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Kackschlacht, Los Fastidios, Berliner Weisse, Loikaemie, Oxo 86, Mt. Dagger, Trümmerratten, Leistungsträger, 02.-04.10.2025 in Berlin, Stadt - Bericht von Gerdistan

Kackschlacht, 02.-04.10.2025 in Berlin

Kleiner Ausflug in die Enthauptstadt, 02.-05.10.2025


Mein guter Freund Marc aus Berlin und ich haben irgendwann mal festgestellt, dass wir noch nie auf einem Oxo-86-Konzert waren und nahmen uns vor, das gemeinsam zu ändern. Dann wurde „die große Oiropa-Tour“ für Oktober angekündigt, und spätestens als es hieß, dass auch noch Kackschlacht am selben Wochenende spielen, wurden Zugtickets gebucht und ein Ausflug geplant. Als dann schon alles stand, kam auch noch die Ankündigung dazu, dass Gedrängel am freien Tag dazwischen im Reset spielen sollen. Na das kann ja heiter werden.


Tag 1: Ich komme mit dem ICE aus Hamburg an, der fährt ne Umleitung, die teilweise einspurig ist, aber Verspätung hält sich im Rahmen. Ich steige in Spandau aus dem Hochgeschwindigkeitszug auf die Straße, alle Autos hupen sich an, ein Passant raucht den dicksten Dübel, den ich seit langem gesehen habe und in meinem Kopf spielt sich ein Lied von Icke & Er ab. Schön!


Ab in die U7 zu meinem temporären Zuhause, vierter Stock Hinterhof ohne Aufzug in Charlottenburg. Sachen abgelegt, 1-2 Bier, Abendessen (natürlich Currywurst) und dann geht’s auch schon los gen Huxley’s. In Berlin braucht man ja bekanntlich fast überall mindestens eine halbe Stunde hin, so auch heute. Eintritt über 40 Euro, Bierpreise könnt ihr euch denken (teuer). Also konkret 5,50 für 0,4 L und wenn man mit Karte zahlt, wird man auch noch aufgefordert, 5-15% Trinkgeld zu geben. Heidernei.


Publikum wie zu erwarten überwiegend männlich, kurz- bis garnichthaarig und 40+. Einige Ausfälle bzgl. der Kleiderwahl sind zu beobachten (Merch von Swiss, Bierpatrioten, Onkelz, Rammstein), aber insgesamt eigentlich weniger schlimm als angenommen. Um halb neun steht dann auch überpünktlich die erste Band auf der Bühne, das sind LOS FASTIDIOS aus Italien und die einzige nicht rein-männliche Band heute.


Ich könnte jetzt wieder mit der ollen Kamelle anfangen, wie die 2006 mal mit Talco in Bielefeld spielen sollten, aber ausgefallen sind, was den Eintrittspreis von 6 auf 4 Euro gedrückt hat und dann war das eins der besten Konzerte meines Lebens, aber darum geht's hier ja nicht. Deshalb zur Einordnung vielleicht noch die wichtige Information, dass LF regelmäßig die Ballonfabrik in Augsburg vollmachen, ich aber noch nie da war. Ich kenne eigentlich nur ihre größte Hymne „Antifa Hooligan“ und hatte mir irgendwie vorgestellt, dass die bestimmt auch ein paar Songs haben müssten, bei denen die Gitarre mal etwas verzerrt ist oder vom Schlagzeug her was interessantes passiert, aber pustekuchen. Das komplette Set ist so eher nerviger Hampelska und wirkt bis ins kleinste Detail durchchoreographiert. Angeblich spielen die 400 Shows im Jahr, nun gut, da stellt sich eine gewisse Routine ein. Für mich war's nichts.


Kurze Umbaupause, dann BERLINER WEISSE. Ach du Schreck. Der Sänger kommt mit erhobenen Mittelfingern auf die Bühne, wo sind wir denn hier gelandet? Ich finde das ganze musikalisch auch absolut unerträglich, was hauptsächlich an der Stimme des Sängers liegt. 30-40 Minuten Oi-Gegröle in ein und derselben Tonart, auweia, das geht doch nicht.


Prinzipiell scheint diese Band (ich hatte mich vorher nie mit ihnen beschäftigt) ganz korrekte Inhalte zu vertreten, bspw. gibt es ein Shirt mit großem Backprint „Lieb doch wen du willst“ und es wird in den Texten und Ansagen auch gegen Deutschrock ausgeteilt. Das ist ja in dieser Darreichungsform und insbesondere an diesem Ort dann schon irgendwie sinnvoller als wenn Helmut Cool im gentrifizierten Großstadt-AZ denselben Slogan brüllen. Also, naja, kann man machen.


Als nächstes LOIKAEMIE, auch mit denen habe ich mich nie großartig beschäftigt, weil ich sie ebenfalls als rumpelige Oi-Kapelle abgetan habe. Das aktuelle Album ist aber blitzsauber produziert und klingt jetzt eher nach Broilers (auch nicht viel besser), das Ganze wirkt auch sehr stadionrockig und auf Zusammenhalt unter den Herren im Publikum wird auch viel Wert gelegt („Wir sind die Skins, wer seid ihr?“). Als Opener kommt allerdings direkt „Wenn wir alle so wären“ vom aktuellen Album, und das ist ein schlimmer Ohrwurm und textlich eigentlich auch in Ordnung. Dem Publikum gefällt es, trotz oder wegen des rekonvaleszenten Bassisten, der auf einem Stuhl sitzend spielen muss – zahlreiche Träger von Mickymaus-ohne-Ohren-Shirts rasten komplett aus. Ich gebe es ungern zu, aber Loikaemie waren für mich die beste Band des Abends. Good Night, White Pride.


Headliner und letzte Band sind dann gegen kurz vor 12 endlich OXO 86. Diese habe ich als Student viel gehört und fand ihren mit Selbstironie gewürzten Skinhead-Schlager eigentlich ganz bekömmlich – heute wird aber irgendwie zu 100% auf die Pathos-Schiene gesetzt. Ein paar alte Gassenhauer wie „Walking Class Heroes“ schleichen sich ins Set, aber sonst eher Zeug wie „Rien ne va plus“ und „auf die Liebe und auf die Sehnsucht“. Das Publikum liegt sich in den Armen, wir flüchten vor der Zugabe zur Garderobe, um unser Zeug wiederzuholen und die nächste U-Bahn nach Hause zu nehmen.

Fazit: Interessant, das mal erlebt zu haben, aber für keine dieser Bands werde ich nochmal Geld ausgeben.


Tag 2: Es zeichnete sich leider schon ab, dass das Gedrängel-Konzert im Reset nicht stattfinden können würde. Mit vereinten Kräften suchen wir nach einer Ersatzlocation und als es gerade zu klappen scheint – man hätte kurzfristig im Schokoladen mit aufspringen können – stellt sich heraus, dass der Trommelschlumpf erkrankt ist und es so oder so nichts wird. Das ist wirklich ausgesprochen ärgerlich, eröffnet uns aber die Möglichkeit, nach Potsdam auf ein anderes Konzert zu fahren. Gedrängel hat man ja nun schon ein paar Mal gesehen. Also ich zumindest.


Den Nachmittag verbringen wird mit Mario Kart und einem Besuch im „Disgusting Food Museum“. Das Museum besticht durch Exponate zum dran Riechen und blumigen Beschreibungen der dargestellten Köstlichkeiten: „schmeckt wie auf einer mit Urin vollgesogenen Matratze herumzukauen“. Roch auch so. Man kann ein paar Sachen am Ende auch probieren, aber aufgrund der noch leicht flauen Mägen vom Vorabend traut sich keiner so wirklich.


Am Abend machen wir uns dann auf nach Potsdam, dank Deutschlandticket und RE1 sind wir da auch in 20 Minuten vom Bahnhof Zoo aus. Hier spielen in einem kleinen Kellerclub nämlich die mächtigen TRÜMMERRATTEN aus Hamburg, und die wollte ich immer schon mal live sehen.


Erstmal müssen wir uns aber schlau machen, wo denn dieses Konzert stattfindet, aber auch das gelingt. Gegen 20:15 stehen wir vor der Location und trinken kaltes Bier – leider sollte sich die Vorhersage des Dr. Pilz bewahrheiten: „Vor 22 Uhr passiert da nix“. Zu unserer Überraschung spielen zuerst MT. DAGGER, die auf dem Flyer weiter oben standen. Außerdem stand auf dem Flyer, dass sie die komplette Backline mitgebracht haben – und die ist nicht von schlechten Eltern. Orange-Verstärker und ein Schlagzeug mit sehr vielen Trommeln. Die Band betritt alsbald die Bühne, drei Herren, die ihre Instrumente eingehend studiert haben, und der Sänger. Metalliger Hardcore-Punk wird geboten. Zum Glück haben wir Gehörschutz dabei. Der Sänger brüllt sich einen ab und fährt komplett aus der Haut, aber auch nur, so lang die Musik läuft. Zwischen den Songs wirken seine Ansagen (die aus einem mir nicht bekannten Grund auf Englisch sind) eher verschüchtert bis unbeholfen. Zu allem Überfluss reißt dann dem Gitarristen eine Seite. Die Aussagen haben etwas ungewollt komisches an sich, kommen aber – wie auch der Rest der Band – sehr sympathisch rüber. „We are Mt. Dagger. We play songs“. Oder die Information, dass seine Mutter heute Geburtstag hat – und man lieber Kondome benutzen sollte. Nach ner halben Stunde ist der Spuk auch schon wieder vorbei und wir lüften uns wieder vor der Tür aus (drinnen wird nämlich geraucht).


Die TRÜMMERRATTEN sind nun die Antithese dessen – geschlechtlich breiter aufgestellt, alle drei singen mit, musikalisch eher Uffta-Uffta, aber textlich dafür zum Schreien komisch. „Scherben in der Hand, scheiße, das war Pfand, aua aua“. Oder besoffen Fahrrad vergessen in der Bahn. Geschichten aus dem Leben halt, gewürzt mit Ansagen, die keine Wünsche offen und kein Auge trocken lassen. Trümmerratten, eine sehr gute Band! Empfehlung des Hauses. Als das Set sich dem Ende zuneigt, wird von den ca. 25 anwesenden Zuschauer:innen eine Zugabe verlangt, und die gibt es auch: „Qualität aus Nordhausen“, ein grauenhafter Ohrwurm über Pfeffi, der mich noch den Rest des Wochenendes verfolgen wird.


Tag 3: Heutiger Programmpunkt, der nichts mit Livemukke und Nahrungsaufnahme zu tun hat, ist der Besuch des Antiquariats Hennwack in Berlin-Steglitz. Dieses wurde von einem genossenschaftlich organisierten Kollektiv übernommen und ist ein ganz wunderbarer Ort, jedenfalls wenn man sich für Bücher interessiert. Eine Mischung aus sinnvoll kuratierter Neuware und einer sehr großen Sammlung thematisch sortierter Gebrauchtbücher, und Kaffee gibts auch noch. Roman T. und ich verbrachten gut 90 Minuten mit Stöbern, bis wir dann auch mal weiter mussten, aber hier gehe ich wieder hin.


Abendessen im Fattoush X-Berg, nahöstliche Speisen zu fairen Preisen, aber immer ist die Zapfanlage kaputt und so gibt's Flens aus der Flasche zur Grünweizen-Sesamhalloumi-Bowl. Dann los zum Schnapsloch, es hieß Eintritt 20:30 und dass es voll werden könnte. So steht tatsächlich auch, als wir um 20:25 ankommen, bereits eine schwarzgekleidete Schlange vor dem Tor und wir reihen uns geflissentlich ein. Schlau, wie wir sind, haben wir noch bei „See U Späti“ Sterni für den Weg gekauft, welches dort allerdings tatsächlich teurer war als im Laden.


Nach kurzer Zeit werden wir eingelassen und ein weiteres Sterni später stehen dann die LEISTUNGSTRÄGER auf der Bühne. Die drei Herren in Anzug und Krawatte arbeiten sich hauptsächlich am Themenkomplex Lohnarbeit ab, ironischerweise werden aber alle, die sich über ihre Arbeit definieren, als Arschlöcher bezeichnet. Geht schon klar. Gitarre, Schlachtzeug, Bass, Punkrock. „Ne-o-liberal, du dummer Vollidiot.“ Textlich ist das schon was. Das Backdrop ist n bisschen groß, aber dafür tragen die Protagonisten auf der „Bühne“ sogar Namensschilder. Es sind die kleinen Details! Nach einer halben Stunde schickt der selbstreferenzielle Nu-Metal-Song sogar ein paar Tanzbeine in den Pit und uns an die frische Luft.


Um halb zehn erklingen dann wieder Geräusche von drinnen, also Gehörschutz eingesetzt und los. Dieses Mal ohne Bass. Der Laden ist gestopft voll, wir stehen recht weit hinten und können das Geschehen auf der Bühne überwiegend nur erahnen. Die Wortwechsel mit dem Mischer bezeichnet Roman derweil als Punkrock-Hörspiel, ja, das würde ich mir auch gerne zum Einschlafen anhören. Aber zum Einschlafen bin ich heute nicht hier, denn es spielen KACKSCHLACHT, eine der genialsten Bands unter der Sonne. Es folgt Hit auf Hit, „Hey Bulle“, „Geburtskanal“, „Ausschlag“, „alles hauen was Arbeit hat“ usw. usf., aber sogar auch ein paar neue Nummern schleichen sich ins Set. Das Publikum rastet komplett aus, T&T gießen durch chaotisch-geniale Ansagen noch Öl in das Feuer dieses Hexenkessels. Wahnsinn. Irgendwann werden die letzten drei Songs angekündigt, dann nochmal drei zur Zugabe und dann ist Feierabend. OHNE dass „Arbeiten/Saufen“ gespielt wurde. Sind 45 Sekunden Fanservice schon zu viel verlangt?


Es wird sich noch bei allen Beteiligten bedankt, u.a. an Jobst am Einlass. Gibt es in unserer kleinen Szene etwa zwei Leute dieses ulkigen Vornamens oder war das DER Jobst von „Und dann kam Punk“? Um seine Profilneurose nicht zu befeuern, frage ich besser gar nicht erst nach, schnappe mir nur noch ein Poster für zu Hause und nach einem letzten Absacker beim Absabbeln geht's dann auch nach Hause und nach einer stärkenden Mitternachtssuppe ins Bett.


Am nächsten Morgen träume ich, dass ich von Marc mit den Worten „Die Hoden berühren den Boden, es ist 9 Uhr, aufstehen“ geweckt werde und muss dann auch bald tatsächlich zum Hbf und 6 Stunden zurück nach Arschburg eiern.


Das war toll, Berlin, das hat mir richtig gut gefallen! Das machen wir bald wieder!


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