Jonas Engelmann:
Damaged Goods - 150 Einträge in die Punk-Geschichte
Warum zur Hölle habe ich mich bloß für eine Buchbesprechung gemeldet? Ich weiß doch, dass ich immer eine Ewigkeit oder ein paar Wochen Urlaub brauche um es durchzulesen. Obwohl es nun kam, wie es kommen musste und das Buch nun schon ziemlich lange bei mir rumlag, ohne dass es besprochen wurde, musste ich feststellen dass 150-Einträge in die Punkgeschichte das perfekte Buch für zwischendurch ist. Denn es handelt sich hier nicht um eine zusammenhängende Geschichte, sondern wie der Titel schon sagt um 150 einzelne Beiträge, die sich hervorragend für Zwischendurch eignen.
Zunächst einmal etwas zum Verlag. Das Buch ist beim Ventil-Verlag erschienen, den es laut eigener Angabe nicht gegeben hätte ohne Punk und die DIY-Kultur. Startete er in den Neunzigern doch auch mit dem Herausgeben von Fanzines und selbstverlegten Büchern. Seitdem ziehen sich Veröffentlichungen zum Thema Punk wie ein roter Faden durch die Geschichte des Verlags. Zuletzt erschienen: Avi Pitchon: Rotten Johnny and the Queen of Shivers. Israelische Gegenkulturen und Sehnsuchtsorte, SO36. 1978 bis heute, um nur mal ein paar zu nennen.
Nun zum Buch. Auf 371 Seiten liefern zahlreiche Autoren in über 150 Texten die unterschiedlichsten Geschichten zum Thema Punk, dabei geht es meist nicht oder nicht nur ausschließlich über die Musik auf den jeweiligen Alben, sondern um die Wirkung, die das Album auf den Schreibenden oder die Entwicklung des Punk hatte. Die AutorInnen nehmen hierbei ihre Lieblingsplatten, übersehene Perlen und Klassiker als Grundgerüst und bieten dem Leser somit eine musikhistorische Zeit- oder Bildungsreise durch vier Jahrzehnte Punkrock. Wobei der Begriff Punkrock hier als weit dehnbar verstanden werden muss, denn es finden nicht nur allseits bekannte Bands wie die Sex Pistols, Slime und Ramones Erwähnung, sondern auch experimentellere Bands wie Einstürzende Neubauten, Malaria! oder eher Genre-Fremdes wie Carambolage, This Heat oder Sleaford Mods, denen trotzdem eine gewisse Punk-Mentalität innewohnt. Zu Wort kommen MusikerInnen, AutorInnen, politische AktivisteInnen, WissenschaftlerInnen, Fanzine-MacherInnen und JournalistInnen, die alle gemeinsam haben, dass Punk in ihrem Leben irgendeine Rolle gespielt hat und ihr Denken mitgeprägt hat. Auch englisch- und spanischsprachige Autoren wird eine Stimme gegeben, übersetzt u.a. von Jonas Engelmann und OX-Macher Joachim Hiller. Aufgelockert wird dies noch von den zwei kurzen Comics "Jonathan Richman in Gummersbach" und "Zuhause während/vor der digitalen Revolution". Das Buch startet Mitte der 60er Jahre mit den Monks und Velvet Underground und arbeitet sich dann vor, ohne den Anspruch zu erheben, eine "lückenlose Chronologie" zu sein, bis in die Gegenwart mit Bands wie Pussy Riot, Against me! und Pisse.
Ihr merkt, das ist hier alles keine richtige Rezension sondern mehr eine Inhaltsangabe, denn es fällt mir sehr schwer mich kritisch mit den zahlreichen und sehr unterschiedlichen Beiträgen der einzelnen AutorInnen auseinanderzusetzen, dazu sind es schlicht zu viele. Außerdem sind sie alle zu persönlich um sie nach irgendwelchen Maßstäben zu bewerten. Mir haben natürlich die Beiträge zu den Alben am besten gefallen, zu denen ich selbst, wie und woher auch immer eine Verbindung habe, wie zum Beispiel die von WIZO, NOFX, Bad Religion, Ärzte, X-Ray Spex, Ramones, Beastie Boys und einigen anderen. Außerdem die Sachen, die mir bis dato komplett unbekannt waren und auch nach über 15 Jahren Beschäftigung mit dem Thema Punk und Punkrock meinen persönlichen Horizont wieder einmal erweitert haben.
Fazit: Ein durchaus lesenswertes, weil kurzweiliges Buch, das sich auch für Zwischendurch (zum Beispiel aufm Klo) gut eignet. Vor allem interessant für Musik-Nerds mit einer Verbindung zum Punk, oder für die die es noch werden wollen. Der Blick über den Tellerrand wird sehr oft gewagt, so dass der Leser die Möglichkeit hat Neues zu endecken und somit auch nicht nur Bekanntes und schon zig mal Besprochendes Erwähnung findet.