1. Mai Open Air: Remote Bondage, Detlef, Pastor Gerald, 01.05.2025 in Hannover, Bei Chez Heinz - Bericht von Fö
1. Mai Open Air, 01.05.2025 in Hannover
Naja, es bleibt trotzdem nur bei einem Tagesausflug. Mittags hin, abends zurück. Schuld ist zum Beispiel, dass an diesem Wochenende in Hannover der evangelische Kirchentag ist. Puh. Ich finde es immer schwierig, wenn Sekten von Behörden hofiert werden, enthalte mich aber mal allzu ausführlicher Lästereien. Jedenfalls sind deswegen Unterkünfte unbezahlbar und die Stadt voller Menschen. Ich will denen ihren Glauben ja gar nicht vorwerfen (wobei doch, eigentlich schon), aber das ist doch nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Das Erschreckende ist, dass sogar junge Leute diesen Firlefanz mitmachen.
An bisherige Kirchentage hab ich zwei Erinnerungen:
- Weltjugendtag 2005 in Köln. Zufällig zeitgleich mit einem Konzert von Social Distortion. Die Stadt Köln soll verfügt haben, dass Weltjugendtags-Besucher*innen gratis zu Kulturveranstaltungen dürfen. Und tatsächlich lässt die überforderte Security irgendwelche Dullis aufs Konzert, die kein Ticket haben, aber eben den Weltjugendtag besuchen. Verrückt!
- Kirchentag 2011 in Dresden. Zufällig zeitgleich mit dem Atomsmasher Festival. Ich bin mit Pascow da und wir laufen nachmittags durch die Stadt. Eine Gruppe jugendlicher Christen performt/tanzt/singt/rappt einen Song mit dem irren Text "Wir beten um unseren Segen weiter zu geben" und in mir windet sich alles.
- Ansonsten gabs noch den Kirchentag Dortmund 2019. Da war ich aber nicht in der Stadt sondern im Ukraine-Urlaub. War also kein gutes Omen.
PS: Geht euch das Wort "Weltjugendtag" auch so schwer von den Lippen und wollt ihr auch immer unwillkürlich "Weltturbojugendtag" sagen?
Die Fahrt nach Hannover: Eigentlich easy, aber direkt der erste Zug kam mit 70 Minuten Verspätung. Gut dass ich Zeitpuffer eingeplant hab! So kann ich in Ruhe über den Kirchentag schlendern und direkt nach dem ersten musikalischen Beitrag die Beine in die Hand nehmen.
Wie erwähnt, viel Angebot - und leider alles mehr oder weniger parallel. Deswegen starte ich direkt durch zum Béi Chéz Heinz. Verpasst habe ich Chester Park, dafür sind jetzt gerade PASTOR GERALD dran.
Bitte was? Ein PASTOR? Ich habe gerade nochmal nachgeschaut, ein Pastor ist ein katholischer Pfarrer, der Kirchentag aber ist evangelisch. Ich gehe also mal davon aus, dass Pastor Gerald sowas wie der Erzfeind der Evangelischen Kirche ist. Kirche ist nämlich nichts ohne vernünftige Feindbilder. Mögen die Spiele beginnen.
Zu hören gibt es Deutschpunk der bequemen Sorte, nicht sonderlich räudig aber auch nicht zu glatt. Der Hauptgesang wechselt immer mal zwischen den Protagonist*innen, was dem Auftritt auf jeden Fall gut tut, weil mehr Variation. Der Schlagzeuger hat ein Sample Pad, das bringt auch Variation, tut dem Auftritt aber überhaupt nicht gut.
Insgesamt okay. Es gab auch mal was gegen Bullen und die anderen besungenen Themen hab ich schon wieder vergessen. Achnee, Moment, noch was gegen den Timmendorfer Strand, der Bassist hat anschließend noch dazu aufgerufen, äh, nee, er hat natürlich zu nichts aufgerufen und ich hoffe, dass die Opfer sich schnell von ihren Verletzungen erholen.
Ein Prediger ist doch nichts ohne seine Jünger, deswegen schallen bald zaghafte "DETLEF! DETLEF!"-Rufe durch den Hof, die sich im Verlaufe des Abends noch weiter potenzieren werden. Ja richtig, DETLEF erklimmen nun die Bühne, einige flott, andere zaghaft, aber der Hexenschuss wurde gekonnt überspielt.
Es beginnt ein großartiger Auftritt! Was haben die doch bloß für Hits! Just like Donnerstag, Männer die gern tanzen, Casual Friday, Ich hasse Kopenhagen obwohl ich noch nie da war, Ordnungsamt, Übergangsjacke. Alles geil!
Achja: Wer an Gott glaubt, zahlt beim Merch 5 Euro mehr!
Achja: Wer an Gott glaubt, zahlt beim Merch 5 Euro mehr!
Ich werde im Verlaufe des Auftrittes immer mal wieder an das gestrige Konzert von Burnout Ostwest erinnert, weiß gar nicht wieso, aber man sucht ja immer nach Vergleichen. Burnout Ostwest wird nachgesagt, sehr gute Texte zu haben. Das würde ich Detlef aber auch ohne Umschweife attestieren! Bis auf 1-2 Ausnahmen: Nachdem ich "Der gute Mensch" anfangs noch witzig fand, ist das mittlerweile der schlimmste Song im Set. Wo ist die cancel culture wenn man sie braucht.
Burnout Ostwest fand ich musikalisch recht eintönig. Es gab schon Stimmen, die Detlef ähnliches zugeschrieben haben, aber ich kann dem einfach nicht zustimmen. Alleine schon die doch sehr unterschiedlichen Gesangsstimmen! Achja, wie immer ist Frank zu laut und Achim zu leise, aber das war schon mal schlimmer.
Burnout Ostwest wird auch nachgesagt, gute Songtitel zu wählen. Sie haben ein Lied namens "Empathie als Hobby", Detlef haben ein Lied namens "Manchmal hasse ich mich selbst für meine ganze Empathie". Klare Kiste, Punkt an Detlef.
Naja, ansonsten haben Burnout Ostwest nicht wirklich was mit Detlef zu tun und alle Vergleiche hinken. Ich wollte nur diesen Bericht füllen.
"Wie kann man sich nur nicht für Fußball interessieren" mit Olli Bockmist am Gastgesang. Kein Foto davon, Ollis Gesicht muss man oft genug irgendwo sehen. In Hannover vermutlich noch mehr als anderswo.
Ich finds immer wieder schön, wenn ein anfangs zurückhaltendes Publikum nach und nach immer mehr aus sich heraus wächst. Und das war heute eine ganz steile Kurve! Hier ein Peak in Form eines Circle Pits mit Anleihen an Drunken Kung Fu.
Steile Gitarre, Fuchsschwanz, wat willste mehr! Rechts im Bild Olli Bockmist (wegretuschiert, muss man oft genug sehen, ihr wisst schon).
"Gestern auseinandergelebt" war der einzige Supernichts-Song im Set oder? Schade! Aber was ein Hit! Insgesamt ne knappe Stunde Spielzeit, eigentlich zu wenig und viel zu schnell vorbei. Beim Bierschinken eats FZW werden sie vermutlich noch weniger Spielzeit haben, ich entschuldige mich schon mal im Vorfeld.
Parallel dazu versucht Angela Merkel, eine Rede auf dem Kirchentag zu halten, kommt aber einfach nicht zu Wort weil "DETLEF! DETLEF!"-Rufe vom Bei Chez Heinz rüberschallen. Sorry Angela! Du schaffst das!
Ich gebe zu, Detlef hab ich schon sehr oft gesehen, da weiß ich was mich erwartet, aber jetzt bin ich sehr gespannt auf REMOTE BONDAGE! Hab's bisher immer verpasst die Band mal irgendwo live zu sehen, also heute ne gute Gelegenheit. Die Musik ist auch einfach ein totaler Kontrast zu Detlef zuvor, Daumen hoch fürs Booking. Bei Remote Bondage werde ich es mir nun wirklich komplett sparen, sie mit Burnout Ostwest zu vergleichen.
Remote Bondage ist ne junge Band aus Berlin, gegründet vor 3 Jahren im, haltet euch fest, Eventim Popkurs! Eventim ist ein blutsaugender monopolistischer Kommerz-Drecksladen und finanziert den Popkurs vermutlich nur, um zu tun, als würden sie Nachwuchs supporten, den sie sonst mit Füßen treten. Aber das kann ich doch Remote Bondage nicht vorwerfen!
Direkt am Anfang spielen sie "Skorpion", was für ein unfassbarer Ohrwurm! Drei Sängerinnen plus Bass plus Schlagzeug, und manchmal Gitarre. Vom Band kommt erstaunlich wenig, das klingt auch so sehr ausgefeilt. Achim erklärt mir irgendwas davon, dass am Bass so Oktaven gespielt werden, was total schwer sei - ich hab da keine Ahnung von aber halten wir mal fest, dass die Instrumentenfraktion einfach verdammt gut ist!
Auch Gesang, Tanz, Performance, Ansagen, alles sehr souverän. Was für Stimmen! Natürlich ist das Pop und manchmal klingt mir das zu sehr nach Radio, aber dann kommt wieder irgendein Kniff, und sei es nur ne Textzeile, die das Ganze spannend macht.
Es geht um WG-Leben, um Sex, aber auch um Cat Calling und Menstruation. Viele zielgruppenspezifische Inhalte, könnte man auch sagen. Sehr junges Publikum, viele FLINTA*, viel neue Generation. Teilweise packt auch das Publikum Tanz-Moves aus, sehr partizipativ das Ganze!
Das Einzige was mich stört: Mir ist das alles doch ne Spur zu perfekt und zu professionell. Zum Glück verkackt der Drummer einmal nen Song, das gibt dem Auftritt auf jeden Fall Credibility. Also feuert ihn nicht sofort bitte.
Achja, wir haben ja immer noch Kirchentag. "Daddy" ist ein Song über Glaube und Religion. Auch das ein Hit! Hier ein Textauszug:
Wie viele Namen muss man nennen bis Täter sich bekennen /
Wie viele Austritte reichen, dass sie ihre Sünden beichten /
Lieber den Schein bewahren /
Als die Verantwortung zu tragen
Wie viele Namen muss man nennen bis Täter sich bekennen /
Wie viele Austritte reichen, dass sie ihre Sünden beichten /
Lieber den Schein bewahren /
Als die Verantwortung zu tragen
Der große Hit ist aber eindeutig "Vulvarine". Da gab es sogar T-Shirts zu! Außerdem gibt es am Merch Feuerzeuge und Unterhosen. Leider nicht meine Größe. Also, die Feuerzeuge.
Hat schon irgendwie auch was von The Toten Crackhuren im Kofferraum, weniger Elektro, mehr Pop, weniger Punk, mehr Perfektion, und halt volle Kanne Gen Z.
Bin sehr angetan vom Auftritt! Ganz bis zum Ende schaff ichs aber nicht, muss ja noch den Rückfahr-Zug kriegen! Achja, und außerdem bin ich Skorpion und muss früh ins Bett.