Vor gut drei Jahren traute ich meinen Augen kaum, als ich von einer einmaligen Reunion-Tour las, bei der sich drei wirklich tolle, lange aufgelöste Bands für drei Termine wieder zusammenfanden: RITUAL, Empty Vision und Patsy O'Hara. Für eine der drei Bands war das dann doch keine einmalige Sache. RITUAL spielten vorab noch ein Warm Up Konzert in ihrer Heimatstadt Recklinghausen. Dann wurde es wieder still, bis auf ihrer Blogspot-Seite zu lesen war: "We used to be a band between 2005 and 2012, yet here we are with a new record." Das lief bei mir erst unter'm Radar, da ich die Konzerte von RITUAL zwar immer toll fand, mich über eine neue Platte von Patsy O'Hara oder Empty Vision aber mehr gefreut hätte. Bis ich "Songs for the Haunted" dann gehört habe. RITUAL haben sich völlig zurecht wieder vereint, wenn sie dieses Hardcore-Punkrock-Feuerwerk noch in petto hatten. Das hier ist richtig gut, abwechslungsreich und zerlegt dir ordentlich die Flimmerhärchen!
Der erste Song baut gekonnt eine Spannung auf, die sich nur von Donner gefolgt entladen kann und nach einer Minute hat das Gewitter der Band genug Druck aufgebaut, um alles niederzuwalzen. Stimme, Gitarren und Darbietung an die Wut erinnern mich an das zweite Album der Gallows (das letzte mit Frank Carter). Insgesamt wird nicht mehr nur vezerrt geschrien, wie noch auf der Wolves-EP, sondern die Wut druckvoll in auch mal brüchig gesungene Parts geleitet. Stimmlich ist Sänger Julian Laur de Manos in Hochform. Im dritten Song erlaubt er sich ein Zittern in der Stimme wie The Flatliners oder The Menzingers. Das kommt vor allem gut, weil es sich nicht über ein ganzes Album zieht, sodass man im Anschluss noch Lust hat, es wieder zu hören und mehr davon möchte.
"Songs for the Haunted" hat deutlich mehr Melodien, als ich von der EP und Konzerten von RITUAL in Erinnerung hatte und ich wusste nicht, dass ich auf diese Melodien in rohem, rauen Gewand gewartet hatte. Deni Pavičićs, Pascal Wagners und Philipp Wulfs Instrumente bewegen sich im Vertrauten, aber so variantenreich, dass es frisch und neu ins Ohr geht. Dabei unterstützt ein schön klarer Sound, bei dem laut Pressetext Robin Völkert und Pogo McCartney ihre Finger im Spiel haben.
Der Song "Shadow of Doubt" könnte auch gut auf dem ersten Gallows-Album gewesen sein und damit schließt sich für mich, der die ersten beiden Gallows-Alben liebt, ein Kreis. Die punkigeren Momente von "Songs for the Haunted" haben die Power von The Sainte Catherines und manchmal erinnert mich der Hardcorepunkvibe an Banes 2014er Album "Don't Wait Up". Das war auch ein Spitzenteil. So vereinen sich allein von den Assoziationen in den dreizehn Songs lauter Lieblingsbands- und Alben, was mir das Gutfinden der Platte natürlich erleichtert.
Aber auch ohne diese Vergleiche lohnt es sich, die über 40 Minuten zu hören. In anderen Rezensionen wurde die Länge des Albums positiv hervorgehoben und auch ich finde es super, dass es hier endlich mal wieder eine Weile was zu hören gibt. Alben an die Macht. RITUALs "Songs for the Haunted" ist aber trotz der Länge kurzweilig. Hier ist nichts überflüssig oder belanglos. Stattdessen fragt man sich nach den 13 Songs, was für eine innovative, kathartische Hardcorepunkrocksprengladung hier gerade explodiert ist und steckt die Lunte gleich nochmal in Brand.
