Knapp 3 Jahre sind seit Am Käfig rütteln vergangen und Milli Dance und Produzent Dub Dylan melden sich mit nem neuen Album zurück. Bei den Beats gab's Verstärkung von BRYCK. WTG habe ich mit dem Debüt und dem Follow-Up Eine Hand bricht die andere stark verfolgt und gefeiert, dann aber mit der Zeit aus den Augen verloren. Die weiteren Veröffentlichungen fühlten sich irgendwie nach more of the same an. Golden-Era Beats, wenig Variation in Flow und Inhalt haben dafür gesorgt, dass ich zwar mal reingehört, mich aber nicht weiter mit den Alben beschäftigt hatte. Soll nicht heißen, dass es qualitativ bergab ging, aber irgendwie wurde dem bisherigen Schaffen für mich wenig neues hinzugefügt. Jetzt ist 2025 zwei Monate alt und liegt im Wettbewerb um den beschissensten Jahresanfang der 2000er recht weit vorne. Auf der Suche nach der passenden Musik, um mit dem Wahnsinn klarzukommen, hüpft mir die Single-Auskopplung Bigotterie in die Playlist und tatsächlich nehme ich mir die Zeit und höre mal das ganze Album an.
Zwischen Wand und Tapete erfindet das WTG-Rad jetzt auch nicht komplett neu, bietet aber in Sound und Style einige Neuerungen, die ein (Wieder-)Entdecken der Rostocker doch sehr lohnenswert machen. Die Grundpfeiler sind klar: Old-Schoolige Beats von Dub Dylan, die immer wieder an Big-L und Premier erinnern, Raps von Milli Dance mit ordentlich Sozialkritik und ganz viel Anti (Rassismus, Seximus, Klassismus) aber auch klar formulierter Kritik an "der" Szene. Die Beats kleben nicht mehr so sehr an den Vorbildern wie früher. Abwechslung bringt zum Beispiel Beeindruck sie mit mir, welches sich in Produktion und Stil unterscheidet und eine erfrischende Abwechslung reinbringt. Auch der zweite Track "Klebrig" zeigt sich mit wabernden Bässen in einem minimalistischen Instrumental im neuen Sound. Die erste Single "Bigotterie" zeigt WTG wieder sehr klassisch und auf hohem Level. Weiß nicht ob an der Produktion irgendwas verändert wurde, aber der Song klingt irgendwie wärmer und organischer im Vergleich zu älteren Sachen.
Was ebenfalls auffällt, sind die Bezüge der einzelnen Tracks zueinander, was das Durchhören des gesamten Albums noch lohnender macht. So heißt das Intro z.B. Radikalisiert, und Klebrig setzt mit der Line "Mitte 30 und ich radikalisier' mich gerade" ein. Sowas finde ich einfach schönes Handwerk und ist nur ein kleines Beispiel von vielen. Das zeugt von Sorgfalt und gibt Zwischen Wand und Tapete einen sehr angenehm runden Eindruck. In diesen Zeiten tanzen noch ein Highlight kurz vor Schluss und vielleicht die Anleitung, wie man gerade durch den Tag kommt, nachdem die Schlagzeilen über Fernseher oder Handy geflimmert sind. Hier gibt's Unterstützung von der Band Lappalie, dem einzigen Feature neben Kuzo bei Kann sein dass Scheiße passiert. Dieser erinnert mich hier sehr an Tarek von KIZ. Kein Plan, wann der Text zum Outro entstanden ist, aber lang kann es nicht her sein, wird doch direkt Bezug auf die Bundestagswahl genommen. Direkt danach haut Zwischen Wand und Tapete auch nochmal ganz anders rein. Heißt es z.B. in Jugendwort des Jahres doch "Hüte Dich vor den Iden des März / und den Ideen des Merz" - (leider) wie wahr
Anspielen: Bigotterie, Jugendwort des Jahre, In diesen Zeiten tanzen
P.S.: Die CD enthält als Bonus noch die Schwerter zu Schusswaffen EP