.
Ich gehe kurz raus, um die Pause zwischen den beiden Vorbands zu überbrücken und verquatsche mich total. Das passiert mir eigentlich nie, wenn ich mir ein Konzert anschauen will, allerdings war ich länger nicht unterwegs und ein Minimum an sozialem Kontakt außerhalb des alltäglichen braucht schließlich jede*r, also auch ich.
Die Band ist aus Schweden und bringt nächste Woche bei Revelation Records ein neues Album heraus. Soundmäßig beschreiben würde ich die als New Old School, wenn damit etwas angefangen werden kann.
Sprich, die spielen den guten alten Revelation HC mit Schrei- und Mitgrölkante im nichtprolligen Stil, hier und da ein paar Soli eingestreut. Außerdem sind die Typen alle jung. Was ich gehört habe, hat mir gut gefallen.
Nach der Umbaupause und einer kurzen Wartezeit. Ein spirituell anmutendes Lied erklingt, möglicherweise das Intro. Danach ist erst einmal Stille. Die ersten Zwischenrufe werden lauter, Youth of Today Songs werden gerufen. Da bist du hier wohl falsch. Ein weiteres Intro erklingt, diesmal deutlich Krishnamäßiger. Raghunathyogi alias Ray Cappo kommt als letzter auf die Bühne und hält ein Räucherstäbchen in der Hand. Hm, ok...
Wie er sich dann in einer Art Yogisitz auf die Bühne setzt, schwant mir erst einmal Böses. Ich hatte mir 1991 die erste Shelter-Platte Perfection of Desire gekauft, weil ich natürlich Fan von Youth of Today war. Über diesen Krishnakram hatte ich damals gar nicht nachgedacht, es hatte mich schlicht nicht interessiert. In einem Fanzine, an dem ich mitgeschrieben hatte, hatten wir dann einen Infotext veröffentlicht, basierend auf einer Broschüre von den Krishnas.
Dies führte dann zu meinem ersten Kontakt mit Armin von X-Mist, der leider vor knapp zwei Jahren verstorben ist. Er "rezensierte" unser Fanzine in seiner monatlichen Newsliste, indem er es als die größte Lachnummer, der er jemals begegnet war, hinstellte, unter anderem auch wegen des mäßig recherchierten Krishna Werbeartikels. Der anschließende Briefwechsel zwischen ihm und mir führte immerhin zu einer jahrzehntelangen freundschaftlichen Bekanntschaft, Shelter allerdings verlor ich danach schnell aus den Augen.
Aber gut, ich spare mir jetzt eine weitere Analyse ihrer "Religion" und konzentriere mich auf das Konzert. Die Band legt sofort los, mit dem Abklingen des Intros wird bester melodiöser NY-HC Manier geboten, das komplette, mir nur entfernt bekannte Mantra-Album wird gespielt.
John Porcelly alias Porcell alias the Harcoreyogi braucht ein paar Minuten, um warm zu werden, seine Spielfreude wird anschließend mit jedem Song größer. Rays Ansagen zwischendurch sind nicht peinlich, eher allgemein gehalten, er erweckt nicht den Eindruck, irgendjemanden von irgendetwas überzeugen zu wollen, außer vielleicht davon, andere Menschen anständig zu behandeln.
Da kann ich dann auch mitgehen bzw. mittanzen. Auffällig viele Leute sind heute am Stagediven, mindestens einer ist mir auf den Kopf gesprungen. Ein bisschen niedlich ist ein Junge, um die 12 würde ich schätzen, aus dem Shelter-Umfeld, der scheinbar zum ersten Mal von der Bühne gesprungen war. Er war anschließend total angefixt und ist mindestens noch zehn weitere Male in die Menge gehüpft. Da er rein gewichtsmäßig am unteren Ende der Skala war, wurde er auch regelmäßig aufgefangen, im Gegensatz zu einem Mittdreißiger, der mindestens dreimal einfach auf den Boden knallte. Aua.
Ray springt wie in alten Zeiten und nachdem die Mantra durch ist, kommen noch ein paar Tracks von vorherigen Platten, unter anderem In defense of Reality, Turn it around und vor allem der Title Track Shelter, an den ich mich noch sehr gut erinnere. Der war für einen kurzen Sommer ein Hit in meiner damaligen Community.
Bleibt zu resümieren, dass es entgegen meiner Erwartungen überhaupt nicht peinlich war. Die Songs klangen unverbraucht, dass Spirituelle war auf ein Minimum reduziert, das Publikum war begeistert und feierte jeden Song enthusiastisch. Natürlich könnte ich hier und da meckern, aber was nutzt es. 2025 ist HC/Punk eine Industrie wie andere auch, da tut es schon gut, einige originale Interpreten dieser Musik noch einmal live zu erleben. Bei einem meiner ersten Konzerte damals, Gorilla Biscuits in der Kornstraße Hannover, saß Sammy Siegler hinter den Drums und Porcell war an der Gitarre. Augenscheinlich sind die Jungs in Würde älter geworden und vor allem Sammy, der mit Religion etc nichts am Hut zu haben scheint, wurde dementsprechend von dem Publikum gefeiert. Ein guter Typ. In diesem Sinne...Here we go again.