Eluveitie:
Evocation II: Pantheon
Man kann Eluveitie wahrscheinlich aus zwei Perspektiven sehen. Für die einen sind sie eine sehr gute Folk-Band, welche leider zu weit in die Metal-Ecke abgerutscht ist und deswegen nie wirklich guten Folk machen konnte. Anhänger dieser Gruppe hatten ihren Spaß am Akustik-Album Evocation I, und werden auch an Evocation II sicher wieder ihren Spaß haben.
Für die anderen war Eluveitie eine Folk-Band, welche dann glücklicherweise sehr hart in die Metal-Ecke abgerutscht ist und jetzt mit Evocation II ein äußerst langweiliges Album herausgebracht hat. Ich oute mich gleich als Anhänger dieser anderen Gruppe, versuche aber trotzdem, halbwegs fair zu bleiben.
In den letzten eineinhalb Jahr ging es bei Eluvitie ziemlich rund. Schlagzeuger Merlin Sutter musste im Streit gehen, Sängerin/Drehleierspielerin Anna Murphy und Gitarrist Ivo Henzi gingen gleich mit, und (weniger beachtet) ging auch Violinistin Shir-Ran Yinon. Damit hatte die Gruppe so gut wie alle noch verbliebenen Gründungsmitglieder verloren, der "dienstälteste" neben Anführer Christian Glanzmann ist nun Kay Brem (seit 2008 dabei). Für den Ersatz von Anna Murphy mussten gleich zwei neue Mitglieder angeheuert werden, Sängerin Fabienne Erni und Drehleierspielerin Michalina Malisz. Damit stehen live nun neun Bandmitglieder auf der Bühne, deren Fähigkeiten von Gesang und Gitarre bis zu Harfe, Drehleier und Dudelsack reichen.
Ich bin von diesem Album nicht deswegen enttäuscht, weil die harten Gitarrenriffe und die Growls fehlen, sondern weil es einfach einfallslos ist und die Möglichkeiten einer neunköpfigen (!) Band komplett verschenkt werden. Nur sieben von 18 Songs haben einen nennenswerten Gesangsanteil, die restlichen klingen wie Hintergrundmusik. Die Melodien klingen altbekannt und nach "Folk-Schema-F". In "Artio", dem längsten Lied auf der Platte, singt Fabienne Erni einfach nur fünf Minuten lang zu Naturgeräuschen. Die Single "Lvgvs" ist ein weiterer Klon von "Was Wollen Wir Trinken", das hätten Santiano wohl so auch hinbekommen.
Von der Instrumentenfülle kommt wenig an und die Musiker scheinen mir recht wenig gefordert zu sein. Die Drehleier kommt kaum noch vor, ganze drei Gitarristen (Glanzmann, Salzmann, Wolf) und einen Bassisten (Brem) auf die Bühne zu stellen ist irgendwo übertrieben. Und zumindest für mich hat Fabienne Ernis Stimme leider auch diese recht nervige, geschliffene, austauschbare "Pop-Tonlage", welcher jeder Charakter fehlt. Irgendwo kommen Erinnerungen an Nightwish auf, nachdem Tarja Turunen gegen Anette Olzon ausgetauscht wurde - man ersetzt eine erfahrene Sängerin (Murphy war mit 16 bei Eluveitie eingestiegen und hatte sich kontinuierlich weiterentwickelt) durch eine Quereinsteigerin, das kann gutgehen, muss aber nicht.
Warum es in der Doppel-CD-Edition überhaupt eine zweite CD gibt, auf welcher alle Songs noch mal als "Instrumental"-Versionen enthalten sind, wenn weit über die Hälfte der Songs schon wie Instrumentalversionen klingen, erschließt sich mir nicht.
Insgesamt klingt das Album für mich wie etwas, was jede andere Folk-Band eben auch problemlos hinbekommen hätte, und das ist sehr schade. Ich konnte Evocation I noch sehr viel abgewinnen, man sollte einer Band nach einem so großen Besetzungswechsel Zeit geben, und ja, ein Akustik-Album war für Eluveitie ja schon nichts Neues. Insofern habe ich wirklich versucht, dieses Album zu mögen. Es ist mir nicht gelungen. Aber zum Glück gibt es noch genug ältere Songs, und vielleicht gelingt es Eluveitie ja in Zukunft, ihren Stammplatz in der Folk-Metal-Ecke wieder zu besetzen. Ob Fabienne Erni jemals so singen und growlen wird wie Anna Murphy, wage ich dann aber doch zu bezweifeln.