Nicht eingeloggt - Login [Registrieren]
Login X

Passwort vergessen?
Nowaves:
Odd Secrets

Hallo, mein Name ist Dr_Lü-Ken_moderiert. Ihr kennt mich wahrscheinlich noch von meinen letzten Reviews „Michael Wendler - Wen interessiert der Lappen?“ und „Dr. Schiffmann - Der ‚Arz‘, den die Leute früher auf dem Schulhof verhauen haben“.

Für die Review bitte nach unten scrollen.

Ein dunkler Tag im Dezember: Fieser norddeutscher Nieselregen hängt über der Stadt und Corona hat wieder Einzug gehalten. Dennoch ist meine Stimmung nicht betrübt, denn heute ist ein großer Tag: Ich richte mein neues Büro ein. Schnell noch ein paar Kisten und Kartons ausgepackt, Bilder der Liebsten* und ein Blümchen auf den Schreibtisch gestellt (Foto vom Chef darf natürlich nicht fehlen!), kurz einen Bissen von meinem Fleischwurstring genommen und weiter geht’s. Fö, der Elon Musk des Punk, hat bekanntermaßen früh auf dieses Internet gesetzt und nun als Emporkömmling und Start-Up-Founder ein neues Bürogebäude direkt am Dortmunder U angemietet. Zu den leeren Räumen benötigte er natürlich auch noch passendes Personal. Als ich die Stellenausschreibung („Abteilungsleiter Plattenbesprecher*in Phantom Records“) in der Dortmunder Lokalzeitung las, setzte ich mich sofort an den Rechner, hübschte eher sporadisch mein Linked-In-Profil auf und sendete dann siegesgewiss meine Bewerbung an den Chef. Zwock und Peti waren beide nach ihrer jeweils bemitleidenswerten Performance im Sommer eh keine Konkurrenz für mich, weshalb davon ausging, dass diese Bewerbung nur pro forma sei. Doch da war ich weit gefehlt. Es folgte eine Einladung zum Bierschinken-Assessment-Center. Ich dachte zuerst noch an einen Witz des Chefs, aber als ich dann zum in der Einladung genannten Termin im Hauptquartier erschien, wartete da verSemmelt auf mich. Ausgerechnet dieser verSemmelt?! Ich war am Boden zerstört, war verSemmelt doch derjenige gewesen, der mir im letzten Jahr die Plattenbesprechung von Jonny Kurt und die Hühnerficker Kombo vor der Nase weggeschnappt hatte. Dieser Mistkerl hatte es sich danach nicht nehmen lassen, mich mehrfach in Besprechungen alt aussehen zu lassen und vor allen zum Deppen zu machen. Sicher hatte er sich bei Fö eingeschleimt, um an die Stelle zu kommen. Es nützte nichts. Ich musste verSemmelt im Bierschinken-Assessment-Center schlagen, um meinen Traum wahrwerden zu lassen: meine feste Stelle beim Bierschinken, Büro neben dem Chef, eigene Regenjacke mit Bierschinken-Logo, die versprochene Fahrrad-Playlist. Das konnte und wollte ich nicht aufgeben. Ich musste da durch.

Zuerst Wissensabfrage Punk beim Chef, doch verSemmelt beantwortet genauso viele Fragen richtig wie ich. Er ist mir gewachsen.

Als Zweites Dosenstechen: Beide brauchen für die Liter-Dose Faxe 5 Sekunden. Auch hier unentschieden.

Dann „Wer zuerst blinzelt“- Wettkampf. Die Videoschiedsrichterin entscheidet auf Gleichstand. Dieser verSemmelt ist mit allen Wassern gewaschen.

Schließlich Finale: Affenmesserkampf. Hier dürfen wir beide einen trainierten Affen in den Ring schicken (beim Bierschinken hält mensch noch die pazifistische Fahne hoch). Hier zeigt sich, zum Glück, mein besseres Händchen im Umgang mit Tieren (scheiß auf deine paar Hühner, verSemmelt!) und mein Affe Mojo kann verSemmelts Äffchen Herrn Nielson empfindlich schlagen.

Es ist vollbracht. Nach hartem und langem Kampf bin ich am Ziel: Abteilungsleiter Plattenbesprechung Phantom Records bei Bierschinken. Hat sich all das gelohnt? Ich glaube, ja. Aber während wir beide unsere verletzten Äffchen aus dem Ring holen, berühren sich unsere Hände für einen kurzen Moment. Danach sind es die Blicke. Wir fallen uns in die Arme. VerSemmelt darf natürlich auch mitmachen. Aber die Platte gehört mir.

Und so kam es, dass wir beide gemeinsam (verdeckt) eine Plattenbesprechung verfasst haben.

#############################################################

Review von Dr_Lü-Ken_moderiert:

Lasst mich nun erzählen, warum ich heute eigentlich hier bin. Der Anlass ist ein feierlicher: Nowaves bringen ihre neue Platte „Odd Secrets“ heraus. Allein vor dem Titel verneige ich mich bereits! Aber von vorne: Die Band begegnete mir zum ersten Mal im Jahr 2017 nach einer Erwähnung von Ronja im Plastic Bomb (Grüße an die Kolleg*innen vom Print <3). Die Platte „Immaculate Protection“ fräste sich beim Hören immer weiter in die Tiefen meines Hirns wie ein Dremel in weiches Holz. Werk Nummer zwei, ebenfalls ein großartiges Album „Good for Health Bad for Education“ wurde - für mich völlig unverständlich - bei einem der Reviewmarathons in der Casa Fö fast schon verrissen. Für mich eine Beleidigung dieser starken Band, weshalb ich mich frühzeitig zur Besprechung des neues Machwerks der Band anmeldete. Und auch dieses Mal vermögen die Nowaves mit einem starken Album aufzuwarten. Zu hören gibt es englischsprachigen dunklen Wave-Synthie-Punk, der nach meinem Empfinden deutlich gereifter klingt und weniger verspielt als die beiden Vorgänger. Der Sound ist etwas poppiger, Synthie(-bass) rückt etwas in den Hintergrund, wodurch Schlagzeug und Gitarre etwas deutlicher hervortreten.
Los geht es mit einem Stück von klassischem Nowaves-Sound: „Narcotic Boy“. Viel Schellenkranz, dunkler Gesang und düstere Stimmung, Gitarre und Orgel/Synthie im Wechsel. Aber hier tritt bereits die Gitarre deutlich mehr zu Tage als erwartet.
Und spätestens beim zweiten Song haben sie mich wieder im Sack. „Ghost“ heißt dieses wunderschöne Stück, das sich durch ruhigen Bass, dezenten Synthie und wunderschönen Frauengesang auszeichnet. Der Sound ist deutlich gereifter , weniger verspielt. Und sie schaffen es wieder den Song zu spielen, der sich anfühlt als sei er schon immer in meinem Kopf vorhanden gewesen.

Absolutes Highlight der Platte ist für mich der Song „Golden Apples“, bei dem es sich anscheinend um ein Cover der mir unbekannten Band „Country Teasers“ handelt. Ein eindringlicher Synthie eröffnet, eine verzerrte Gitarre verbleibt im Hintergrund. Der eingängige Beat treibt durch den Song. Erst nach gut zwei Minuten setzt der düstere Männergesang mit starkem deutschen Akzent ein. Das ganze Stück baut sich für mich im Kopf völlig logisch auf als wäre Nowaves‘ Vorgehen alternativlos. Gen Schluss zieht das Tempo merklich an und mündet in einem Hammond-Orgel-Stakkato und wirren Synthie-Verzerrungen. Im Vergleich zum Original hauchen die Nowaves dem Song ein neues Leben ein. Der Dremel setzt schon wieder zum Fräsen an, es bleiben tiefe Spuren im Kopf zurück.

Auch danach geht es in gewohnt starker Manier weiter. „OD“ baut ebenfalls auf einem großen Beat auf und nutzt mehrstimmigen Gesang beim Refrain. Bei „Laundry“  und „Shackles on my legs“ zeigen Nowaves, dass sie ihre schnelleren Gangarten nicht aufgegeben haben. In „A Dramatic Background Story Of Some X-Postal Worker“ setzten sie auf ein 80er Schlagzeug und eine Stimme im Hintergrund, wodurch sich der Song anfühlt wie eine Zeitreise nach Japan 1980.
Mit „Restless Eyes“ machen Nowaves anschließend den Sack zu. Absolutes Alleinstellungsmerkmal ist der entweder andere Sänger mit hellerer Stimme oder gleicher Sänger ohne Gesangseffekte, der mich sehr an David Bowie erinnert. Ein tiefer eingängiger Bass zieht sich durch den Song. Wunderschöne Popmusik trifft auf Textzellen wie „No one can read you - encrypt the book - that is no reason - gimme a look - into your restless eyes “. Nur zum Refrain setzt hier kurz ein Synthie ein. Eine düstere melancholische Stimmung macht diesen Song zu einem besonderen Ende der Platte.

Nowaves haben es also wieder geschafft. Nach mehrmaligem Hören sitze ich wieder auf dem Sofa und Melodien hallen in meinem Kopf nach. Nowaves präsentieren sich erneut als Tonfräse für Hirnwindungen. „Odd Secrets“ zeigt sich dabei aber nicht so auffällig wie die beiden Vorgängerplatten, sondern erzeugt mit mehr Ruhe und Elementen des Pop eine Stimmung von Dunkelheit und Melancholie. Der Synthie-Wave-Punk kommt aber dennoch mit sehr starken Songs daher, die nicht unbedingt beim ersten Mal zünden, aber nach mehrmaligem Hörgenuss bleibenden Eindruck hinterlassen. Für mich eine absolute Hörempfehlung.

Anspieltipps: Golden Apples, O.D., Restless Eyes, Ghost

Vielen Dank für euren Beitrag zu dieser Sendung.

#############################################################

Hier spricht der Verlierer. Ich ahne, dass Herr Lüken immer noch wegen der Hühnerficker-Platte nachtritt. Nunja. Etwas Messerkampf und die Sache war geritzt. Da eine Nachricht mit "etwas eskaliert" ankam, halt ich mich kurz und zitiere eine andere Dresdner Band. "Was geschrieben steht ist wahr."

REVIEW von verSemmelt

Endlich ist die neue NOWAVES da und vorweg: Sie übertreffen sich selbst. Während die ersten beiden Platten durchaus ein paar Umläufe brauchten, um ihre volle Wirkung zu entfachen, geht Odd Secrets direkt ins Gehör. Die Songs sind kürzer, heller und sind im Grunde poppig. Die Schublade bringen die Dresdner gleich mit - "Beach Goth" - Ja, warum eigentlich nicht?!

Das von Marius Kowitz (DIE TUNNEL) geschriebene "Ghost" stach schon bei Liveauftritten raus. Eine melancholische Schönheit und längst ein Lieblingslied. Der Song über "Mikow" nimmt mich emotional sogar etwas mit.

Insgesamt ist die Platte extrem kurzweilig. Das Cover "Golden Apples" der COUNTRY TEASERS besticht durch einen 2-minütigen hypnotischen Synthie, der den Song einleitet. Immer wieder findet man bei genauen Hören coole Tonfolgen, bizarre Sounds, verschiedenste verzerrte Gesänge und Gitarren, 8-Bit-Klänge bis hin zu Audiofiles und simplen In-Die-Hände-Klatschen. Großartig, dass bei soviel Laune am Experimentieren nicht irgendein schwer zu konsumierendes artsy fartsy Album herauskommt. Zusammengehalten durch das lässige Schlagzeugspiel bereichert die Scheibe jede ernstzunehmende Tanzparty. "O.D." erinnert im Refrain entfernt an "All Tomorrow's Parties", bei "The Laundry" nimmt man ungewöhnlich viel Geschwindigkeit auf, "Shackles On My Legs" hat einen verdammt guten Mittelteil und das "Lost-In-Translation-Gespäch" in "A Dramatic Background Story..." sucht seinesgleichen. Die 30 Minuten Laufzeit wirken viel zu kurz. Und nochmal von vorn die Platte. Bestimmt finde ich wieder ein nicht erwähntes Gimmick und versuche rauszuhören, ob jetzt schon die gesamte Band Frontvocals übernimmt.

Das Drumherum vom Klappcover mit dem Frisbee-Künstler, abgedruckten Texten bis hin zur Auslaufrille wo "Leave No One Behind" eingeritzt ist, passt auch alles. Highlight!

 

Hörprobe:
Bitte hier klicken, um diese Einbettung von Bandcamp zu aktivieren.Mehr Infos, wie wir mit Einbettungen von externen Anbietern umgehen, hier.
Nowaves
Musikstil: Synth-Punk, No-Wave
Herkunft: Dresden
Homepage: http://nowaves.blogsport.de/
Nowaves - Odd Secrets

Stil: Synth-Punk, Post-Punk, No wave, Beach Goth
VÖ: 26.11.2021, LP, Phantom Records


Tracklist:

01. Narcotic Boy
02. Ghost
03. Beach Goth
04. Mikow (Home Song)
05. Golden Apples
06. O.D.
07. The Laundry
08. Shackles On My Legs
09. A Dramatic Background Story Of Some X​-​Postal Worker
10. Restless Eyes


Bitte hier klicken, um diese Seite bei Facebook zu liken oder zu teilen. Mehr Infos, wie wir mit Einbettungen von externen Anbietern umgehen, hier.

Kommentar eintragen:

bisher keine Einträge

Kommentar eintragen - Anmerkung, Kritik, Ergänzung

Name:

e-Mail:

Kommentar:
Deine Eingaben werden bis auf Widerruf gespeichert und für Nutzer der Seite sichtbar.
Die Angabe der Email-Adresse ist freiwillig und sie bleibt nur sichtbar für eingeloggte Nutzer.
Weitere Infos in unserer Datenschutzerklärung.
part of bierschinken.net
Impressum | Datenschutz