Dritte Alben haben es ja oftmals in sich. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, hier liegt der Hase im Pfeffer, hier schlummert der Durchbruch oder der endgültige Absturz. Phrasenschwein? Pah, ne ganze Herde! Habe mal kurz die Suchmaschine angeworfen und war überrascht, welche Drittwerke auch heute noch absolute Klassiker sind (ganz schön viele), aber das ist ja fast schon Thema für einen eigenen Artikel. Macht ja aber auch Sinn: Im besten Fall hat man nach zwei Vorgängern aus Fehlern gelernt und fleißig Erfahrungen gesammelt, was sich (hoffentlich) auf dem Drittling widerspiegelt. Ohne zu viel zu spoilern - The Dead End Kids beweisen das auf "Heiß und dreckig" mit einer Selbstsicherheit, die der Band super zu Gesicht steht. 'Kein Wunder: Haben sie nicht nur zwei erfolgreiche Alben im Rücken, sondern auch haufenweise Live-Erfahrung gesammelt, nicht zuletzt vor den drei Herren AUS BERLIN 2022.
Da ich nur ein paar Songs zum Release von "Kommando Glitzer" gehört hatte, habe ich mir vor diesem Review mal genanntes (sehr gutes) Album und das Debut ausführlich nachgehört. Was mir sofort aufgefallen ist, war der mehrstimmige Gesang von Caro & Fatima. Die Stimmen passen einfach richtig gut zusammen. Ein weiteres Merkmal sind die meist recht metallische Gitarren von Caro und Charlie. Da hab ich ja eh immer was für übrig. Sie halten auch immer schön die Waage, um nicht zu dominant zu werden und sorgen für einprägsame Sprenkler abseits vom 0815 Punkrock Geschraddel. Waren auf "In deiner Stadt" schon alle Grundzüge des Stils vorhanden, so fehlten hier und da etwas Druck und Mumm beim Gesang. Außerdem fügten sich die einzelnen Elemente noch nicht ganz stimmig zusammen - die Handbremse war noch leicht angezogen. War ja auch alles neu und komplett DIY zusammengekleistert. Trotzdem habe ich den ein oder anderen Song tagelang nicht mehr aus dem Ohr bekommen. Schon mal ein gutes Zeichen. "Kommando Glitzer" machte in allen Belangen einen großen Schritt nach vorne. Die Band präsentierte sich deutlich sicherer im Fahrwasser und spielte ihre Stärken gekonnt aus. Das Echo in Rezensionen und beim Publikum war entsprechend positiv. "Heiß und dreckig" steht nun in den Startlöchern und wir wollen doch mal schauen, ob der geneigte Hörer wieder so vom Hocker gehauen wird.
Influenza startet mit einem Nokia 3210-Klingelton und hat (naheliegend) SocialMedia Wahnsinn zum Thema. Passend für einen Opener bolzt der Song richtig schön los. Fand den etwas raueren Gesang mit den eingesprenkelten Kieksern richtig stark und eine tolle neue Facette - Kommt gut. Der Schwurbler-Weckruf Verliebt macht ohne Atempause weiter. Fast schon klassischer Deutschpunk mit einer hyperaktiven Gitarre und wunderbar mitreißend. Prokrastination kommt im typischen Band-Sound und hätte auch gut auf Kommando Glitzer sein können. Den Refrain mitzubuchstabieren ist ab dem zwoten Bier eine Herausforderung (zumindest für mich). Achtung, Einspruch! hat mich, ohne Witz, an Slime in den besten Zeiten (sprich Schweineherbst) erinnert. Die Gitarre und der Text am Anfang - einfach hammergut. Der Stephan Mahler Ehrenpreis geht an The Dead End Kids. Krieg drohte nach der Abkotz-Hymne mit KnoFa-Einschlag EGO fast etwas unterzugehen. "Nochmal hören" steht auf meinem Notizzettel und das lohnt sich, wird der Song doch bei jedem Durchlauf stärker und bringt auch ne kleine Atempause - bis hierhin war das Tempo nämlich (angenehm) hoch. Auch gesanglich sehr stark. Die erste Single Kartoffelsalat wurde ganz zu recht ausgekoppelt, handelt es sich doch um einen Glitzerpowerpunk-Knaller Güteklasse A, der mal wieder aufzeigt was hierzulande falsch läuft (viel). Immer mehr, Monopoly und Arbeit bilden die Dreifaltigkeit der Kapitalismuskritik und zeigen auf, dass Lohnarbeit einfach stinkt. Auch Sie träumt und Übergriff gehören thematisch zusammen, behandeln beide Songs doch patriarchalische Machtverhältnisse, Sexismus und "traditionelle" Rollenbilder. Die Beschreibung einer dysfunktionalen Beziehung und der erlebten Machtlosigkeit in Sie träumt kommt flott gespielt und mit tieftraurigem Text. Übergriff dekliniert in gut zwei Minuten noch einmal für alle Macker und sonstigen Arschlöcher durch, was sich gehört und was verdammt nochmal nicht. Das Cover von Frieda Und Die Bomben putzt zum Abschluss den Tisch und muss live unglaublich viel Spaß machen. Ist halt auch ein guter Song.
"Heiß und dreckig" hat unglaublich viel Schönes. Ich höre hier ne Band, die ziemlich genau weiß, was sie ausmacht und alle ihre Stärken weiter ausgebaut hat. Eine Menge Refrains, die durch die richtige Mischung aus Pop und Punk sofort zum Mitsingen einladen und die ums Verrecken nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen sind. The Dead End Kids hatten schon immer was zu sagen, aber die Breite der Themen auf dem Album ist definitiv hervorzuheben. Es gibt keine "Alibi-Songs". Nichts fühlt sich hingeklatscht an, damit der übliche Anti-Nazi- oder Anti-Whatever-Song für die Zielgruppe halt auch noch drauf ist.
Und der Lobeshymne noch nicht genug, habe ich ja noch gar nichts zum liebevollen Artwork im BRAVO-Style gesagt. Richtig richtig hübsch-hässlich und sogar mit Kreuzworträtsel. Einzige Kritik: Wo sind die Tattoos???
Die Platte gibt's übrigens in schwarz, gelb und grün und auf Tape.
01. Influenza
02. Verliebt
03. Prokrastination
04. Luxusprobleme
05. Achtung, Einspruch!
06. EGO
07. Krieg
08. Kartoffelsalat
09. Immer mehr
10. Monopoly
11. Arbeit
12. Sie träumt
13. Übergriff
14. Frieda Und Die Bomben (Cover)