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Neonschwarz:
Morgengrauen

Juhuu, die Schwizzys sind zurück!

Kennen- und hochgradig schätzen gelernt, als ich in den Zeckenrapkosmos rund um Sookee und das Ticktickboom-Kollektiv eingetaucht bin, habe ich „Fliegende Fische“ (2014) von Neonschwarz rauf und runter gehört. Vom darauffolgenden Album „Metropolis“ (2016) war ich auch ganz angetan, wobei da meine Euphorie schon ein bisschen abgekühlt war. Irgendwie erschien es mir zu ähnlich mit dem 2014er-Album. Nichtsdestotrotz sind da ein paar Stücke drauf, die sich einen sicheren Platz in meiner Deutsch-Hiphop-Playlist verdient haben, „Dies Das Ananas“, „Check Yo’self“ und „2015“ zum Beispiel. Dann kam 2018 „Clash“ und die Singleauskopplungen klangen viel zu ähnlich wie dem, was ich bisher von ihnen gehört habe. Ich bin trotzdem Fan, finde die Crew sympathisch, feiere Marie Currys Flow und dass Neonschwarz das Herz am rechten (linken) Fleck haben ist ja auch selbstverständlich.

So, genug Vorgeplänkel, jetzt mal endlich zum neuen Album namens „Morgengrauen“, das wieder mal von Neonschwarz‘ Haus- und Hoflabel Audiolith veröffentlicht wird. Der Albumtitel klingt für mich erstmal optimistisch (ein Tag beginnt, neuer Tag - neues Glück und so), aber gleichzeitig hat er auch etwas Dystopisches. Und das ohne zuvor einen Blick auf das Cover geworfen zu haben. Eben dieser Wurf bestätigt wiederum mein zweites Gefühl: Eine düstere Skyline und ein Meteorit, der auf die Stadt zurast. Erinnerungen an den Film „Don’t look up“ werden wach. Aber ich schweife wieder ab.

Vier Singles wurden vorab veröffentlicht und zwei davon waren für mich auch absolute Volltreffer. Deshalb war/ist meine Vorfreude auf dieses Album auch recht stark ausgeprägt. Mal gucken, was Marie Curry, Captain Gips, Spion Y und Johnny Mauser so gezaubert haben. Los geht’s.

 

1. War was
Der Kopf nickt zu einem schön düsteren Beat von Spion Y. Das ist auf jeden Fall schon mal ein nicer Opener: Deutschland- und Gesellschafts-Bashing, gepaart mit einer catchy Hookline. Und eine Marie Curry, die textlich und stimmlich wieder mal rasiert (das sagt man im Hiphop so - glaube ich).

2. Salto Mortale
Das war die erste Single-Auskopplung und ist gleichzeitig ein klassisches Partylied aus dem Hause Neonschwarz, das der*die geneigte Neonschwarz-Hörer*in schon kennt. Bei der Erstveröffentlichung mochte ich es nicht so richtig, aber nach diesem düsteren ersten Lied passt das gut rein. Live ist das auf jeden Fall ein Pogo- und Pyro-Garant („Wir lassen es brennen, brennen“, „Vor der Bühne wird gefackelt“) und wird Spaß machen.

3. Einzelfall
Die 2. Single-Auskopplung und für mich ein großer Hit. Ich bin Fan von politischem Rap bzw. Rap mit Substanz und das hier ist ein passendes Beispiel dafür. Gerade Captain Gips‘ Part fängt saustark an: „Was immer ihr erzählt, nein, es hat noch nie gestimmt; Nordkreuz, NSU, ihr steckt da so tief mit drin; Staatsanwälte, Cops, Richter, ich vertraue euch keinen Meter; Fuck, was wollt ihr uns erzählen? (Hunderttausend Einzeltäter?)“. 

4. Gimma
Das erste Lied, bei dem ich nicht parallel Notizen machen will. Ich kann noch nicht sagen, was ich von dem Lied halten soll. Der Text ist melancholisch und trotzdem irgendwie optimistisch-positiv. Das Wichtigste aber ist, dass das Lied etwas berührt und damit haben Neonschwarz bei mir alles richtig gemacht. Es gibt auch einen Gänsehautmoment, wenn Mauser sagt „Bitte gib uns Flo zurück“ und der Beat kurz aufhört. Puh.
Danke dafür, ich höre mir das Lied jetzt direkt nochmal an.

5. Flugmodus
Man ey, schon wieder so ein guter Beat von Spion Y! „Flugmodus“ ist ein typischer Schwizzy-Tune, in dem die Wörter „Palmen“ und „Sand“ und „Freiheit“ vorkommen - ich glaube, sowas darf bei ihnen einfach nicht fehlen. Auch wenn das Thema von Neonschwarz für meinen Geschmack etwas überstrapaziert wird, geht das Lied sehr gut rein und macht mir gute Laune.

6. Features
Das ist die 4. Singleauskopplung und hat mich sofort gekriegt. Hier wird spielerisch-ironisch mit den anscheinend vielen Nachfragen, ob denn (mal) ein Feature kommt, umgegangen. Zitat Curry: „Featuring uns, uns, uns, wir und unser Ego, ah“. Wer wie ich auch nicht alle Featuregäste von diesem Track erkannt hat, hier kommt ein Servicepost (oder ein ***Spoiler***, wer es selber rausfinden will): Pöbel MC, Kontra K, Mal Élevé, Audio88, Celo, Monchi

 

Mein Bier ist alle und es ist quasi auch Halbzeit. Zeit also für ein Zwischenfazit:

Vor uns liegt ein bisher ein sehr gutes Hiphop-Album, das durchgehend nice Beats zu bieten hat, thematisch vielfältig ist und einfach Spaß macht. Ich bin gespannt, was die zweite Hälfte so zu bieten hat!

 

7. Nix
Ein Diss-Track gegen misogyne Rapper mit starken Lines wie Captain Gips‘ “Deutschrap ist so peinlich, Digga; guck wie ich mich schäme; ich zerreiße dein Männerbild und spuck auf diese Szene“. Solidarität mit und Shout out an #deutschrapmetoo (www.instagram.com/deutschrapmetoo)! Und ich frage mich wie Sookee einst: „Warum hat denn [immer noch] niemand dieses Patriarchat zerbombt?“ (Sookee - Zusammenhänge, das Video hatte übrigens bis vor kurzem noch eine mindestens sechsstellige Klickzahl, leider wurde der Spuck-auf-Rechts-Kanal gehackt; vielleicht können die Bierschinken-User*innen da ja klickmäßig was machen :))

8. Hitzefrei
Singleauskopplung Nr. 3. Wieder ein typisches Neonschwarz-Lied und hört sich ein bisschen an wie „Fliegende Fische“ oder „Atmen“. Genau wegen diesem Lied hatte ich ein bisschen Sorge, dass „Morgengrauen“ den Vorgängeralben zu ähnlich wird. Zum Glück wurde ich bisher eines Besseren belehrt. Zur Verteidigung dieses Liedes muss ich aber sagen, dass es nach zwei Bier sehr angenehm im Hintergrund läuft, wenn man seinen eigenen Rezi-Text verbessert.

9. Alles groß
Ein Solo-Stück von Marie Curry! „Leider“ ist es ein sehr ruhiges Lied. Ich würde sie gerne mal ganz alleine in einem Banger-Lied hören. Hier singt sie eher als das sie rappt und wirkt sehr nachdenklich. Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich es schlecht finde, aber ohne Lied Nr. 10. und 11. gehört zu haben, hätte ich mir „Alles groß“ auch sehr gut als Rausschmeißer-Lied vorstellen können. Und das meine ich in diesem Fall auf keinen Fall despektierlich. Das Album schaltet mit diesem Lied definitiv 3-4 Gänge runter, was ich ein bisschen schade finde.

10. Wolkenkratzer
Mit „Wolkenkratzer“ nimmt das Album nur ein Mü an Dynamik zu. Inhaltlich bin ich mit Gips und Mauser hier (wieder mal) auf einer Wellenlänge. Aber irgendwie mir das Lied insgesamt zu lahm und die Reime klingen mir teilweise zu sehr gewollt.

Lied Nr. 9. und 10. wiederholen ein Phänomen, was mir bei „Fliegende Fische“ und „Metropolis“ schon aufgefallen ist: Es gab immer 2-3 Lieder, die inhaltlich zwar ganz nett sind, mich aber zum Skippen zwingen. „Wolkenkratzer“ könnte so ein Kandidat sein, bei „Alles groß“ hoffe/glaube ich, dass das ein Grower ist.

11. Meteor
Le grande finale! Und da isser, der Meteor. Ha, da lag ich mit meiner Dystopie-Theorie wohl gar nicht wohl falsch. Oder?
Naja, auf jeden Fall wird hier ein weiteres, bei Neonschwarz stets beliebtes Thema behandelt: Urbanität und treiben lassen. Insgesamt ist mir das Lied aber zu poppig. Schade, da hätte ich mir doch „Alles groß“ als Outro gewünscht.

 

Ach krass, da sind die 38 Minuten auch schon vorbei. Und was bleibt als Fazit? Ein starkes Album haben sie da in Hamburg abgeliefert! Mir gehen 75% der Lieder gut rein, wobei 3-4 echte Hits dabei sind. Die anderen 25%  sind Geschmackssache.

 

Epilog:

Freund*innen des gepflegten Zeckenrap möchte ich an dieser Stelle gerne noch auf die grandiose Compilation „Herz|Schlag“ (digital/Vinyl) von Ticktickboom aufmerksam machen. Hier sind auch alle Neonschwarz Crewmember auf verschiedenen Tracks vertreten. Lohnt sich. Schwör'!

schengül 02/2022
Hörprobe:
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Neonschwarz
Musikstil: HipHop, Rap
Herkunft: Hamburg
Homepage: http://neonschwarz-music.com
Neonschwarz - Morgengrauen

Stil: Rap, Hip Hop, Zeckenrap
VÖ: 25.02.2022, LP, CD, Audiolith


Tracklist:

01. War Was
02. Salto Mortale
03. Einzelfall
04. Gimma
05. Flugmodus
06. Features
07. Nix
08. Hitzefrei
09. Alles Groß
10. Wolkenkratzer
11. Meteor


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